Die Franzosen verstehen es meisterhaft, Erlebnisse zu inszenieren. Man denke nur an die spektakuläre Eröffnungsfeier der Olympischen Spiele 2024. Auch der Weintourismus ist eine französische Erfindung. Im Bordeaux, Burgund und Elsass konnte man bereits im 19. Jahrhundert zur Besichtigung ausgewählter Weingütern aufbrechen. Heute führen durch alle Weinregionen der Welt Route des Vins nach französischem Vorbild. Geht es um hochprozentige Genüsse, spricht man inzwischen von Spiritourismus – ein etwas sperriger Begriff. Doch auch hier lohnt der Blick nach Frankreich, wo die Gewölbekeller weltberühmter Spirituosen gekonnt in Szene gesetzt werden.

Vom Kellerbesuch zum Spiritourismus
Spirituosentourismus, auch Spiritourismus genannt, bietet mehr Vielfalt als Weintourismus: Cognac, Absinth, Rum, Wermut, Whisky, handwerkliche Liköre, traditionelle Punchs und andere alkoholische Spezialitäten, tief verwurzelt in der lokalen Kultur. Oft ergänzt er Reisen ideal, weckt Interesse an Traditionen und Geschichte des Gastlandes oder motiviert Reisegruppen, gemeinsam die Hotelanlage zu verlassen.

Spirituosen mit Geschichte
Beim Besuch einer Brennerei lernt man die Kunst des Destillierens und probiert die Ergebnisse. Spiritourismus verbindet den Genuss mit der Geschichte der Destillerien und stärkt zugleich die regionale Wirtschaft. Absinth, Cognac und der Wermut Noilly Prat sind solche Spirituosen mit Vergangenheit: Sie tragen Mythen oder die Begeisterung berühmter Persönlichkeiten, die sie zu Legenden machten. Vom skandalträchtigen Absinth über den edlen Cognac aus der Stadt an der Charente bis zum Wermut Noilly Prat, der für James Bond und Queen Elizabeth II einen Martini erst perfekt machte. Ein Besuch bei Noilly Prat, Baron de Otard und der grünen Fee.

Absinth, Cognac und Wermut verbindet, wenn überhaupt, nur die Nutzung von Wein oder Weindestillat als Alkoholbasis. Doch während Cognac seine Aromen allein aus Wein und Eichenfässern gewinnt, prägen bei Noilly Prat und Absinth vor allem Kräuter den Geschmack. Zutaten und Herstellungsverfahren bleiben jedoch bei jeder Spirituose einzigartig und typisch. Heute endet fast jede Kellerführung eines Spirituosenherstellers in einem schicken Verkaufsraum, wo neben dem Hauptprodukt auch Souvenirs locken. Cognac und Absinth haben sogar eigene Museen – Spiritourismus in Perfektion!

Unterwegs auf der Route de l’Absinthe
Im Maison de l’Absinthe in Môtiers taucht man tief in die bewegte Geschichte des Absinths ein. Einst im Mittelalter als Heilmittel geschätzt, geriet das grüne Getränk Anfang des 20. Jahrhunderts in Verruf. Mit der tropfenden kalten Quelle wurde es zur typischen Requisite in Filmen wie Bram Stokers Dracula. Frankreich, das Land seiner größten Erfolge, verhängte ein 96 Jahre währendes Verbot. Eine Reise entlang der Route des Absinth im französischen Franche-Comté und ein Besuch im Absinth-Museum im Val de Travers enthüllen die Geheimnisse der mystischen blauen Stunde. In der Schweiz trat das Verbot 1910 in Kraft, in Frankreich folgte es 1915. Heute führt eine gut markierte Wanderroute über 48 Kilometer von Pontarlier in Frankreich nach Noiraigue in der Schweiz. Entlang des Weges laden Destillerien, Brasserien, Gasthöfe, Burgen, Hotels und Restaurants ein, die Geschichte des Absinths zu entdecken und zu erleben. Zur ausführlichen Reportage Absinth – verboten und wiederentdeckt

Von der Königsresidenz zum Cognac-Haus
In Cognac an der Charente dreht sich alles um den berühmten Weinbrand. Bis heute gibt es rund 260 Cognac-Häuser. Zu den bekanntesten zählen die Marktführer Hennessy und Rémy Martin. Das Haus Baron de Otard gehört zu den ältesten und traditionsreichsten. Hier atmen nicht nur die Cognacfässer, sondern das gesamte Gebäude auch die Geschichte von König François I. Besucher erleben bei Führungen durch das ehemalige Schloss spannende Einblicke in die Cognac-Herstellung und die Vergangenheit der einstigen Königsresidenz. Außerdem lockt das Musée des Savoir-faire du Cognac mit weiteren Entdeckungen. Die Auswahl an Touren durch die Cognac-Häuser ist groß, doch ein Besuch bei Baron de Otard bietet zusätzlich noch Einblicke in die Geschichte der Stadt.

Noilly Prat – Favorit der Queen
Das Stammhaus von Noilly Prat steht im Languedoc, am ruhigen Hafen von Marseillan, rund 50 Kilometer von Montpellier entfernt. Seit 1859 entsteht hier Wermut. Noilly Prat ist ein klassischer, trockener französischer Wermut – kein Destillat, kein Likör, sondern ein mit Kräutern veredelter Wein. Besucher können bei einer Führung die einzelnen Schritte der Herstellung probieren. Die Weißweine lagern im Freien: Über zwölf Monate reifen sie in alten Eichenfässern, Sonne und Wind prägen ihren Charakter. Nach sieben Monaten im Innenhof verleiht die Meeresbrise dem Wein eine markante Note. Anschließend wird er mit bis zu 20 Kräutern und Gewürzen wie Kamille, Koriander, Nelken und Orangenschale aromatisiert. Danach folgt die Vermählung mit Mistelle, einer süßen Weinzugabe. Der Wermut wird nicht destilliert, sondern nach der Aromatisierung filtriert und abgefüllt. Mit einem Alkoholgehalt von etwa 18 % vol gilt Noilly Prat als Inbegriff des trockenen Wermuts – ideal pur als Aperitif oder als Zutat in Cocktails wie Martini und Manhattan. Tickets für eine Tour gibt es das ganze Jahr und bereits ab 12 Euro.

Die Recherchereise wurde von Nouvelle-Aquitaine Tourismus und Die Landpartie unterstützt