Bamberg, wo der Gärtner zum Welterbe wurde

Die Altstadt vom Bamberg wurde bereits 1993 in die UNESCO-Welterbeliste aufgenommen. Zum Welterbe zählen die Bergstadt mit Domberg und dem ehemaligen Benediktinerkloster St. Michael sowie die Inselstadt und die Gärtnerstadt. Doch es war nicht nur die hohe Dichte historischer Stätten, wie der berühmte Kaiserdom oder das Alte Rathaus, die Bamberg vor fast 30 Jahren das UNESCO-Welterbe beschert haben. Ohne die Gärtnerstadt, mit ihrem spätmittelalterlichen Charakter wäre Bamberg kein Weltkulturerbe geworden. Seit 2014 zählt die Bamberger Gärtnertradition auch zum immateriellen Kulturerbe.

Um 1900 gab es noch über 500 Gärtnerbetriebe in der Stadt. Heute sind es nur noch 18 Gärtnereien, die sich unter der Marke "Gutes aus Bamberg" zusammengeschlossen haben / © Foto: Georg Berg
Um 1900 gab es noch über 500 Gärtnerbetriebe in der Stadt. Heute sind es nur noch 18 Gärtnereien, die sich unter der Marke „Gutes aus Bamberg“ zusammengeschlossen haben / © Foto: Georg Berg

Hinter der Gärtnerstadt steht eine Jahrhunderte alte Tradition. Bamberger Familien bewirtschaften historische Anbauflächen mitten im Stadtgebiet. Die Gärtnerstadt dient seit jeher der Versorgung Bambergs. Heute lässt sich anhand eines Rundwegs viel über die historischen und kulturellen Zusammenhänge erfahren. Die Gärtnerfamilien, die seit Jahrhunderten in ihrem Viertel Gemüse, Kräuter, Obst, Blumen und Sämereien produzieren, tun dies weiterhin.

Gemüseanbau mitten in der Stadt. Im Vordergrund sieht man eine Erdmiete, die über den Winter als Lagerraum für Wurzelgemüse dient. Im Hintergrund werden Feldsalat und Winterpostelein als Salat-Varianten für die kalten Monate im Jahr angebaut / © Foto: Georg Berg
Gemüseanbau mitten in der Stadt. Im Vordergrund sieht man eine Erdmiete, die über den Winter als Lagerraum für Wurzelgemüse dient. Im Hintergrund werden Feldsalat und Winterpostelein als Salat-Varianten für die kalten Monate im Jahr angebaut / © Foto: Georg Berg

Das Viertel ist kein Museum, sondern bis heute ein Wohn- und Arbeitsquartier, auch wenn sich die Zahl der Gärtnerbetriebe stark reduziert hat. Waren es um 1900 noch über 500 Betriebe, sind es heute noch 18 Gärtnereien, die sich unter der Marke Gutes aus Bamberg zusammengeschlossen haben. Neben den vielen touristischen Attraktionen, die Bambergs Altstadt für Stadtbesucher zu bieten hat, muss das historische Anbaugebiet und die gärtnerische Tradition um Aufmerksamkeit buhlen.

Das Gärtner- und Häcker-Musuem liefert den geschichtlichen Hintergrund. Häcker ist übrigens der fränkische Ausdruck für Winzer. Der Weinanbau in Bamberg fand durch die Kleine Eiszeit im 16. und 17. Jahrhundert sein Ende. Der Wein der Region wurde so sauer, dass man ihn Magenbeißer nannte / © Foto: Georg Berg
Das Gärtner- und Häcker-Musuem liefert den geschichtlichen Hintergrund. Häcker ist übrigens der fränkische Ausdruck für Winzer. Der Weinanbau in Bamberg fand durch die Kleine Eiszeit im 16. und 17. Jahrhundert sein Ende. Der Wein der Region wurde so sauer, dass man ihn Magenbeißer nannte / © Foto: Georg Berg

In der Bamberger Gärtnerstadt ist bewahrt worden, was anderswo schon lange verschwunden ist. Die meisten Menschen fahren zum Einkauf auf die – ihre Trostlosigkeit im Namen verschleiernde – Grüne Wiese. Riesige Parkplatzflächen und seelenlose Industriebauten bis unter die Decke vollgepackt mit Waren von überall her. Wer einmal erleben möchte, wie die Menschen früher gewohnt, gearbeitet und eingekauft haben, sollte unbedingt durch das Bamberger Gärtnerviertel schlendern.

In der Hofstadt-Gärtnerei bei Carmen Dechant bekommt man neben einer fundierten Beratung auch viele Pflanzenraritäten und seltene Kräuter. Carmen Dechant bietet auch Kräuter-Workshops an / © Foto: Georg Berg
In der Hofstadt-Gärtnerei bei Carmen Dechant bekommt man neben einer fundierten Beratung auch viele Pflanzenraritäten und seltene Kräuter. Carmen Dechant bietet auch Kräuter-Workshops an / © Foto: Georg Berg

Der Rundweg verknüpft das Gärtner- und Häckermuseum mit realen Einkaufsgelegenheiten in den Hofläden der Gärtner und lädt auf die Aussichtsplattform Gärtnerstadt ein. Von hieraus erkennt man die langen schmalen Grundstücke. Hinter jeder dieser Parzellen, die sich zu einem großen Feld zusammenfügen, steht die Geschichte einer anderen Gärtnerfamilie.

Bamberger Wirsing in direkter Nachbarschaft zu Bamberger Ingwer und Bamberger Kurkuma / © Foto: Georg Berg
Bamberger Wirsing in direkter Nachbarschaft zu Bamberger Ingwer und Bamberger Kurkuma / © Foto: Georg Berg

Der Segen der Haussorten

Seit Jahrhunderten haben die Gärtner in Bamberg nur das Gemüse angebaut, das sie in ihren Hausgärten selbst vermehrt hatten. Dabei hatte jeder Gärtner seine individuellen Haussorten. So entstanden im Laufe der Zeit genetisch eigenständige Lokalsorten, die sich optimal an die Standortbestimmungen der Stadt angepasst haben. Einige dieser Sorten sind bis heute erhalten und, wie das Bamberger Hörnla, weit über die Region hinaus bekannt.

Die Kartoffelsorte Bamberger Hörnla ist länglich und leicht gekrümmt. Sie kann ihre Abstammung von alten südamerikanischen Kartoffelsorten nicht verheimlichen. Geschätzt wird sie wegen des nussigen Geschmacks / © Foto: Georg Berg
Die Kartoffelsorte Bamberger Hörnla ist länglich und leicht gekrümmt. Sie kann ihre Abstammung von alten südamerikanischen Kartoffelsorten nicht verheimlichen. Geschätzt wird sie wegen des nussigen Geschmacks / © Foto: Georg Berg

Weit weniger bekannt sind beinahe exotisch anmutende Gewächse, die es dank der engagierten Gemüsebetriebe wieder frisch und lokal zu kaufen gibt: Bamberger Ingwer, Kurkuma oder Süßholz. Bamberger Wirsing und Rettich sowie die birnenförmige Bamberger Zwiebel.

Authentische Souvenirs, die sich zu Hause verbrauchen und keinen Staub ansetzen: Bamberger Knoblauch sowie Kurkuma- und Ingwerknollen / © Foto: Georg Berg
Authentische Souvenirs, die sich zu Hause verbrauchen und keinen Staub ansetzen: Bamberger Knoblauch sowie Kurkuma- und Ingwerknollen / © Foto: Georg Berg

An Bord der Arche – Bamberger Knoblauch und Süßholz

Schutz erhalten die alten Gemüsesorten nicht nur von engagierten Gärtnerfamilien, sondern auch durch das internationale Projekt Arche des Geschmacks. Die Slow Food Stiftung für Biodiversität schützt weltweit rund 4.700 regional wertvolle Lebensmittel, Nutztierarten und Kulturpflanzen vor dem Vergessen und Verschwinden, die unter den gegenwärtigen ökonomischen Bedingungen am Markt nicht bestehen oder die wie das Bamberger Süßholz aus der Mode gekommen sind. Früher wurden die Knoblauchknollen per Hand gepflanzt und geerntet. Mit dem verstärkten Einsatz von Kartoffelpflanz- und Erntemaschinen ab 1950 verschwand die Sorte aus dem Feldanbau, denn die länglichen Knollen waren für eine maschinelle Bearbeitung kaum geeignet.

Bamberger Knoblauch auf dem Hof von Sebastian Niedermaier. Wie damals wird der Knoblauch in Büscheln verkauft / © Foto: Georg Berg
Bamberger Knoblauch auf dem Hof von Sebastian Niedermaier. Wie damals wird der Knoblauch in Büscheln verkauft / © Foto: Georg Berg

Zum Erhalt des Knoblauchs trug lange Zeit nur der Gartenbau und die Direktvermarktung bei. Der Knoblauchanbau hatte im 19. Jahrhundert eine große wirtschaftliche Bedeutung in Bamberg. Getrocknete Knoblauchzwiebeln wurden in Büscheln zu 100 und zu 30 Stück verkauft und stellten einen festen Handelsartikel auf den Herbstmärkten dar. Nach dem Zweiten Weltkrieg verlor diese Gemüsekultur immer mehr an Bedeutung. Um 1995 wurde die Vermarktung des Bamberger Knoblauchs ganz eingestellt. Dass er in drei Gärtnerbetrieben hauptsächlich für den Eigenbedarf überlebt hat, liegt auch an seiner geschmacklichen Qualität.

Sebastian Niedermaier ist Gärtner in 13. Generation. Neben dem Anbau von Bio-Gemüse hat er gemeinsam mit seinem Vater den Erhalt der alten Bamberger Sorten zur Aufgabe gemacht. Hier hält er frisch geerntete Kurkumawurzel in der Hand / © Foto: Georg Berg
Sebastian Niedermaier ist Gärtner in 13. Generation. Neben dem Anbau von Bio-Gemüse hat er gemeinsam mit seinem Vater den Erhalt der alten Bamberger Sorten zur Aufgabe gemacht. Hier hält er frisch geerntete Kurkumawurzel in der Hand / © Foto: Georg Berg

Karotte auf zwei Beinen – Bio-Gemüse bei Niedermaier

Die Gärtnerei Sebastian Niedermaier besteht in 11. Generation. 2012 hat Sebastian Niedermaier auf Biogemüse umgestellt und baut seitdem regionale Gemüsesorten und Bioprodukte an. Im Hof der Niedermaiers bilden sich – nicht nur coronabedingt – Schlangen am Verkaufsstand. Wenn am Freitag um 14 Uhr der Hofverkauf beginnt, dann sind es die Stammkunden aus der Stadt und dem Umland, die sich mit dem ökologisch angebauten Gemüse eindecken.

Sebastian Niedermaier konfrontiert seine Kunden auch gerne mit neuen Gemüsesorten. Hier Haferwurzel, die eine Alternative zur Schwarzwurzel darstellt / © Foto: Georg Berg
Sebastian Niedermaier konfrontiert seine Kunden auch gerne mit neuen Gemüsesorten. Hier Haferwurzel, die eine Alternative zur Schwarzwurzel darstellt / © Foto: Georg Berg

Familie Niedermaier ist seit 400 Jahren Teil der Gärtnerstadt. Tief verwurzelt mit den schmalen Anbauflächen. Bis Mai bedient Sebastian Niedermaier seine Kundschaft mit Wurzelgemüse aus der Erdmiete. Hier lagern über Herbst und Winter Gelbe Beete, Rote Beete, Sellerie und Karotten. Bei Sebastian Niedermaier darf die Karotte auch mal zwei Beine haben. Bei allem Traditionsbewusstsein konfrontiert er seine Kundschaft gerne mal mit neuen Sorten. Wie dem Zuckerhut, der anders als sein Name es verspricht, ein sehr bitterer Salat ist. Den Zuckermaiskolben nennt er einen Powerriegel und mit dem Grünkohl haben die Franken anfangs etwas gefremdelt. Hier in Bamberg ist der Wirsing der König der Kohlsorten. Haferwurzel als eine Alternative zur Schwarzwurzel hat er neu angebaut.

Auf dem Stadtacker umgeben von Wirsing, Kurkuma und Ingwer erzählt Sebastian Niedermaier von einigen der über 60 Gemüsesorten, die sein Betrieb anbietet / © Foto: Georg Berg
Auf dem Stadtacker umgeben von Wirsing, Kurkuma und Ingwer erzählt Sebastian Niedermaier von einigen der über 60 Gemüsesorten, die sein Betrieb anbietet / © Foto: Georg Berg

In seiner Ausbildungszeit ist Sebastian Niedermaier viel gereist: Auf Teneriffa hat er biologisches Gemüse angebaut, in der Schweiz Flächen bewirtschaftet, die so groß waren, wie die aller Bamberger Gärtnerbetriebe zusammen. Ein halbes Jahr in den USA hat ihm das Züchten genetisch veränderter Obst- und Gemüsesorten vor Augen geführt. Diesen Weg wollte er für seinen Betrieb nicht. Sein Gemüse ist lokal produziert und von guter Qualität. Feldsalat und Winterpostelein, Tomaten, Rettich, Wirsing, Karotten sowie gelbe und rote Beeten zählen zum Gemüseangebot, das insgesamt rund 60 Sorten umfasst. Darüber hinaus werden bei den Niedermaiers alte Lokalsorten angebaut, die so exklusiv sind, dass sie sich nur noch im Familienbesitz der Niedermaiers befinden! So findet man in seiner Hofgärtnerei die familieneigenen Sorten Bamberger Spitzwirsing, Bamberger Knoblauch und Bamberger Rettich.

Wirrwarr an Süßholzwurzeln. Auch oberirdisch ist das Süßholz eine struppige Erscheinung. Im Mittelalter war das Süßholz für Bamberg sehr bedeutend und sogar Bestandteil des Stadtwappens / © Foto: Georg Berg
Wirrwarr an Süßholzwurzeln. Auch oberirdisch ist das Süßholz eine struppige Erscheinung. Im Mittelalter war das Süßholz für Bamberg sehr bedeutend und sogar Bestandteil des Stadtwappens / © Foto: Georg Berg

Auch die alte Bamberger Tradition des Süßholzanbaus, ebenfalls ein Archepassagier, wird hier weitergeführt. Süßholz ist eine eher struppige Pflanze. Die drei- bis vier Jahre alten Seitenwurzeln haben Geschmack und werden geerntet. Die Pfahlwurzel dagegen bleibt immer stehen. In seiner Meisterprüfung, erzählt Sebastian Niedermaier, musste er eine drei Meter lange Seitenwurzel unverletzt ausgraben. Das alte Wissen soll nicht verloren gehen. 1604 war das Süßholz sogar im Wappen der Stadt Bamberg enthalten.
Vermehrung und Samenzucht übernehmen die Niedermaiers jedes Jahr aufs Neue selbst, wodurch sie die Sortenvielfalt und den einmaligen Geschmack ihrer eigenen Bamberger Sorten erhalten.

Kurkuma und Ingwer aus Bamberg. Sie reifen zwar nicht so durch wie die Sorten aus Peru oder China, sind etwas milder, aber unglaublich frisch / © Foto: Georg Berg
Kurkuma und Ingwer aus Bamberg. Sie reifen zwar nicht so durch wie die Sorten aus Peru oder China, sind etwas milder, aber unglaublich frisch / © Foto: Georg Berg

Gerade weil in es sich bei der Gärtnerstadt nicht um ein Freiluftmuseum, sondern um eine gelebte Tradition handelt, ist es so empfehlenswert, die Gärtnerstadt bei aller geballter Kultur sowie gastronomischen Verlockungen, die Bamberg zu bieten hat, in eine Stadtbesichtigung einzubeziehen. Jeder Bamberger Gärtner hat eigene Spezialitäten. Obst und Gemüse, Kräuter sowie Stauden und Blumen. Bessere Souvenirs kann man kaum von einer Reise mitbringen.

Historische Anbauflächen inmitten der Stadt. Im Hintergrund St. Otto, die 1911 - 1914 von Orlando Kurz erbaute Pfarrkirche des Gärtnerviertels / © Foto: Georg Berg
Historische Anbauflächen inmitten der Stadt. Im Hintergrund St. Otto, die 1911 – 1914 von Orlando Kurz erbaute Pfarrkirche des Gärtnerviertels / © Foto: Georg Berg

Die Stadt Bamberg bietet jeden Freitag geführte Touren durch das Gärtnerviertel an. Aber auch auf eigene Faust lässt sich das Viertel problemlos entdecken. Das Tourismusbüro versorgt Besucher mit handlichen Broschüren, die den Rundweg und seine Stationen beschreiben.

Wandkalender mit Fotos von Georg Berg im Buchhandel (auch online) in verschiedenen Größen erhältlich: Welterbe Gärtnerstadt Bamberg / auch als Familienplaner (*)

Die Recherchereise wurde von Bamberg Tourismus unterstützt

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