Grenadas älteste Rum-Manufaktur

Mozart hatte Die Zauberflöte noch nicht komponiert und die industrielle Revolution nahm gerade erst Schwung auf, aber das Wasserrad im Norden Grenadas, das drehte sich schon und tut es bis heute. Seit mehr als 235 Jahren presst die Kraft des Antoine Flusses aus karibischem Zuckerrohr den süßen Saft, aus dem im Verlauf eines traditionellen Prozesses der organische Rum entsteht, den es nur auf der Karibikinsel Grenada gibt.

Antoine Rivers Rum-Brennerei in Saint Patrick, Grenada / © Foto: Georg Berg
Antoine Rivers Rum-Brennerei in Saint Patrick, Grenada / © Foto: Georg Berg
Wirkt nicht von dieser Welt. Ein ausrangierter Druckbehälter auf dem Gelände der ältesten Rum-Manufaktur Antoine Rivers / © Foto: Georg Berg
Wirkt nicht von dieser Welt. Ein ausrangierter Druckbehälter auf dem Gelände der ältesten Rum-Manufaktur Antoine Rivers / © Foto: Georg Berg

Gutes wirkt alt noch besser

Diese Manufaktur ist nicht nur alt. Sie wirkt geradezu baufällig und weist viele nur notdürftig reparierte Stellen auf. Aber der Betrieb läuft hier schon länger, als irgendwo sonst und gerade das erfüllt die ganze Belegschaft mit Stolz. Damit alles reibungslos weiterläuft, muss jeder Mitarbeiter mehrere Funktionen ausfüllen, von denen vor allem eine wichtig ist: Die Ausbildung zum Feuerlöschen. Die ist dringend nötig, weil an vielen Stellen offenes Feuer brennt. Und zwar ganz in der Nähe der Behälter, in denen der Stoff hergestellt wird, der wegen seiner Brandgefahr als Gepäck im Flugzeug nicht erlaubt ist.

Unter dem Siedekolben lodert das Holzfeuer. Die uralten Sicherheitsbestimmungen reichen wohl immer noch aus / © Foto: Georg Berg
Unter dem Siedekolben lodert das Holzfeuer. Die uralten Sicherheitsbestimmungen reichen wohl immer noch aus / © Foto: Georg Berg

Die Antoine Rivers Destillerie auf Grenada mag den Urkunden nach nicht die älteste Rumfabrik sein. Auf der benachbarten Karibikinsel Barbados wird wohl schon seit 1703 Rum der Marke Mount Gay hergestellt. Aber die Antoine Rivers Manufaktur ist legendär und sieht genau so alt aus, wie sie ist. Mit Sicherheit ist sie die älteste, bei der man den Herstellungsprozess so miterleben kann, wie er seinerzeit etabliert wurde.

Zuckerrohr wird auf Grenada das ganze Jahr über geerntet / © Foto: Georg Berg
Zuckerrohr wird auf Grenada das ganze Jahr über geerntet / © Foto: Georg Berg

Jeden Tag aufs neue wuchten Arbeiter Zuckerrohr auf das Förderband, das ebenso wie die Presse von dem vor fast 300 Jahren in England hergestellten Wasserrad angetrieben wird. Die Konstruktion funktioniert zuverlässig und stellt ihre Haltbarkeit seit 235 Jahren unter Beweis. Mehrere Männer beaufsichtigen den Pressvorgang, bei dem manches Zuckerrohr, sogar mehrfach durch die Walze gedrückt wird.

Hoch oben auf der Maschine beaufsichtigt der Pressmeister die kontinuierliche Zuckerrohr-Zufuhr / © Foto: Georg Berg
Hoch oben auf der Maschine beaufsichtigt der Pressmeister die kontinuierliche Zuckerrohr-Zufuhr / © Foto: Georg Berg

In der Trockenzeit ist das Zuckerrohr auf Grenada konzentrierter. Allerdings hat die Presse dann auch eine geringere Leistung, weil das Mühlrad nur mit weniger Wasser angetrieben wird. Also gleichen sich beide Faktoren aus und es liegt am Talent der Verantwortlichen, durch die Verarbeitung die gewohnte Qualität zu erzielen. Der ausgepresste Zuckersirup fließt über einen offenen Kanal in eine Halle, wo er weiter verarbeitet wird.

Im laufenden Betrieb werden einzelne Zuckerrohrstücke ein zweites Mal durch die Presse geschickt. Kaum zu glauben, dass diese Maschine schon zu Goethes Zeiten zuverlässig gearbeitet hat / © Foto: Georg Berg
Im laufenden Betrieb werden einzelne Zuckerrohrstücke ein zweites Mal durch die Presse geschickt. Kaum zu glauben, dass diese Maschine schon zu Goethes Zeiten zuverlässig gearbeitet hat / © Foto: Georg Berg

Hinter dem Presswerk türmt sich ein riesiger Berg ausgepresster Halme (der Bagasse) auf, die in der Sonne getrocknet und als Brennstoff zum Erwärmen und Eindicken der Melasse haltigen Zuckerlösung verwendet werden. Nebenprodukte haben schließlich auch ihren Nutzen und müssen nicht als Abfall angesehen werden. Hier haben auch die Abläufe etwas organisches.

Auf der einzigen 50 Meter langen Bahnstrecke Grenadas wird die Bagasse, das ausgepresste Zuckerrohr, auf einem klapprigen Wagen über die Halde geschoben / © Foto: Georg Berg
Auf der einzigen 50 Meter langen Bahnstrecke Grenadas wird die Bagasse, das ausgepresste Zuckerrohr, auf einem klapprigen Wagen über die Halde geschoben / © Foto: Georg Berg

Altmodisch: alle 80 Arbeitsplätze sind sicher

In der Rum-Manufaktur Antoine Rivers produzieren 80 Mitarbeiter seit Jahren täglich 500 Flaschen Rum und befriedigen damit nur die Nachfrage der Insel Grenada mit ihren etwas über 100.000 Einwohnern.

So sieht Nachhaltigkeit aus: Das Schienenfahrzeug erfüllt seinen Dienst seit mehr als hundert Jahren / © Foto: Georg Berg
So sieht Nachhaltigkeit aus: Das Schienenfahrzeug erfüllt seinen Dienst seit mehr als hundert Jahren / © Foto: Georg Berg

Gut für die Belegschaft und die Marke, dass es keine Pläne für eine Steigerung der Produktion gibt. Denn die Modernisierung würde einen enormen Personalabbau mit sich bringen. Der Betrieb, so wurde errechnet, käme mit nur elf Mitarbeitern aus. Aber könnte der Rum dann noch so legendär sein wie seine Geschichte?

Der Zuckersaft kommt im Hauptgebäude der Manufaktur an. Dort werden die festen Pressreste heraus gesiebt / © Foto: Georg Berg
Der Zuckersaft kommt im Hauptgebäude der Manufaktur an. Dort werden die festen Pressreste heraus gesiebt / © Foto: Georg Berg

Handwerkliche Kunst beseelt die Spirituose Rum

Der aus dem Zuckerrohr gepresste Saft wird mit riesigen Löffeln zwischen mehren Kupferschüsseln hin und her geschöpft bis er für die Gärung konzentriert genug ist. Unter den Coppers erzeugt ein Feuer aus der getrockneten Bagasse die nötige Wärme.

Wenn die erste Melasse ausfällt, kann umgefüllt werden / © Foto: Georg Berg
Wenn die erste Melasse ausfällt, kann umgefüllt werden / © Foto: Georg Berg
In jedem Kupferbehälter herrscht eine andere Temperatur und Konzentration. Im vorderen Behälter brodelt schließlich ein Sirup, der aus der Luft die für die Gärung notwendigen Hefen aufgenommen hat / © Foto: Georg Berg
In jedem Kupferbehälter herrscht eine andere Temperatur und Konzentration. Im vorderen Behälter brodelt schließlich ein Sirup, der aus der Luft die für die Gärung notwendigen Hefen aufgenommen hat / © Foto: Georg Berg

In der Manufaktur Antoine Rivers wird dem Sud keine Hefe zugesetzt, denn es wird mit der Kultur weitergearbeitet, die seit Jahrhunderten in diesem Gebäude heimisch ist. Nach acht Tagen Fermentation in großen Betontanks sind der Zucker und die Melasse zu Alkohol und den typischen Rum-Aromanoten umgesetzt.

In Betontanks brodelt bei tropischer Raumtemperatur leise acht Tage lang der gärende Zuckerrohrsirup / © Foto: Georg Berg
In Betontanks brodelt bei tropischer Raumtemperatur leise acht Tage lang der gärende Zuckerrohrsirup / © Foto: Georg Berg

Nachdem die Fermentation beendet ist, kommt die alkoholhaltige Flüssigkeit in große Kupferkolben, die über einem Holzfeuer erhitzt werden. Wegen der erforderlichen größeren Hitze reicht ein Feuer aus Zuckerrohrresten (Bagasse) nicht mehr aus.

Zu Beginn der Destillation verdampft unerwünschtes Methanol, dass bei Erreichen seiner Siedetemperatur mit lautem Zischen abgelassen wird. Die folgenden Phasen werden in mehreren zwischenkühlenden Schritten aufgefangen, bis sich schließlich im letzten Auffanggefäß der 75 prozentige weiße Rum sammelt.

Lediglich eine Betonbühne ist nachträglich unter die Zwischenkühler gebaut worden. Die Gefäße der Destillationskolonne haben immer noch die Form aus dem Gründungsjahr 1785 / © Foto: Georg Berg
Lediglich eine Betonbühne ist nachträglich unter die Zwischenkühler gebaut worden. Die Gefäße der Destillationskolonne haben immer noch die Form aus dem Gründungsjahr 1785 / © Foto: Georg Berg

Wie in jedem Land führt auch auf Grenada der Zoll genau Buch über die erzeugte Alkoholmenge. Alle Flaschen werden schließlich manuell aus einem kleinen gekühlten Abfüllbehälter befüllt und von Hand etikettiert. In der sensorischen Probe hat vor allem der 75 prozentige overproof Rum überzeugt, der im Abgang sehr rund und überraschenderweise viel milder ist, als der mit Wasser auf 69 Prozent verdünnte.

Links der „slightly overpoof“ Rivers Royal Grenadian Rum. Rechts die Exportvariante, die aus Sicherheitsgründen nur weniger als 70 Prozent Alkohol enthalten darf. Antoine Rivers Rum-Brennerei in Saint Patrick, Grenada / © Foto: Georg Berg
Links der „slightly overpoof“ Rivers Royal Grenadian Rum. Rechts die Exportvariante, die aus Sicherheitsgründen nur weniger als 70 Prozent Alkohol enthalten darf. Antoine Rivers Rum-Brennerei in Saint Patrick, Grenada / © Foto: Georg Berg

Unsere Arbeitsweise zeichnet sich durch selbst erlebte, gut recherchierte Textarbeit und professionelle, lebendige Fotografie aus. Für alle Geschichten gilt, dass Reiseeindrücke und Fotos am selben Ort entstehen. So ergänzen und stützen die Fotos das Gelesene und tragen es weiter.

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