Klaus Eyholzer hat es nicht weit, wenn der Tau auf seinen Safran-Blüten mit den ersten Sonnenstrahlen verdunstet ist. Er wohnt im Schweizer Kanton Wallis und züchtet die kostbaren Gewürzpflanzen in seinem Hausgarten. Die Südhänge unterhalb des kleinen Dorfes Mund hoch oben an den Südhängen des Rhône-Tals gelten bei Kennern als bestes Anbaugebiet für die anspruchsvollen Krokus-Pflanzen.
Die Safranpflanze gehört botanisch zu den Schwertlilien. Jede Blüte hat sechs lilaviolette Blütenblätter und gewöhnlich drei Narben. Nur diese werden nach der Ernte getrocknet und als Gewürz gehandelt. 130.000 Blüten müssen für ein Kilogramm der kulinarischen Kostbarkeit von Hand geerntet werden.
Die Safran-Tradition in Mund geht auf das 15. Jahrhundert zurück. Aber der Ursprung ist nicht genau überliefert. Mutmaßlich haben mittelalterliche Söldner trotz drohender Todesstrafe ein paar der kostbaren Safranknollen aus Spanien zurück in ihre abgelegene Heimat geschmuggelt.
Mit dem Safran sind die Einwohner, auf deren Äckern sonst Roggen angebaut wird, vorübergehend zu einem bescheidenen Wohlstand gekommen. Noch bis zur Mitte des vorigen Jahrhunderts konnte sich in Mund jede Familie selbst versorgen und von dem leben, was sie auf ihrem Land anbaut.
In Mund wird eine exzellente Safranqualität produziert, aber die maximale Ernte des begehrten Gewürzes beträgt zwei bis drei Kilogramm pro Jahr. Auch wenn der Preis in manchen Jahren an den Goldpreis herankommt, kann der Safrananbau nur einen kleinen Teil zum Lebensunterhalt der Safranzüchter beitragen.
Erst die Seilbahn, dann kam die Straße
Noch vor 70 Jahren war Mund verkehrstechnisch von der Außenwelt abgeschnitten. Eine Seilbahn hat das in 1.200 Meter Höhe gelegene Dorf erst 1951 mit dem geschäftigen Rhône-Tal verbunden. Bezeichnend ist auch, dass die Erschließungsstraße 1978 mitten durch die wertvollen Safranäcker gebaut wurde. Von ehemals 60 Äckern wurden beim Bau der Straße nur noch drei bewirtschaftet. Gerade noch rechtzeitig vor dem endgültigen Untergang der Safrantradition, hat sich eine Initiative zur ihrer Rettung gegründet.
Die Safran-Zunft
Die Renaissance des Munder Safrans beginnt 1979 mit der Gründung der Safran-Zunft, die heute 184 Mitglieder hat und auch Interessierte aufnimmt, die keine Safran-Parzelle selbst bewirtschaften. Im Vordergrund steht nicht mehr das kommerzielle Interesse, sondern die Pflege des lokalen Alleinstellungsmerkmals.
Dass die Safranernte in der touristischen Nebensaison stattfindet, liegt an der Laune dieses Liliengewächses. Denn erst Ende Oktober, wenn für alle übrigen Pflanzen die Winterruhe begonnen hat, kommt die kurze Zeit der Safranblüte. Das Klima im Wallis, die Höhenlage und die Bodenbeschaffenheit tragen dazu bei, dass sich der Safran in Mund so gut entwickeln kann. Den Sommer überdauert die Safranknolle in 20 Zentimeter Tiefe. Und das besonders gut, wenn auf demselben Acker in der Bodenschicht über der Knolle Roggen wächst. Das Roggenbrot hat im Kanton Wallis ebenfalls eine lange Tradition. Noch heute wird es in kommunalen Backhäusern von Dorfgemeinschaften gemeinsam gebacken.
Individuelle Erfolgsgeheimnisse
Heute beschäftigen sich in Mund wieder 80 Familien mit Safran und jede scheint ihr eigenes Geheimrezept zu haben. Die einen schwören darauf, dass im Sommer der Acker über den Knollen bearbeitet werden muss, andere wie Elmar Pfammatter haben mit dem Gegenteil die besten Erfahrungen gemacht. Mit der Ernte auf seinem unbearbeiteten Acker ist er sehr zufrieden.
Vor einigen Jahren wurde für die Munder Äcker eine aufwändige Bewässerungsanlage installiert, die aber von denen nicht genutzt wird, die auf das natürliche Klima mit abwechselnd Regen, Sonnenschein und lauen Nebeln schwören.
Auch dass die Knollen mindestens 20 Zentimeter tief im Boden liegen müssen, scheint kein Gesetz mehr zu sein, denn die nicht so tief gepflanzten blühen früher und bekommen vor der Ernte mehr Sonne ab. Auf der Suche nach der wesentlichen Grundvoraussetzung für das Safran-Wunder glaubt man, bei der lockeren, feinsandigen und mageren Bodenbeschaffenheit fündig geworden zu sein. Aber dann trifft man Safran-Bauern, die fest an eine wie auch immer geartete Düngung glauben.
Safran-Dorf Mund – Brauchtum und Geselligkeit
Das kleine Safranmuseum ist eines der ältesten dieser für das Wallis typischen Holzhäuser. Nachdem es lange als Zehnthaus gedient hat, in dem die Bauern ihre Steuer in Naturalien entrichten mussten, bietet es heute eine schöne Kulisse für Volksfeste und Familienfeiern. Zum Schutz gegen Mäuse steht es auf Stelzen, die mit tellerartigen Steinen gestapelt sind. Die Ausstellung und die sachkundige Führung vermitteln ein umfassendes Grundlagenwissen über die regionale Landwirtschaft.
Im Safranmuseum und bei einem geführten Gang durch das Dorf erlebt man anschaulich, wie gut sich historische Ereignisse mit erzählten Geschichten einordnen lassen. Remigius Pfaffen ist sowohl für die Safranzunft als auch für die Stiftung pro Safrandorf Mund tätig. Erst kürzlich hat die Stiftung das Wohnhaus des Fotografen Fridolin Imstepf erworben und mitsamt seiner historischen Fotosammlung der Öffentlichkeit zugänglich gemacht.
Safran – Produktion in Heimarbeit
Die Blüten werden bei der Ernte auf den Safran-Äckern so abgeknickt, dass kein Zug auf die tief im Boden sitzende Knolle ausgeübt wird. In kleinen Körbchen werden sie zur Weiterverarbeitung nach Hause mitgenommen.
Aus jeder Blüte werden drei rote Safran-Fäden gezupft. Zu schade, dass der farbenprächtige Rest meist auf dem Kompost landet.
Munder Safran – Teuer und schwer zu bekommen
In Mund wird seit je her eine exzellente Safran-Qualität produziert, die zum größten Teil von den lokalen Restaurants verbraucht wird. Auch wenn der Preis in manchen Jahren an den Goldpreis herankommt, ist Safran hier schnell ausverkauft.
Print-Veröffentlichung
Die Recherchereise wurde teilweise von Schweiz Tourismus unterstützt