In Cognac an der Charente dreht sich alles um den berühmten Weinbrand. Bis heute gibt es rund 260 Cognac-Häuser. Zu den bekanntesten zählen die Marktführer Hennessy und Rémy Martin. Das Haus Baron de Otard gehört zu den ältesten und traditionsreichsten. Im ehemaligen Schloss durchdringen nicht nur die Alkoholdämpfe des Cognacs die Wände – das Gebäude selbst erzählt auch die Geschichte von König François I.

Vom Königsschloss zum Cognac-Haus
Das Cognac-Haus Baron de Otard gründete Jean-Baptiste Antoine Otard im Jahr 1795. Der Baron wählte das Schloss als Firmensitz – nicht aus royalistischer Gesinnung, sondern aus kluger Überlegung. Die Französische Revolution hatte gerade ihre blutige Phase beendet, die Guillotine war verstummt. Otard, selbst Adliger und einst bedroht, kehrte aus dem Exil zurück und kaufte das Schloss, das während der Revolution enteignet und als Nationalgut verkauft worden war.

Dass König François I. hier 1494 geboren wurde, spielte für Otard wohl nur eine Nebenrolle. Wichtiger war die ideale Lage des Schlosses am Fluss Charente, der sich als Transportweg für Cognac-Fässer anbot. François I. hatte das Schloss einst zur prächtigen Renaissance-Residenz umbauen lassen. Die berühmte Fassade am Flussufer und viele kunstvolle Details stammen aus seiner Zeit.

Heute erleben Besucher des Cognac-Hauses Baron de Otard diese doppelte Geschichte. Die Führungen verbinden die Kunst der Cognac-Herstellung mit der bewegten Vergangenheit der einstigen Königsresidenz – ein gelungener Mix aus Genuss und Historie.

Das perfekte Gewölbe
Baron Otard begeisterten 1796, ein Jahr nach Gründung seiner Weinbrandproduktion, vor allem die dicken Mauern und kühlen Keller des Schlosses und erkannte sofort: Sie eignen sich ideal, um Cognacfässer zu lagern. Die Cognac-Herstellung hat in der Stadt sichtbare Spuren hinterlassen – viele Gebäude tragen einen schwarzen Schleier. Besonders die Wände der Reifekeller sind tiefschwarz. Dort hat sich der Cognac-Pilz (Baudoinia compniacensis) ausgebreitet. Er gedeiht überall, wo Alkohol in großen Mengen verdunstet. Die sogenannten Engelanteile – die Alkoholdämpfe – schaffen perfekte Bedingungen für den Pilz, der sich als schwarzer Belag auf Stein und Mauerwerk absetzt. Die dunklen Kellerwände sind also ein direktes Ergebnis der Spirituosenherstellung und ein Symbol der langen Cognac-Tradition.

In vino veritas
Cognac gewinnt sein Aroma allein aus Wein und dem Holz der Eichenfässer. Die Region Cognac bietet mit ihrem teils atlantischen, teils kontinentalen Klima ideale Bedingungen für den Anbau robuster, säurehaltiger Weißweine wie Ugni Blanc. Nach der Gärung des Weins folgt die doppelte Destillation in Kupferbrennblasen. Das daraus entstehende Eau-de-vie muss mindestens zwei Jahre in Fässern aus Limousineiche reifen, um sich Cognac nennen zu dürfen. Jede Cognacflasche trägt eine Prädikatsbezeichnung: VS (Very Special) garantiert eine zweijährige Reifung, während VSOP (Very Superior Old Pale) für besonders hohe Qualität steht. Hier muss das jüngste Destillat mindestens vier Jahre im Holzfass gereift sein, oft liegt das Durchschnittsalter der Brände zwischen fünf und zehn Jahren. Heute endet fast jede Kellerführung eines Spirituosenherstellers in einem eleganten Verkaufsraum, wo neben dem Cognac auch Souvenirs angeboten werden.

Museumsreif
In Cognac würdigt ein eigenes Museum den eleganten Weinbrand, der seit über 100 Jahren auch in der Modewelt mit der Farbe Cognac den Ton angibt. Zentral gelegen, zwischen der Innenstadt und der Hennessy-Brennerei, zeigt es die Geschichte, Kultur und Herstellung der berühmten Spirituose. Das Museum spricht Einsteiger wie Kenner an: Es beleuchtet die Entwicklung des Cognac, regionale Besonderheiten, die Destillation, den Handel und seine Bedeutung für die Region Charente. Ein Besuch lohnt sich besonders als Auftakt, bevor man eine Führung und Verkostung bei einem der Cognac-Häuser unternimmt.

Quo vadis Cognac?
Die Glanzzeit des Cognacs als stilvoller Digestif ist vorbei. Der Konsum von Spirituosen sinkt. Selbst in Frankreich greifen die Menschen zunehmend zu leichteren Getränken. Bier wird dort immer beliebter, während die Nachfrage nach Weinbrand und sogar nach Wein abnimmt. Für die Cognac-Hersteller heißt das: neue Märkte erschließen – etwa in Singapur und Südafrika. Wie einst der Absinth, soll auch Cognac in der Barszene als Cocktailbasis Fuß fassen. Zudem zeigt die Stadt Cognac, Namensgeberin des edlen Tropfens, wie Spiritourismus perfekt funktioniert.

Highlights entlang der Charente
Die Charente windet sich auf 380 Kilometern durch die französische Region Nouvelle-Aquitaine. Ihr Lauf führt vom bergigen Quellgebiet über sanfte Hügel und Weinberge bis zu den maritimen Auen an der Mündung. Ab Angoulême ist der Fluss bis zum Atlantik bei Rochefort schiffbar. Einst diente er als Hauptverkehrsweg für die Cognacproduktion. Heute laden Cognac-Häuser und Winzer zum Spiritourismus ein, während Radwege wie der Flow Vélo an malerischen Dörfern, alten Steinbrücken, einer seltenen Schwebefähre, Wassermühlen, Burgen und der Altstadt von Angoulême vorbeiführen. Die Charente gilt noch als Geheimtipp, gehört sie doch zu den ursprünglichsten Flusslandschaften Frankreichs: kaum Massentourismus, dafür viel Natur, Ruhe und Genuss. Die kleine Insel Aix war einst ein Bollwerk zum Schutz der Charente-Mündung vor feindlichen Flotten, heute beliebt für einen Tagesausflug ans Meer.
Die Recherchereise wurde von Nouvelle-Aquitaine Tourismus und Radreiseveranstalter Die Landpartie unterstützt