Roggenbrot als Backerlebnis

Deutschland, Österreich und die Schweiz sind in der ganzen Welt für ihre Brotvielfalt bekannt. In Erschmatt, im Schweizer Kanton Wallis, backen die Dorfbewohner noch heute in der historischen Backstube ein Roggenbrot, wie es Jahrhunderte lang üblich war. Mit Händen, Holzwerkzeug und viel Zeit!

Der alte Steinofen im Bürgerhaus Erschmatt wird nur noch einmal im Jahr angeheizt. Bevor die Brote in den Ofen kommen, werden Asche und Glut entfernt. Die Hitze der Steine reicht aus, um die Roggenbrote zu backen / © Foto: Georg Berg
Der alte Steinofen im Bürgerhaus Erschmatt wird nur noch einmal im Jahr angeheizt. Bevor die Brote in den Ofen kommen, werden Asche und Glut entfernt. Die Hitze der Steine reicht aus, um die Roggenbrote zu backen / © Foto: Georg Berg

Einmal im Jahr, im Dezember, heizen sie den alten Ofen im Gemeindehaus ein. Dann wird das Feuer und der Sauerteig von Familie an Familie übergeben. In Erschmatt wird seit Jahrhunderten Roggenbrot gebacken. Was früher für die Selbstversorger lebenswichtig war, ist heute ein Bewahren alter Traditionen. Mit der Erlebniswelt Roggen Erschmatt wird dieses Backerlebnis auch Touristen zugänglich gemacht.

Mehltrog und Holzpaddel statt Knetmaschine / © Foto: Georg Berg
Mehltrog und Holzpaddel statt Knetmaschine / © Foto: Georg Berg

„Wir verkaufen nicht das Brot, sondern das Erlebnis. Das Wissen darüber, wie man auf traditionelle Weise Roggenbrot hergestellt hat“, erklärt Edmund Steiner von der Erlebniswelt Roggen Erschmatt. Winterroggen ist das Getreide des Nordens. Er wird im Oktober gesät. Wächst dann noch ein wenig, bevor der Schnee kommt und wurzelt tief. Walliser Roggenbrot ist mit der Herkunftsbezeichung AOC geschützt. Dafür muss der Roggen im Wallis gewachsen sein. In fast jeder Bäckerei im Wallis kann man Walliser Roggenbrot kaufen.

Das Team: David Da Pieve (links), ist an diesem Tag der Ofner, der den Ofen beheizt, das Brot einschießt, den Backvorgang überwacht und dafür sorgt, dass das Brot optimal gebacken wird. Edmund Steiner führt durch den praktischen Teil des Workshops. Seine Frau Marianne sorgt für die Koordination des gesamten Backerlebnisses und bereitet das gemeinsame Mittagessen vor / © Foto: Georg Berg
Das Team: David Da Pieve (links), ist an diesem Tag der Ofner, der den Ofen beheizt, das Brot einschießt, den Backvorgang überwacht und dafür sorgt, dass das Brot optimal gebacken wird. Edmund Steiner führt durch den praktischen Teil des Workshops. Seine Frau Marianne sorgt für die Koordination des gesamten Backerlebnisses und bereitet das gemeinsame Mittagessen vor / © Foto: Georg Berg

Die historische Backstube Erschmatt

Im alten Bürgerhaus befindet sich die Backstube. Sie ist 300 Jahre alt, genauso alt wie der Steinofen. Edmund Steiner greift beherzt in den Mehlsack und redet dabei über Brot. Seine Bedeutung früher und die Bewahrung der Tradition heute. In Erschmatt wird der Roggenteig noch in einem Mehltrog vorbereitet. Es gibt keine Knetmaschine, sondern Hände. Hände, die als Hilfswerkzeug Holzpaddel durch den Teig ziehen. Früher war Brot backen Männersache und mit ein Grund, warum Brot nur selten gebacken wurde. Nur während der Vegetationsruhe hatten die Männer Zeit für Brot.

Brot backen war früher reine Männersache. Da nur zwei- bis dreimal im Jahr gebacken wurde, galt es große Teigmengen mit einfachen Werkzeugen zu führen / © Foto: Georg Berg
Brot backen war früher reine Männersache. Da nur zwei- bis dreimal im Jahr gebacken wurde, galt es große Teigmengen mit einfachen Werkzeugen zu führen / © Foto: Georg Berg

Hartes Leben, hartes Brot

Die Leute waren früher Selbstversorger. Täglich frisches Brot vom Bäcker, so wie wir es heute kennen, gab es damals nicht. Der Steinofen im Gemeindebackhaus war an den Backtagen rund um die Uhr in Betrieb. Es wurde Tag und Nacht gebacken und von Familie zu Familie wurden Feuer und Sauerteig weitergegeben. Der alte Steinofen bietet dabei Platz für 200 Brote. Das trockene Klima der Region begünstigt die Lagerung und macht das Roggenbrot hart, ohne es zu verderben. Hartes Brot, so Edmund Steiner, war immer noch besser, als gar kein Brot. Das Brot wurde dann gespalten, weil es zum Schneiden schon zu hart war und lies sich in Suppen oder in Milch einweichen. Ein Tipp aus alten Zeiten: Wird ein schon etwas trockener Brotlaib abends mit einem feuchten Küchentuch bedeckt, lässt er sich am nächsten Tag besser in Scheiben schneiden.

Kurzer Blick durchs Fenster in die historische Backstube. Die Backstube muss aufgeheizt werden, damit der Teig gehen kann. Der Teigansatz ist vor Beginn des Workshops schon 12 Stunden gegangen / © Foto: Georg Berg
Kurzer Blick durchs Fenster in die historische Backstube. Die Backstube muss aufgeheizt werden, damit der Teig gehen kann. Der Teigansatz ist vor Beginn des Workshops schon 12 Stunden gegangen / © Foto: Georg Berg

Brotlaibe kneten, formen und stempeln

Es ist warm in der Backstube. Ein angenehm säuerlicher Geruch liegt in der Luft. Edmund Steiner hat zur Vorbereitung auf den Workshop rund 15 kg Vorteig angesetzt. Das wird für rund 20 Brote reichen. Der Teig ist warm und feucht. Mehl wird zugemischt. Sechs Kilo Roggenmehl, gewachsen im Wallis, und ein Kilo Sauerteig sowie Wasser und Salz werden verarbeitet. Hinzu kommen noch Zeit und Arbeit. Das Mehl fügt Steiner nach Gefühl und Erfahrung in den Trog. Der Teig ist anfangs sehr klebrig. Mit langen Holzspachteln wird das Mehl unter den Teig gearbeitet.

Bevor die Teilnehmer des Workshops selber Hand anlegen, zeigt Edmund Steiner wie man die Schrunde und Spalten aus dem Roggenteig arbeitet / © Foto: Georg Berg
Bevor die Teilnehmer des Workshops selber Hand anlegen, zeigt Edmund Steiner wie man die Schrunde und Spalten aus dem Roggenteig arbeitet / © Foto: Georg Berg

Wenn Edmund Steiner mit dem Teig arbeitet, sieht das sehr spielerisch aus. Wie einen Ball führt er den Teig über die Arbeitsplatte. Zum Kneten sollen wir nur unseren Handballen benutzen, nicht die Finger. So kann man die Kraft besser nutzen. Alle Schrunde und Spalten im Teig sollen am Ende verschwunden sein.

Betreutes Kneten mit Edmund Steiner: Ich zeige euch zuerst, wie ich es mache und dann zeige ich euch, wie es einfacher geht! Auf der mit Mehl bestäubten Arbeitsplatte formen wir kegelförmige Teiglinge. Die perfekte Form, um dem eigenen Brot noch einen Stempel aufzusetzen / © Foto: Georg Berg
Betreutes Kneten mit Edmund Steiner: Ich zeige euch zuerst, wie ich es mache und dann zeige ich euch, wie es einfacher geht! Auf der mit Mehl bestäubten Arbeitsplatte formen wir kegelförmige Teiglinge. Die perfekte Form, um dem eigenen Brot noch einen Stempel aufzusetzen / © Foto: Georg Berg

Edmund Steiner formt eine Teigrolle aus der er die Teiglinge abnimmt. Die Größe des Brotes wird jetzt bestimmt. Roggen ist ein kompaktes Getreide. Ideal ist es, den Teig am Ende in die Form eines Kegels zu bringen. Spalten im Teig sind unerwünscht, daher wird der Kegel nochmal herzhaft auf die Arbeitsbank geworfen, dass es knallt.

Es gibt Holzstempel mit dem Wappen von Erschmatt. Mit Schwert und dem Patron St MIchael, einem Stern, den Bergen und ein Kleeblatt / © Foto: Georg Berg
Es gibt Holzstempel mit dem Wappen von Erschmatt. Mit Schwert und dem Patron St MIchael, einem Stern, den Bergen und ein Kleeblatt / © Foto: Georg Berg

Mit hölzernen Prägeformen wird dem Teigling ein Stempel aufgedrückt. So konnten die Dorfbewohner damals nach dem Backvorgang ihre Brote auseinanderhalten. Heute leben Workshopteilnehmer ihren Spieltrieb aus und verzieren das eigene Brot. Damit die Kruste beim Backen kontrolliert aufbricht, werden noch drei Einkerbungen mit dem Messer gesetzt.

In der Backstube sind es jetzt 26 Grad, später im Ofen sogar 300 Grad. Daher ist es gut, wenn die Brotlaibe noch etwas Mehl an sich haben. So werden sie nicht sofort schwarz, erklärt Edmund Steiner und stäubt Mehl durch einen fast leeren Mehlsack auf die Teiglinge / © Foto: Georg Berg
In der Backstube sind es jetzt 26 Grad, später im Ofen sogar 300 Grad. Daher ist es gut, wenn die Brotlaibe noch etwas Mehl an sich haben. So werden sie nicht sofort schwarz, erklärt Edmund Steiner und stäubt Mehl durch einen fast leeren Mehlsack auf die Teiglinge / © Foto: Georg Berg
Ab in den Ofen. Bei rund 300 Grad werden die Roggenbrote gebacken / © Foto: Georg Berg
Ab in den Ofen. Bei rund 300 Grad werden die Roggenbrote gebacken / © Foto: Georg Berg

Frisch mit Mehl bestäubt werden die Brotlaibe in das Nebengebäude getragen. Auch hier steht ein imposanter Backofen, der von Ofner David Da Pieve schon vor Stunden angeheizt worden ist. Jetzt hat der Ofen 300 Grad und die Brote kommen für eine Backzeit von rund 60 Minuten in den Ofen. Zeit für einen Rundgang durch Erschmatt.

Die Mühsal der Selbstversorger

So ganz will ich noch nicht verstehen, warum in den Dörfern damals so selten Brot gebacken wurde. Edmund Steiner beschreibt den Alltag der Dorfbewohner, den Besucher noch heute an verschiedene Orten in Erschmatt nachvollziehen können. Der Rundgang durch das Dorf ist Teil des Workshops. Im Stadel stehen alle Gerätschaften zum Getreidedreschen bereit. Die Roggenfelder sind vom Dorfrand aus gut sichtbar. Da Leben als Selbstversorger war anstrengend und arbeitsintensiv. Alles wurde von Hand gemacht. Wein, Brot, Fleisch, Mehl, Milch, Gemüse, Kartoffeln. Die Menschen waren ständig beschäftigt. Im Winter, wenn es in der Landwirtschaft wenig zu tun gab, dann war endlich Zeit für das Brot.

Edmund Steiner zeigt auf die Roggenfelder oberhalb von Erschmatt. Jahrhundertelang ist Walliser Roggen auf den Terrassen angebaut worden. Ein Rundgang durchs Dorf samt anschaulicher Schilderungen über das harte Leben damals, gehört mit zum Workshop Roggenbrot backen / © Foto: Georg Berg
Edmund Steiner zeigt auf die Roggenfelder oberhalb von Erschmatt. Jahrhundertelang ist Walliser Roggen auf den Terrassen angebaut worden. Ein Rundgang durchs Dorf samt anschaulicher Schilderungen über das harte Leben damals, gehört mit zum Workshop Roggenbrot backen / © Foto: Georg Berg

Von Auswanderern und Arbeiterbauern

Wenn im Dorf damals Brot gebacken wurde, dann war das ein Gemeinschaftsereignis. Eine Familie nach der anderen hat ihr Brot dann im Gemeindebackhaus gebacken. Dies geschah zwei bis maximal dreimal im Jahr. War die Arbeit auf dem Feld im November beendet und alle Wiesen gemäht, dann konnten die Männer in die Backstube. Bevor die Vegetationsperiode im April wieder begann, wurde ein weiteres Mal gebacken. Danach ging es wieder raus auf die Felder. Das Dorf Erschmatt zählte vor der Industrialisierung zwischen 200 bis 300 Einwohner. Für mehr Menschen reichte der Boden nicht. Die anderen mussten auswandern. Mit Ansiedlung der Industrie im Rhonetal Anfang des 20. Jahrhunderts wurden aus den Bauern oftmals Arbeiterbauern, die tagsüber im Tal arbeiteten und nach der Arbeit noch ihr Land versorgten. Eine Straße bis ins Dorf wurde erst 1956 gebaut. Vorher ging alles zu Fuß oder mit dem Maultier. Arbeiterbauern gab es noch bis Anfang der 1970er Jahre.

Zum Workshop gehört auch ein Rundgang durch Erschmatt. Im alten Stadel kann man noch heute Roggen dreschen / © Foto: Georg Berg
Zum Workshop gehört auch ein Rundgang durch Erschmatt. Im alten Stadel kann man noch heute Roggen dreschen / © Foto: Georg Berg

Im Wallis gibt es heute noch rund 40 alte Gemeindebacköfen, die einmal im Jahr benutzt werden. Die Leute halten die Tradition aufrecht. Das Backen in der Gemeinschaft ist längst nicht mehr zur Selbstversorgung gedacht. Das Brot wird sofort gegessen oder eingefroren. Am trockenen Klima hat sich nichts geändert, so dass man auch heute rund einen Monat lang schnittiges Brot hat, wenn man das Laib gut verpackt in den Brotkasten legt.

Wandkalender mit Fotos von Georg Berg im Buchhandel (auch online) in verschiedenen Größen erhältlich: Roggenbrot aus dem Wallis / auch als Familienplaner oder auf französisch Pain de Seigle du Valais (*)

Reisetipp

Erschmatt in der Gemeinde Leuk im Wallis nennt sich auch das Roggendorf. Alte Roggensorten und seltene Pflanzen können Besucher im Sortengarten kennenlernen. Man kann Roggen dreschen und mahlen oder in der Backstube des Dorfes nach alter Tradition und mit alten Gerätschaften Roggenbrot backen.

Buchung der Veranstaltung: Roggenbrot backen auf traditionelle Walliser Art – das urchige Erlebnis

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Die Recherchereise wurde vor Ort teilweise von Schweiz Tourismus unterstützt

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