Mozart hatte Die Zauberflöte noch nicht komponiert und die industrielle Revolution nahm gerade erst Schwung auf, aber das Wasserrad im Norden Grenadas, das drehte sich schon und tut es bis heute. Seit mehr als 235 Jahren presst die Kraft des Antoine Flusses aus karibischem Zuckerrohr den süßen Saft, aus dem im Verlauf eines traditionellen Prozesses der organische Rum entsteht, den es nur auf der Karibikinsel Grenada gibt.


Gutes wirkt alt noch besser
Diese Manufaktur ist nicht nur alt. Sie wirkt geradezu baufällig und weist viele nur notdürftig reparierte Stellen auf. Aber der Betrieb läuft hier schon länger, als irgendwo sonst und gerade das erfüllt die ganze Belegschaft mit Stolz. Damit alles reibungslos weiterläuft, muss jeder Mitarbeiter mehrere Funktionen ausfüllen, von denen vor allem eine wichtig ist: Die Ausbildung zum Feuerlöschen. Die ist dringend nötig, weil an vielen Stellen offenes Feuer brennt. Und zwar ganz in der Nähe der Behälter, in denen der Stoff hergestellt wird, der wegen seiner Brandgefahr als Gepäck im Flugzeug nicht erlaubt ist.

Die Antoine Rivers Destillerie auf Grenada mag den Urkunden nach nicht die älteste Rumfabrik sein. Auf der benachbarten Karibikinsel Barbados wird wohl schon seit 1703 Rum der Marke Mount Gay hergestellt. Aber die Antoine Rivers Manufaktur ist legendär und sieht genau so alt aus, wie sie ist. Mit Sicherheit ist sie die älteste, bei der man den Herstellungsprozess so miterleben kann, wie er seinerzeit etabliert wurde.

Jeden Tag aufs neue wuchten Arbeiter Zuckerrohr auf das Förderband, das ebenso wie die Presse von dem vor fast 300 Jahren in England hergestellten Wasserrad angetrieben wird. Die Konstruktion funktioniert zuverlässig und stellt ihre Haltbarkeit seit 235 Jahren unter Beweis. Mehrere Männer beaufsichtigen den Pressvorgang, bei dem manches Zuckerrohr, sogar mehrfach durch die Walze gedrückt wird.

In der Trockenzeit ist das Zuckerrohr auf Grenada konzentrierter. Allerdings hat die Presse dann auch eine geringere Leistung, weil das Mühlrad nur mit weniger Wasser angetrieben wird. Also gleichen sich beide Faktoren aus und es liegt am Talent der Verantwortlichen, durch die Verarbeitung die gewohnte Qualität zu erzielen. Der ausgepresste Zuckersirup fließt über einen offenen Kanal in eine Halle, wo er weiter verarbeitet wird.

Hinter dem Presswerk türmt sich ein riesiger Berg ausgepresster Halme (der Bagasse) auf, die in der Sonne getrocknet und als Brennstoff zum Erwärmen und Eindicken der Melasse haltigen Zuckerlösung verwendet werden. Nebenprodukte haben schließlich auch ihren Nutzen und müssen nicht als Abfall angesehen werden. Hier haben auch die Abläufe etwas organisches.

Altmodisch: alle 80 Arbeitsplätze sind sicher
In der Rum-Manufaktur Antoine Rivers produzieren 80 Mitarbeiter seit Jahren täglich 500 Flaschen Rum und befriedigen damit nur die Nachfrage der Insel Grenada mit ihren etwas über 100.000 Einwohnern.

Gut für die Belegschaft und die Marke, dass es keine Pläne für eine Steigerung der Produktion gibt. Denn die Modernisierung würde einen enormen Personalabbau mit sich bringen. Der Betrieb, so wurde errechnet, käme mit nur elf Mitarbeitern aus. Aber könnte der Rum dann noch so legendär sein wie seine Geschichte?

Handwerkliche Kunst beseelt die Spirituose Rum
Der aus dem Zuckerrohr gepresste Saft wird mit riesigen Löffeln zwischen mehren Kupferschüsseln hin und her geschöpft bis er für die Gärung konzentriert genug ist. Unter den Coppers erzeugt ein Feuer aus der getrockneten Bagasse die nötige Wärme.

In der Manufaktur Antoine Rivers wird dem Sud keine Hefe zugesetzt, denn es wird mit der Kultur weitergearbeitet, die seit Jahrhunderten in diesem Gebäude heimisch ist. Nach acht Tagen Fermentation in großen Betontanks sind der Zucker und die Melasse zu Alkohol und den typischen Rum-Aromanoten umgesetzt.
Nachdem die Fermentation beendet ist, kommt die alkoholhaltige Flüssigkeit in große Kupferkolben, die über einem Holzfeuer erhitzt werden. Wegen der erforderlichen größeren Hitze reicht ein Feuer aus Zuckerrohrresten (Bagasse) nicht mehr aus.
Zu Beginn der Destillation verdampft unerwünschtes Methanol, dass bei Erreichen seiner Siedetemperatur mit lautem Zischen abgelassen wird. Die folgenden Phasen werden in mehreren zwischenkühlenden Schritten aufgefangen, bis sich schließlich im letzten Auffanggefäß der 75 prozentige weiße Rum sammelt.
Wie in jedem Land führt auch auf Grenada der Zoll genau Buch über die erzeugte Alkoholmenge. Alle Flaschen werden schließlich manuell aus einem kleinen gekühlten Abfüllbehälter befüllt und von Hand etikettiert. In der sensorischen Probe hat vor allem der 75 prozentige overproof Rum überzeugt, der im Abgang sehr rund und überraschenderweise viel milder ist, als der mit Wasser auf 69 Prozent verdünnte.