Iphofen und der Julius-Echter-Berg
Wir treffen Andrea Wirsching an einem lauen Spätsommertag. Der Nachmittag ist die schönste Zeit im Weinberg. Hierhin zieht sich die Winzerin zurück, wenn sie zur Ruhe kommen möchte. Auch Nachdenken, sagt sie, funktioniert bei tief stehender Sonne im Weinberg gut. Wir fahren in den Julius-Echter-Berg, die berühmteste Lage des Weinguts Hans Wirsching.
Das Weingut Hans Wirsching gehört zu den größten und auch bekanntesten Privatweingütern in Franken. Seit 1630 und in 14. Generation ist die Familie im Weinbau tätig. Zwischen 1905 bis 1911 kam der Weinanbau durch die Reblaus fast völlig zum Erliegen. Nach der Reblaus-Katastrophe und den beiden Weltkriegen legte Hans Wirsching mit den übriggebliebenen Weinbergen und einer konsequenten Qualitätsphilosophie die Grundlagen für einen reinen Weinbau-Betrieb. Die Söhne, Dr. Heinrich Wirsching und Hans Wirsching bauten die Rebfläche seit 1966 aus. Das Weingut wurde zu einem der führenden Silvaner-Erzeuger in Franken und bewirtschaftet heute eine Rebfläche von 90 Hektar.
Trockene Silvaner, Scheureben und Rieslinge sind seit Generationen unsere Spezialität, sagt Andrea Wirsching. Das Stammhaus der Familie steht im pittoresken Iphofen. Andrea Wirsching war mit 29 Jahren noch mal ausgebrochen aus der fränkischen Winzerdynastie für einen Handelsjob in Hongkong. Aber dann holte sie der Weinberg doch wieder ein. Sie heiratete einen Winzer von der Saar. Dort blieb sie 18 Jahre lang, zog drei Töchter groß, klopfte dann erneut im Betrieb ihrer Familie in Iphofen an und wurde gerne wieder aufgenommen.
Andrea Wirsching repräsentiert das Weingut auf Festivals und Veranstaltungen, wie dem Rheingau Gourmet und Weinfestival und übernahm die Geschäftsführung von ihrem Vater Dr. Heinrich Wirsching. Halbschwester Lena von Gemmingen (geb. Wirsching) absolviert noch ein Studium. Der Plan ist, dass Andrea in einigen Jahren die Regie an die jüngere Schwester übergibt. Als Zeichen ihrer Verbundenheit kreierten die Schwestern schon mal den Sister-Act, einen Wein aus Silvaner und Riesling aus der Top-Lage Julius-Echter-Berg.
Auch am Julius-Echter-Berg sind nicht alle Lagen gleich. Andrea Wirsching beschreibt ihn oben mit wenig Humus und unten weit und tiefgründig aber besonders gut in der Mitte vom Hang. Hier steht ein alter Bestand mit kleinen konzentrierten Trauben. Eichenwälder schirmen die teilweise steilen Hänge ab und sorgen so für ein besonderes Kleinklima. Dieses milde Klima und die lange Vegetationszeit ermöglichen es den Reben, die im Gipskeuper enthaltenen Mineralstoffe aufzunehmen. Die Weine erhalten einen fruchtig, gehaltvollen Charakter und die aufgenommenen Mineralien machen sie bekömmlich.
Die wichtigsten Reben im Fränkischen sind Silvaner, Trollinger und Scheurebe. Der Großvater Hans Wirsching war 1953 einer der ersten, der die Scheurebe in Franken eingeführt hat. In Franken werden nur 5 % Riesling angebaut, aber wenn man einen fränkischen Riesling findet, dann ist der auch gut!
Und wie war nun das Weinjahr 2017? Andrea Wirsching ist sehr zufrieden. Was dem Weingenießer vielleicht wie ein verregneter Sommer erschienen ist, war für die Winzer in Franken ein Wetter mit idealen Wachstumsbedingungen. Allerdings verlangt das feucht-schwüle Wetter viel Handarbeit, wie Entblätterung, mechanische Unkrautbekämpfung und Laubarbeit für eine bessere Durchlüftung der Trauben. Die Weinlese hat so früh wie noch nie begonnen – 88 Tage nach der Blüte (man rechnet normalerweise mit 100 Tagen). Über ihren Silvaner ist Andrea Wirsching besonders glücklich und nennt ihn einen absoluten Klimahelden. Durch die starke Selektion der Trauben kündigt sie eine nur kleine Menge Großer Gewächse an, aber mit viel Aromatik und Eleganz.
Mitten im Ort Iphofen steht das Stammhaus aus dem 16. Jahrhundert. Bevor hier Wein verkauft wurde gab es zwischen 1860 und 1950 einen Kolonialwarenhandel, der die Familie Wirsching ernährt hat. Das Weingut Hans Wirsching hat noch heute über 60 % Privatkundschaft. Der Verkauf ist bis auf ganz wenige Ausnahmen im Jahr durchgehend geöffnet, so dass die rund 12.000 aktiven Privatkunden fast täglich die Gelegenheit zu Verkostung und Einkauf haben.
Kein Weingut ohne Schatzkammer. Im Keller der Winzerfamilie Wirsching lagern die Weine vieler Jahrzehnte. Die Familie bleibt der Flachkugelflasche, dem Bocksbeutel, treu. Ursprünglich war das ein Stoffbeutel, in dem Mönche oder Ratsherren ihre Bücher transportierten. Heimat und Tradition sollen bewahrt werden. Eine Rieslingflöte für ihre Wein-Klassiker käme für Andrea Wirsching nicht in Frage.