Austern aus dem Mittelmeer

Austern sind in Frankreich eine beliebte Vorspeise. Sie sättigen kaum, sind arm an Fett und Kohlehydraten, enthalten dafür aber viele Vitamine und Mineralstoffe. Nicht nur ich bilde mir ein, dass schon der Verzehr weniger Austern die Gesundheit fördert. Innerhalb kürzester Zeit helfen sie gegen trockene Augen und die Gelenke fühlen sich geschmeidiger an. Selbst bei einem Marathon helfen sie, kurz vor dem Ziel wieder zu Kräften zu kommen. Im Strandpavillon Le St Pierre im Department Herault treffen wir Austernzüchter Florent Tarbouriech. Der Franzose hat die Langleinenzucht von Austern perfektioniert. Seine Austern durchlaufen ein regelrechtes Trainingslager zum Muskelaufbau.

Austernplatte mit Meeresfrüchten im Strandpavillion Le St Pierre Tarbouriech. Hinter der Lagune liegt die Stadt Sète / © Foto: Georg Berg
Austernplatte mit Meeresfrüchten im Strandpavillion Le St Pierre Tarbouriech. Hinter der Lagune liegt die Stadt Sète / © Foto: Georg Berg

Ebbe und Flut prägen die Auster – eigentlich

Austern sind ursprünglich an flachen Felsenküsten zu Hause, wo sie sich während der Flut vom Plankton aus dem Meerwasser ernähren. Bei Ebbe, wenn sie an der Luft sind, klappen sie ihre dicke und scharfkantige Schale wasserdicht zu. Das stärkt den Muskel und macht ihn so ausdauernd, dass eine Auster sogar zwei Wochen im Trockenen überleben kann. Wie gedeihen Austern aber im Mittelmeer, das keine Gezeiten wie ein Ozean hat?

Vor hundert Jahren begann man in Japan damit, Ebbe und Flut mit einer Tauchtechnik zu simulieren. Die Technik der Langleinenzucht hat weltweit inzwischen viele Gewässer für die Austernzucht erschlossen. So auch in Südfrankreich am Étang de Thau, einer 18 Kilometer langen Lagune. Der See ist durch eine Sandbank weitgehend vom Meerwasser abgetrennt.

An den Bänken Étang de Thau hängen die Austern an Seilen und werden mehrmals am Tag für sechs Stunden ins vier Meter tiefe Wasser getaucht / © Foto: Georg Berg
An den Bänken des Étang de Thau hängen die Austern an Seilen und werden mehrmals am Tag für sechs Stunden ins vier Meter tiefe Wasser getaucht / © Foto: Georg Berg
Die Bänke der Tarbouriech-Austern im Étang de Thau simulieren Ebbe und Flut, indem von Solar- und Windenergie betriebene Motoren die Austern alle 6 Stunden aus dem Wasser ziehen und nach weiteren 6 Stunden wieder eintauchen und nach weiteren 6 Stunden wieder eintauchen / © Foto: Georg Berg
Die Bänke der Tarbouriech-Austern im Étang de Thau simulieren Ebbe und Flut, indem von Solar- und Windenergie betriebene Motoren die Austern alle 6 Stunden aus dem Wasser ziehen und nach weiteren 6 Stunden wieder eintauchen und nach weiteren 6 Stunden wieder eintauchen / © Foto: Georg Berg

Tüftler der Langleinenzucht

Am Bassin de Thau sind wir mit Florent Tarbouriech zum Abendessen verabredet. Er ist der bekannteste von 600 Austernzüchtern an dieser dem Mittelmeer vorgelagerten Lagune. Das Klima und die Mischung von Salz- und Süßwasser lässt die Austern hier besonders schnell wachsen.

Florent Tarbouriech (r.) im Gespräch mit der Food-Journalistin Angela Berg / © Foto: Georg Berg
Florent Tarbouriech (r.) im Gespräch mit der Food-Journalistin Angela Berg / © Foto: Georg Berg

Austernzucht an der langen Leine

Im warmen Mittelmeerklima und dem nährstoffreichen Wasser des Étang de Thau wachsen Austern schnell. Die Lagune hat zahlreiche Süßwasserzuflüsse sowie eine tief im See gelegene Süßwasserquelle. Deshalb sind das Wasser und auch die Austern hier nicht so salzig wie direkt im Mittelmeer. Der See ist durch eine Sandbank weitgehend vom Meerwasser abgetrennt. Der Canal du Midi trägt mit seinem kalkreichen Wasser aus den Pyrennäen dazu bei, dass die Austern für ihre dicken Schalen das richtige Material vorfinden.

20 Jahre lang hat Florent Tarbouriech die Methode der ursprünglich aus Japan stammenden Langleinenzucht an die lokalen Bedingungen angepasst. Die perfekte Auster, so verrät er, erreicht ihre angestrebte Süße durch ein inzwischen patentiertes Trainingsprogramm.

Die Dauer, die die Austern an der Luft sind, sollte mit ihrem Alter zunehmen. Durch dieses Ausdauertraining wird das metabolische System der Auster stimuliert, wodurch der Geschmack eine süße Mandelnote bekommt.

Im warmen Mittelmeerklima und dem nährstoffreichen Wasser des Étang de Thau wachsen die Austern schnell. Die Lagune hat zahlreiche Süßwasserzuflüsse. Deshalb sind das Wasser und auch die Austern hier nicht so salzig wie direkt im Mittelmeer / © Foto: Georg Berg

Die triploide Auster

In den Monaten Februar und August, so verrät der Experte, schmecken ihm die Austern am besten. Das überrascht, denn die Sommermonate (die kein R im Namen führen) gehören ja ursprünglich nicht zur besten Austernzeit. Der Sommer ist für alle Muschelarten Fortpflanzungszeit, zu der sie ihren typischen Geschmack verändern. Weil aber gerade im Sommer die Nachfrage groß ist, haben viele Austernzüchter ihren Betrieb auf sterile Austern umgestellt. Florent Tarbouriech bezieht seine Austernlarven aus der Bretagne. In den dortigen Brütereien werden die triploiden Austern, die mit ihrem dreifachen Chromosomensatz keine Fortpflanzungs-Phase haben, durch Kreuzung von wilden diploiden Eizellen mit tetraploiden Samen gezüchtet.

Die Schale der Tarbouriech-Auster ist hell und leicht rosa. Das Austernfleisch lässt sich leicht ablösen / © Foto: Georg Berg
Die Schale der Tarbouriech-Auster ist hell und leicht rosa. Das Austernfleisch lässt sich leicht ablösen / © Foto: Georg Berg
Zunächst wachsen die jungen Zucht-Austern in einem Netz heran, in dem sie nach sechs Stunden im Wasser für drei Stunden an die Luft gezogen werden / © Foto: Georg Berg
Zunächst wachsen die jungen Zucht-Austern in einem Netz heran, in dem sie nach sechs Stunden im Wasser für drei Stunden an die Luft gezogen werden / © Foto: Georg Berg
Die mit Zement an einer Leine fixierten Austern gewinnen im nährstoffreichen Wasser des Étang de Thau schnell an Größe / © Foto: Georg Berg
Die mit Zement an einer Leine fixierten Austern gewinnen im nährstoffreichen Wasser des Étang de Thau schnell an Größe und können es dann schon länger im Trockenen aushalten / © Foto: Georg Berg
In einer geführten Bootstour können Besuchergruppen die Tarbouriech Austernbänke im Étang de Thau aus der Nähe kennenlernen / © Foto: Georg Berg
In einer geführten Bootstour können Besuchergruppen die Tarbouriech Austernbänke im Étang de Thau aus der Nähe kennenlernen / © Foto: Georg Berg
Die Austern werden sofort nach der Ernte für einige Tage in einem Klärbecken mit sprudelndem verdünnten Salzwasser veredelt / © Foto: Georg Berg
Die Austern werden sofort nach der Ernte für einige Tage in einem Klärbecken mit sprudelndem verdünnten Salzwasser veredelt / © Foto: Georg Berg
Im Strandpavillion Tarbouriech Le St Barth werden große Mengen Austern frisch verzehrt / © Foto: Georg Berg
Im Strandpavillion Tarbouriech Le St Barth werden große Mengen der Austern frisch verzehrt / © Foto: Georg Berg
Gebackene Austern im Strandpavillion Le St Pierre Tarbouriech / © Foto: Georg Berg
Die Austern mit dicker Schale und makelloser Perlmuttschicht eignen sich hervorragend für ein Gratin mit Brotkrumen, Minze, Vervenöl, Zitronen- und Orangenzesten im Strandpavillion Le St Pierre Tarbouriech / © Foto: Georg Berg

Der Geschmack der Auster

Die Austern aus dem MIttelmeer gelten als salziger im Vergleich zu den atlantischen Austern der Betragne oder der Normandie. Die Austernzüchter am Étang de Thau profitieren aber vom Zufluss einger Süßwasserflüsse in die Lagune. Diese Lage und das Muskeltraining an den Langleinen beeinflusst den Geschmack. Die Austern aus dem nährstoffreichen Wasser des Étang de Thau sind nicht sehr salzig und ab einer mittleren Größe entwickelt das Muskelfleisch der Austern eine leichte Süße, die an den Geschmack von Mandeln erinnert. Die Austern von Florent Tabouriech kann man in den Sommermonaten in den idyllisch gelegenen Strandlokalen Maison Tarbouriech Le St Barth‘ in Marseillan und Le St Pierre bei Loupian probieren.

Wer sich lieber theoretisch der Auster nähern möchte, dem empfehle ich MFK Fisher’s kleines Buch von 1941 Consider the Oyster. Dass das Essen der ersten Auster schon immer Überwindung gekostet hat, beschreibt die amerikanische Autorin in einer Episode ihres Buches. Mehr zum Thema Austern im Beitrag Austern gehen immer

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