Die Altstadt vom Bamberg wurde bereits 1993 in die UNESCO-Welterbeliste aufgenommen. Zum Welterbe zählen die Bergstadt mit Domberg und dem ehemaligen Benediktinerkloster St. Michael sowie die Inselstadt und die Gärtnerstadt. Doch es war nicht nur die hohe Dichte historischer Stätten, wie der berühmte Kaiserdom oder das Alte Rathaus, die Bamberg vor fast 30 Jahren das UNESCO-Welterbe beschert haben. Ohne die Gärtnerstadt, mit ihrem spätmittelalterlichen Charakter wäre Bamberg kein Weltkulturerbe geworden. Seit 2014 zählt die Bamberger Gärtnertradition auch zum immateriellen Kulturerbe.
Hinter der Gärtnerstadt steht eine Jahrhunderte alte Tradition. Bamberger Familien bewirtschaften historische Anbauflächen mitten im Stadtgebiet. Die Gärtnerstadt dient seit jeher der Versorgung Bambergs. Heute lässt sich anhand eines Rundwegs viel über die historischen und kulturellen Zusammenhänge erfahren. Die Gärtnerfamilien, die seit Jahrhunderten in ihrem Viertel Gemüse, Kräuter, Obst, Blumen und Sämereien produzieren, tun dies weiterhin.
Das Viertel ist kein Museum, sondern bis heute ein Wohn- und Arbeitsquartier, auch wenn sich die Zahl der Gärtnerbetriebe stark reduziert hat. Waren es um 1900 noch über 500 Betriebe, sind es heute noch 18 Gärtnereien, die sich unter der Marke Gutes aus Bamberg zusammengeschlossen haben. Neben den vielen touristischen Attraktionen, die Bambergs Altstadt für Stadtbesucher zu bieten hat, muss das historische Anbaugebiet und die gärtnerische Tradition um Aufmerksamkeit buhlen.
In der Bamberger Gärtnerstadt ist bewahrt worden, was anderswo schon lange verschwunden ist. Die meisten Menschen fahren zum Einkauf auf die – ihre Trostlosigkeit im Namen verschleiernde – Grüne Wiese. Riesige Parkplatzflächen und seelenlose Industriebauten bis unter die Decke vollgepackt mit Waren von überall her. Wer einmal erleben möchte, wie die Menschen früher gewohnt, gearbeitet und eingekauft haben, sollte unbedingt durch das Bamberger Gärtnerviertel schlendern.
Der Rundweg verknüpft das Gärtner- und Häckermuseum mit realen Einkaufsgelegenheiten in den Hofläden der Gärtner und lädt auf die Aussichtsplattform Gärtnerstadt ein. Von hieraus erkennt man die langen schmalen Grundstücke. Hinter jeder dieser Parzellen, die sich zu einem großen Feld zusammenfügen, steht die Geschichte einer anderen Gärtnerfamilie.
Der Segen der Haussorten
Seit Jahrhunderten haben die Gärtner in Bamberg nur das Gemüse angebaut, das sie in ihren Hausgärten selbst vermehrt hatten. Dabei hatte jeder Gärtner seine individuellen Haussorten. So entstanden im Laufe der Zeit genetisch eigenständige Lokalsorten, die sich optimal an die Standortbestimmungen der Stadt angepasst haben. Einige dieser Sorten sind bis heute erhalten und, wie das Bamberger Hörnla, weit über die Region hinaus bekannt.
Weit weniger bekannt sind beinahe exotisch anmutende Gewächse, die es dank der engagierten Gemüsebetriebe wieder frisch und lokal zu kaufen gibt: Bamberger Ingwer, Kurkuma oder Süßholz. Bamberger Wirsing und Rettich sowie die birnenförmige Bamberger Zwiebel.
An Bord der Arche – Bamberger Knoblauch und Süßholz
Schutz erhalten die alten Gemüsesorten nicht nur von engagierten Gärtnerfamilien, sondern auch durch das internationale Projekt Arche des Geschmacks. Die Slow Food Stiftung für Biodiversität schützt weltweit rund 4.700 regional wertvolle Lebensmittel, Nutztierarten und Kulturpflanzen vor dem Vergessen und Verschwinden, die unter den gegenwärtigen ökonomischen Bedingungen am Markt nicht bestehen oder die wie das Bamberger Süßholz aus der Mode gekommen sind. Früher wurden die Knoblauchknollen per Hand gepflanzt und geerntet. Mit dem verstärkten Einsatz von Kartoffelpflanz- und Erntemaschinen ab 1950 verschwand die Sorte aus dem Feldanbau, denn die länglichen Knollen waren für eine maschinelle Bearbeitung kaum geeignet.
Zum Erhalt des Knoblauchs trug lange Zeit nur der Gartenbau und die Direktvermarktung bei. Der Knoblauchanbau hatte im 19. Jahrhundert eine große wirtschaftliche Bedeutung in Bamberg. Getrocknete Knoblauchzwiebeln wurden in Büscheln zu 100 und zu 30 Stück verkauft und stellten einen festen Handelsartikel auf den Herbstmärkten dar. Nach dem Zweiten Weltkrieg verlor diese Gemüsekultur immer mehr an Bedeutung. Um 1995 wurde die Vermarktung des Bamberger Knoblauchs ganz eingestellt. Dass er in drei Gärtnerbetrieben hauptsächlich für den Eigenbedarf überlebt hat, liegt auch an seiner geschmacklichen Qualität.
Karotte auf zwei Beinen – Bio-Gemüse bei Niedermaier
Die Gärtnerei Sebastian Niedermaier besteht in 11. Generation. 2012 hat Sebastian Niedermaier auf Biogemüse umgestellt und baut seitdem regionale Gemüsesorten und Bioprodukte an. Im Hof der Niedermaiers bilden sich – nicht nur coronabedingt – Schlangen am Verkaufsstand. Wenn am Freitag um 14 Uhr der Hofverkauf beginnt, dann sind es die Stammkunden aus der Stadt und dem Umland, die sich mit dem ökologisch angebauten Gemüse eindecken.
Familie Niedermaier ist seit 400 Jahren Teil der Gärtnerstadt. Tief verwurzelt mit den schmalen Anbauflächen. Bis Mai bedient Sebastian Niedermaier seine Kundschaft mit Wurzelgemüse aus der Erdmiete. Hier lagern über Herbst und Winter Gelbe Beete, Rote Beete, Sellerie und Karotten. Bei Sebastian Niedermaier darf die Karotte auch mal zwei Beine haben. Bei allem Traditionsbewusstsein konfrontiert er seine Kundschaft gerne mal mit neuen Sorten. Wie dem Zuckerhut, der anders als sein Name es verspricht, ein sehr bitterer Salat ist. Den Zuckermaiskolben nennt er einen Powerriegel und mit dem Grünkohl haben die Franken anfangs etwas gefremdelt. Hier in Bamberg ist der Wirsing der König der Kohlsorten. Haferwurzel als eine Alternative zur Schwarzwurzel hat er neu angebaut.
In seiner Ausbildungszeit ist Sebastian Niedermaier viel gereist: Auf Teneriffa hat er biologisches Gemüse angebaut, in der Schweiz Flächen bewirtschaftet, die so groß waren, wie die aller Bamberger Gärtnerbetriebe zusammen. Ein halbes Jahr in den USA hat ihm das Züchten genetisch veränderter Obst- und Gemüsesorten vor Augen geführt. Diesen Weg wollte er für seinen Betrieb nicht. Sein Gemüse ist lokal produziert und von guter Qualität. Feldsalat und Winterpostelein, Tomaten, Rettich, Wirsing, Karotten sowie gelbe und rote Beeten zählen zum Gemüseangebot, das insgesamt rund 60 Sorten umfasst. Darüber hinaus werden bei den Niedermaiers alte Lokalsorten angebaut, die so exklusiv sind, dass sie sich nur noch im Familienbesitz der Niedermaiers befinden! So findet man in seiner Hofgärtnerei die familieneigenen Sorten Bamberger Spitzwirsing, Bamberger Knoblauch und Bamberger Rettich.
Auch die alte Bamberger Tradition des Süßholzanbaus, ebenfalls ein Archepassagier, wird hier weitergeführt. Süßholz ist eine eher struppige Pflanze. Die drei- bis vier Jahre alten Seitenwurzeln haben Geschmack und werden geerntet. Die Pfahlwurzel dagegen bleibt immer stehen. In seiner Meisterprüfung, erzählt Sebastian Niedermaier, musste er eine drei Meter lange Seitenwurzel unverletzt ausgraben. Das alte Wissen soll nicht verloren gehen. 1604 war das Süßholz sogar im Wappen der Stadt Bamberg enthalten.
Vermehrung und Samenzucht übernehmen die Niedermaiers jedes Jahr aufs Neue selbst, wodurch sie die Sortenvielfalt und den einmaligen Geschmack ihrer eigenen Bamberger Sorten erhalten.
Gerade weil in es sich bei der Gärtnerstadt nicht um ein Freiluftmuseum, sondern um eine gelebte Tradition handelt, ist es so empfehlenswert, die Gärtnerstadt bei aller geballter Kultur sowie gastronomischen Verlockungen, die Bamberg zu bieten hat, in eine Stadtbesichtigung einzubeziehen. Jeder Bamberger Gärtner hat eigene Spezialitäten. Obst und Gemüse, Kräuter sowie Stauden und Blumen. Bessere Souvenirs kann man kaum von einer Reise mitbringen.
Die Stadt Bamberg bietet jeden Freitag geführte Touren durch das Gärtnerviertel an. Aber auch auf eigene Faust lässt sich das Viertel problemlos entdecken. Das Tourismusbüro versorgt Besucher mit handlichen Broschüren, die den Rundweg und seine Stationen beschreiben.
Wandkalender mit Fotos von Georg Berg im Buchhandel (auch online) in verschiedenen Größen erhältlich: Welterbe Gärtnerstadt Bamberg / auch als Familienplaner (*)
Die Recherchereise wurde von Bamberg Tourismus unterstützt