Alles beginnt mit Blut, Wasser und Feuer. Am Ende wird durch ein uraltes Verfahren, das vor mehr als 1.500 Jahren seinen Ursprung nahm, aus der kleinen Thunfischart Bonito, eine steinharte Delikatesse. Katsuobushi, bei uns bekannt als Bonitoflocken, ist die Grundwürze der japanischen Küche und gibt Brühen, Soßen und Suppen Geschmackstiefe. Yasuhisa Seriwaza repräsentiert die fünfte Generation der Kanesa Bonito Manufaktur. Er ist nicht nur ein Produzent nach alten traditionellen Verfahren, sondern auch ein Netzwerker. Er sucht die Öffentlichkeit, geht auf Messen und organisiert Veranstaltungen, um von den alten Traditionen und Herstellungsverfahren zu erzählen. Serizawa ist Präsident von Slow Food Mount Fuji und verfolgt das Ziel, den traditionellen Geschmack zu erhalten.
Archaische Wucht in einem Familienbetrieb
An diesem Montag im September erleben wir mit, wie der Prozess vom Fisch zur Flocke beginnt. Seit 138 Jahren und fünf Generationen geht das an diesem Ort schon so. Die Manufaktur von Yasuhisa Serizawa liegt unauffällig in einer Kurve auf dem Weg runter zur Tago Bay im Westen der Halbinsel Izu mit ihren bizarren Felsformationen. Zwei Tonnen Thunfisch werden am späten Nachmittag geliefert. Die Fische sind gefroren und werden zum Auftauen in drei große Bassins geschüttet. Draußen hat sich die Schwüle des Tages gelegt und die Temperatur ist perfekt, damit die Fische am nächsten Morgen bereit zur Verarbeitung sind.
Cocktail-Fans und Sonnenuntergangs-Fotografen fahren achtlos an der Manufaktur vorbei Richtung Strand. Dort steht eine Bar, die nur zum Untergangs-Spektakel öffnet. Unzählige Fotografen bringen sich in Stellung und warten auf den Augenblick, an dem sich der Sonnenball für einen kurzen Moment wie ein Edelstein in die natürliche und runde Aussparung der Felsen schiebt. Zwar wird diese Erwartung heute nicht erfüllt. Das Naturschauspiel – so alt wie die Erde selbst – ist deshalb heute nicht ganz so kitschig. Der Lauf der Dinge in Yasuhisa Serizawa’s Manufaktur hingegen ist real und von archaischer Wucht.
Namagiri – Die Schlacht beginnt
Am nächsten Morgen beginnt die Arbeit für Yasuhisa Seriwaza und gut 15 Mitarbeiter. Darunter auch seine Eltern. Neben den Bassins wird eine Art Guillotine in Stellung gebracht. Der Kopf der kleinen Thunfischart Bonito mit einem Gewicht von rund fünf Kilo, wird in der ratternden Maschine abgetrennt. Dann beginnt ein sehr arbeitsteiliger Prozess, in dem jeder seinen Platz und seine Aufgabe kennt. Es dampft, Wasser plätschert aus den Schläuchen. Ständig wird die Arbeitsfläche mit einem Schwall frischen Wasser gereinigt. Nie entsteht Leerlauf. Die kopflosen Fische werden mit dem Messer halbiert und die Innereien entfernt. Eine Arbeit die Kraft und Geschick erfordert.
Japaner legen Wert auf die vollständige Verwertung eines Tieres. Das Herz des Thunfischs sitzt sehr nahe am Kopf. Ein Arbeiter kniet vor einem Bottich mit Fischköpfen und löst vorsichtig das Thunfischherz. Es gilt in Japan als Delikatesse. Die Herzen werden später von einem Restaurantbesitzer abgeholt. An einem kleinen runden Tisch hocken zwei Frauen auf Schemeln. Mit ihren kleinen Messern sortieren sie die Innereien. Der Mageninhalt wird entfernt. Fast alles andere wird zur Weiterverarbeitung für eine Fischpaste, mit der die Filets später eingerieben werden, gesammelt.
Shakuju ist Chefsache
So akurat wie jede Fischhälfte ihren Platz im Herstellungsprozess zu haben scheint, so gewissenhaft und ruhig läuft auch die Arbeitsteilung ab. Es wird wenig geredet. Der Vorarbeiter, der gerade noch die Thunfischherzen vom Kopfteil gelöst hat, baut nun einen neuen Arbeitsplatz auf. Wasserdampf steigt auf.
Schon längst sind auch die Tauchbecken für den Siedevorgang auf Betriebstemperatur gebracht. Und diese liegt bei 90 Grad. Vielmehr als nach Fisch, riecht es jetzt nach Blut. Der wabernde Dampf gibt diesem Ort die Atmosphäre eines schaurige-schönen Filmsets.
Serizawa führt den Korb, Nikgao genannt, mit den Thunfischhälften in ein maßgeschneidertes Tauchbecken. Dies ist der sensibelste Part in der Herstellung. Denn das vorsichtige Köcheln des Fisches bestimmt seine Form und ist Grundlage für die gewünschte Geschmacksintensität. Shakuju ist absolute Chefsache. Für jedes Tauchbecken hat Serizawa eine eigene Uhr. Das Wasser darf nie kochen, es darf nur köcheln und der ganze Vorgang zwei Stunden nicht überschreiten.
Die lange Tradition der Thunfisch-Verarbeitung
In Nishi-Izu leben die Menschen seit 1.500 Jahren vom Thunfisch. Begonnen hat es mit der Haltbarmachung durch Sonnentrocknung. Später wurde der Sonne noch das Salzen hinzugefügt. In der Edo-Periode vor rund 360 Jahren entwickelte sich die Herstellung von Katsuobushi. Dem Sonnentrocknen und Salzen wird das Köcheln der Fisch-Filets in 90 Grad heißem Wasser vorangestellt.
Der nächste Arbeitsplatz ist eingerichtet. Das Wasser ist eingelassen und ein neu formiertes Team beginnt mit dem mühsamen Entgräten der Fischhälften. Sie werden nun in zwei Stücke geteilt und nähern sich damit ihrer späteren Form. Trotz großer Vorsicht brechen beim Entgräten immer wieder auch Stücke heraus. Dieser Makel wird durch die Paste aus Fischinnereien nivelliert. Jedes Filetstück wird eingerieben und in Form gebracht. Syuzen (Reparatur) heisst dieser Schritt.
Nach dem Entgräten kommt der Fisch das erste Mal mit dem Räucherofen in Kontakt. Die Filets werden auf hölzerne Tragen gelegt und über einem Holzfeuer gestapelt. 130 bis 150 Grad hat diese erste Hitze. Es ist eine traditionelle Räuchermethode. Nur eine Handvoll Katsuobushi Produzenten in ganz Japan räuchern noch mit diesen alten Öfen. Dabei müssen zwei Personen für rund acht Stunden das Feuer bewachen.
Was den Katsuobushi zum Honkarebushi macht
Dann beginnt ein Prozess, der sich bei Serizawa zehnmal wiederholt. Die Filets kommen für einen Tag in die Räucherkammer und ruhen dann einen Tag. Die innere Restfeuchte des Filets dringt nach außen. Der Fisch kommt wieder in die Räucherkammer. Die Restfeuchte tritt nach außen und wird erneut getrocknet. Am Ende hat der Fisch noch eine Restfeuchte von rund 23 Prozent und darf sich Arabushi nennen. Doch bis zur perfekten Bonitoflocke, dem Honkarebushi wird noch viel Zeit und Arbeit vergehen.
Mit den Mitteln der Fermentation
Anders als die großen Fabrikproduzenten im Land, bringt Serizawa an diesem Punkt noch die Fermentation ins Spiel. Dazu wird die äußere Rauchkruste der Filets mit Aspergillus Ripens eingesprüht und in Fässern aus Zedernholz gelagert. Dieser Gießkannenpilz kann sich gegen hohe Trockenheit durchsetzen. Wenn der Fisch zu lange fermentiert, dann leistete die Schimmelkultur ganze Arbeit und die Filets würden weich wie Blauschimmelkäse, erklärt Serizawa.
Um den Koji-Pilz zu kontrollieren, werden die Filets in die Sonne gelegt. Der ganze Hof der Manufaktur ist dann mit Tatamimatten ausgelegt. Die Filets sehen nun wieder aus wie ganze Fische und bilden ein schönes Muster auf der Matte. Nach dem Sonnenbad hat der Pilz einen Dämpfer bekommen, die Filets werden abgewischt und kommen für weitere 20 Tag in das Zedernfass. Dieser Vorgang wird sechs Mal wiederholt. Sieht der Fisch am Anfang dieser Prozedur noch eher bläulich aus, so wird er am Ende beige-braun. Der gewünscht Effekt ist eine weitere Reduktion des Wassergehalt bei gleichzeitiger Gewinnung von Umami.
Federleichter Geschmacksbooster
Sechs Monate nach Anlieferung der Bonito Thunfische in der Kanesa Bonito Manufaktur von Yasuhisa Seriwaza hat der Fisch einen Wassergehalt von 17 Prozent erreicht. Mit Hilfe eines Hobels wird der Fisch vom Schwanz zum Kopf gehobelt. Damit man nach der halbjährigen Intensivbehandlung noch weiss, wo oben und wo unten ist, wird am Schwanzende ein Teil der Haut belassen. Frisch gehobelt hat der Honkarebushi seinen intensivsten Geschmack. Ein echtes Gourmetprodukt. In den Geschäften und für den Alltagsgebrauch zur Herstellung der täglichen Misosuppe kaufen Japaner die gehobelte Variante.
Bonito im Bastkleid
Shio-Katsuo, gesalzen und sonnengetrocknet war früher sogar Zahlungsmittel an die Verwaltung. Bis heute hat sich der Brauch gehalten, ihn an Neujahr an die Haustür zu hängen. Nach dem Jahreswechsel wird der Fisch vom Vater zerteilt und mit der Familie gegessen. Heute ist Serizawa noch der einzige Produzent in ganz Japan, der dies nach den alten Methoden tut. Die älteste Form Thunfisch haltbar zu machen stirbt aus. Den Geschmack des Shio-Katsuo zu erhalten und mit ihm die Tradition ist eine weitere Mission von Yasuhisa Serizawa.