Belgisches Bier aus der Wallonie verbindet jahrhundertealte Klostertradition, regionale Braukunst und beeindruckende Vielfalt. Jede Flasche erzählt von Kultur und Geschichte, und regionale Gerichte verfeinert man hier mit Bier. Das wallonische Bier ist Teil der belgischen Identität und zählt zu den Exportschlagern von Weltrang. Das Abteibier aus dem 1872 gegründeten Kloster Maredsous folgt der Tradition der Benediktiner, wird aber nicht mehr von den Mönchen selbst gebraut. Heute übernimmt die Brauerei Duvel Moortgat diese Aufgabe. Dennoch bewahrt die Dreifaltigkeit aus „Food, Drinks and Holy Beers“, wie es die Microbrasserie Le Saint-Joseph in ihrer Abtei-Gazette nennt, den Geist des alten Klosterlebens.

Klösterlicher Kombi: Bier mit Käse
Bei strahlendem Sonnenschein sitzen die Besucher im großen Biergarten der Abtei Maredsous und trinken ihr Klosterbier überwiegend aus Keramikbechern. Auch das hat hier Tradition, denn die rustikalen Trinkbecher stammen aus der den Keramikwerkstätten der Abtei. Dazu gibt es den Fromage de Maredsous, einen halbfesten Kuhmilchkäse. Mit nur 22 Tagen Reifezeit ist er jung. Doch die Benedektiner servieren ihren Abteikäse mit Selleriesalz. So gewinnt der Käse an Würze und hält geschmacklich dem kräftigen Bier stand. 1953 begannen die geschäftstüchtigen Mönche mit der Käseproduktion. Heute stellt ein kommerzielles Unternehmen sowohl Käse als auch Bier her, doch die Käselaibe reifen weiterhin bei konstanten 12 Grad in den Kellern der Abtei. Bei Führungen und Verkostungen werden Bier und Käse als kulinarisches Duo angeboten und zeigen die Vielfalt sowie die handwerkliche Qualität der regionalen Produkte.

Bierselige Sauce – ein Klassiker der wallonischen Küche
Mit dem Aufstieg der Klöster im Mittelalter, besonders der Trappistenklöster, entwickelte sich die Bierherstellung zur hohen Kunst. Anfangs brauten die Klöster für den Eigenbedarf, später auch für Pilger und Gäste. Ihr Einfluss wirkt bis heute: In der Wallonie entstehen noch immer Biere nach alten Rezepten. Die Region gilt als Zentrum für kreative und regionale Bierspezialitäten – lange bevor die Craftbeer-Welle in den 2010er Jahren aus den USA nach Europa schwappte. Schon im 19. Jahrhundert entstand das Saison-Bier, ein leichtes, oft fruchtiges und erfrischendes Gebräu. 2022 begann das Kloster Maredsous sogar, eigenen Hopfen anzubauen. Das führte zu einer neuen Kreation: dem Saint-Hubert, einem Bier mit fruchtigem Hopfen aus der Abbaye de Maredsous.

Doch zurück zu den bierseligen Saucen, die nach Aromen von Spekulatius, Malz und Lütticher Apfelsirup schmecken. Die Boulettes à la bière de Maredsous vereinen klassische Fleischbällchen mit dem regionalem Abteibier. In der wallonischen Küche hat Bier eine lange Tradition – nicht nur als Getränk, sondern auch als Zutat. Ähnlich wie das Rauchbier in der Region Bamberg verleiht es Gerichten Tiefe, Aroma und eine unverwechselbare regionale Note.


Lokale Spezialitäten ab Hof – Vachement Ferme
Direkt neben der imposanten Abtei Maredsous liegt, etwas versteckt, der Hofladen von Vachement Ferme. Ein kurzer Spaziergang den Hügel hinauf zum Bauernhof lohnt sich: Der Laden bietet eine reiche Auswahl regionaler Käsesorten, und auch das Bierangebot überzeugt.


Die Schnecke macht das Rennen!
François Tonglet hat Humor und Mut. Als Inhaber eines großen Feinkostgeschäfts in Namur erkannte er schon Anfang der 1990er Jahre, wie wichtig regionale Identität als Verkaufsargument ist. Immer wieder suchten Kunden in seinem Laden nach Spezialitäten aus der Region, nach Delikatessen mit Geschichte. 1992 übernahm er die kleine Brauerei in Falmignoul, deren Wurzeln bis 1765 reichen. Schon 100 Jahre bevor die Mönche von Maredsous mit dem Bierbrauen begannen, heizte man dort den Holzofen an, um den Biersud zu erhitzen. Tonglet taufte die Brauerei Caracole – Schnecke –, eine augenzwinkernde Anspielung auf die Bewohner Namurs, die in Belgien für ihre gemächliche Sprechweise bekannt sind. Doch Tonglet selbst gehörte nicht zur langsamen Truppe: Er schuf an diesem geschichtsträchtigen Ort ein weltweit gefragtes Nischenprodukt. In Europa zählte er wohl zu den ersten Akteuren der Craftbeer-Szene, die den Großbrauereien ihre handwerkliche Braukunst entgegensetzen.

Einmal pro Woche heizt François Tonglet mit einem einzigen Mitarbeiter die alten Kupferkessel an – per Holzfeuerung. Eine Tradition, die so nur noch in den historischen Kommunbrauhäusern der Zoigl-Brauereien in der Oberpfalz lebt. Die Biere der Brasserie Caracole sind ungefiltert, reifen in der Flasche nach und entstehen größtenteils aus Bio-Zutaten. Fast 25 Jahre lang lief das Geschäft sehr gut, erzählt Tonglet. Belgische Spezialbiere waren weltweit gefragt. Den Großteil seiner Produktion exportierte er nach Kanada, in die USA und nach Japan. Seine Marken Caracole, Saxo und Nostradamus fanden dort viele Liebhaber. Doch mit dem Boom der Mikrobrauereien und der wachsenden Craftbeer-Szene brach der Export ein.

Die Menschen lieben weiter regionale Spezialbiere – nur werden sie im Ausland nun aus ihren eigenen Regionen bedient. Noch sind Hopfen und Malz nicht verloren. Die Brasserie Caracole hat sich als beliebtes Ausflugsziel etabliert. Führungen und Biertastings am Wochenende locken Gäste in den Schankraum. Doch Personal für die Gastronomie zu finden, bleibt schwierig. Tonglet hat deshalb eine pragmatische, aber charmante Lösung gefunden: Schmackhafte Eintöpfe im Weckglas, die sich die Gäste selbst aus dem Kühlschrank nehmen. Kurz darauf steht der aufgewärmte Eintopf als solide Grundlage für das Biertasting auf dem Holztisch.
Ob die Brasserie Caracole eine Zukunft hat, wird sich zeigen. Tonglet sucht einen Nachfolger – jemand mit Mut und Kreativität. Denn auf treue Kundschaft, sagt er, kann man sich nicht mehr verlassen.

Die belgische Braukunst wurde 2016 von der UNESCO als immaterielles Kulturerbe der Menschheit ausgezeichnet, insbesondere wegen der außergewöhnlichen Vielfalt an Braustilen, den Aromen und der tiefen kulturellen Verankerung in der Gesellschaft.
Die Recherche wurde unterstützt von VisitWallonia.be