George Sand: Kämpferin vom Land

Als George Sand am 8. Juni 1876 auf ihrem Landgut in Nohant stirbt, schreibt ihr Freund Viktor Hugo: „Ich trauere um eine Tote und grüße eine Unsterbliche!“ Er sollte Recht behalten. In Frankreich gilt George Sand bis heute als nationale Ikone: Sie schrieb unermüdlich, kämpfte für die Emanzipation der Frauen und drängte auf soziale Reformen. Mit ihrem literarischen Werk, ihrem politischen Engagement und ihrem mutigen Lebensstil wurde sie zum Symbol für Freiheit und Gleichheit. In ihrer Heimat verehrt man sie als politische Aktivistin und einflussreiche Stimme der Gesellschaft. 2026 jährt sich ihr Todestag zum 150. Mal. Eine Reise zu den wichtigsten George-Sand Orten.

George-Sand-Haus in Nohant. Das Landgut Nohant im Berry ist bis heute untrennbar mit der Schriftstellerin George Sand verbunden. Das Anwesen gehörte ihrer Großmutter Aurore von Sachsen bei der sie aufwuchs. Von der Großmutter erbte sie das Haus, in dem sie als Schriftstellerin einen Großteil ihrer Werke schrieb / © Foto: Georg Berg
George-Sand-Haus in Nohant. Das Landgut Nohant im Berry ist bis heute untrennbar mit George Sand verbunden. Das Anwesen gehörte ihrer Großmutter Aurore von Sachsen bei der sie aufwuchs. Von ihr erbte sie das Haus, in dem sie als Schriftstellerin einen Großteil ihrer Werke schrieb / © Foto: Georg Berg

George Sand, geboren am 1. Juli 1804 in Paris hieß eigentlich Amantine-Aurore-Lucile Dupin. Als verheiratete Baronin Dudevant war sie Mutter zweier Kinder, Geliebte von Alfred de Musset, Frédéric Chopin und anderen, zugleich Freundin und Beraterin einflussreicher Persönlichkeiten aus Kultur und Politik. Sie hinterließ ein beeindruckendes literarisches Werk. Mit 27 Jahren verließ sie ihre Ehe, zog nach Paris und lebte fortan vom Schreiben. Ihr männliches Pseudonym George Sand wählte sie, um den gesellschaftlichen Einschränkungen für Autorinnen zu entgehen. 1831 erschien ihr erster Roman Indiana. In Männerkleidung kämpfte sie für die Gleichstellung der Frauen und schuf ein vielschichtiges Werk. Im Laufe ihres Lebens schrieb sie rund hundert weitere Romane sowie Reiseberichte und politische Texte, die sie weit über Frankreich hinaus bekannt machten. George Sand wurde zu einer der berühmtesten und umstrittensten Schriftstellerinnen des 19. Jahrhunderts.

Salon im George-Sand-Haus in Nohant mit Portraits von George Sand und ihrer Familie, hier groß im Bild das Portrait von George Sand als junge Frau / © Foto: Georg Berg
Salon im George-Sand-Haus in Nohant mit Portraits von George Sand und ihrer Familie, hier groß im Bild das Portrait von George Sand als junge Frau / © Foto: Georg Berg

Im Ausland gilt George Sand vor allem als romantische, rebellische Schriftstellerin und unabhängige Persönlichkeit. Ihr literarisches Werk wird geschätzt, doch ihr politisches Engagement und ihr Einsatz für Frauenrechte finden weniger Beachtung. In Frankreich steht sie als Symbol gesellschaftlicher Erneuerung, international bleibt sie vor allem eine literarische Kultfigur. In Deutschland ist ihr Reisebericht Ein Winter auf Mallorca wohl am bekanntesten. Darin schildert sie eine Reise, die sie im Winter 1838 mit ihrem Lebensgefährten Frédéric Chopin und ihren beiden Kindern unternahm. Die Reise gerät zum Fiasko: Statt Erholung für den kränklichen Chopin und ihren lungenkranken Sohn stoßen sie auf abweisende Mallorquiner, schlechtes Wetter und zugige Unterkünfte. In ihrem Buch spart sie nicht mit Kritik an den Einheimischen. Das Buch wurde zu einem vielgelesenen Klassiker der Reiseliteratur.

Speisesaal Domaine de Nohant. Hier versammelte George Sand ihre Gäste um sich. Noch heute ist der Tisch eingedeckt, wie zum Abendessen. Ein Lüster aus Venezianischem Glas hängt über der Tafel, an der Gäste wie Franz Liszt, Honoré de Balsac, Gustave Flaubert und Eugene Delacroix sowie ihr Lebensgefährte Frederique Chopin saßen / © Foto: Georg Berg
Speisesaal Domaine de Nohant. Hier versammelte George Sand ihre Gäste um sich. Noch heute ist der Tisch eingedeckt, wie zum Abendessen mit ihren Künstlerfreunden / © Foto: Georg Berg

Das Landgut Nohant – Treffpunkt der Pariser Künstlerszene

Das Landgut Nohant im Berry war George Sands Rückzugsort und Kraftquelle. Hier empfing sie ihre Pariser Freunde, darunter viele bedeutende Künstler und Intellektuelle des 19. Jahrhunderts. Zu ihrem Kreis zählten Honoré de Balzac, Alexandre Dumas, Eugène Delacroix, Franz Liszt, Marie d’Agoult, Victor Hugo und Gustave Flaubert. Das Haus kann man nur im Rahmen einer Führung besichtigen, die ausschließlich auf Französisch angeboten wird. Ein Besuch lohnt sich dennoch: Die Originaleinrichtung, zahlreiche Familienporträts, das Puppentheater, der gepflegte Garten, Chopin’s Komponierzimmer und Sands Schreibzimmer vermitteln einen anschaulichen Eindruck von George Sands Leben auf dem Land.

Führung durch das George-Sand-Haus in Nohant. Hier das Marionettentheater und die Theaterbühne. George Sand schrieb 80 Theaterstücke. Auf der kleinen Bühne des Hauses ließ sie die Theaterstück proben, bevor sie in Paris aufgeführt wurden / © Foto: Georg Berg
Führung durch das George-Sand-Haus in Nohant. Hier das Marionettentheater und die Theaterbühne. George Sand schrieb 80 Theaterstücke. Auf der kleinen Bühne des Hauses ließ sie die Theaterstück proben, bevor sie in Paris aufgeführt wurden / © Foto: Georg Berg

George Sand und die Dame mit dem Einhorn

Zum 150. Todestag von George Sand wird ein Teppich zu ihren Ehren gewebt. Passender könnte diese Hommage à George Sand kaum sein, denn zu Lebzeiten entdeckte sie selbst eine außergewöhnliche Serie mittelalterlicher Wandteppiche. Neben ihrem Landhaus Nohant zählt deshalb auch das Schloss Boussac zu den Pilgerstätten ihrer Bewunderer. Doch die Geschichte dieser Entdeckung, die sich 1841 an einem regnerischen Morgen ereignete, bleibt bei einer Führung durch das Schloss unerzählt. Stattdessen hängt eine Replik des Teppichs unscheinbar an der Rückwand eines Kamins, dekoriert mit einem kitschigen Einhorn. Die sechs originalen Teppiche wurden kurz nach ihrer Entdeckung als bedeutende Kunstwerke nach Paris gebracht.

Château de Boussac, Schloss aus dem 15. Jahrhundert, hier großer Saal. Im Kamin hängt eine Replica des Wandteppichs aus der Serie „Die Dame mit dem Einhorn“. 1841 besuchte die Schriftstellerin George Sand das Schloss und entdeckte dort zusammen mit dem Historiker Prosper Mérimée die berühmten mittelalterlichen Wandteppiche. Sie sind heute im Musée de Cluny in Paris zu sehen / © Foto: Georg Berg
Château de Boussac, im Kamin hängt eine Replica des Wandteppichs aus der Serie „Die Dame mit dem Einhorn“/ © Foto: Georg Berg

Die Entdeckung der Dame mit dem Einhorn-Teppiche soll sich wie folgt zugetragen haben: Im Jahr 1841 an einem sehr regnerischen Morgen – und dieses Detail ist wichtig – denn hätte es nicht geregnet – wäre es nicht zu folgender Entdeckung gekommen: Beim Eintreten streifte George Sand ihre matschigen Stiefel auf dem Teppich am Eingang ab und wurde auf ein mittelalterliches Muster aufmerksam. Sie fragte nach der Herkunft des Teppichs, doch niemand hatte im Haus eine Antwort darauf.

Château de Boussac, Creuse, die Wandteppiche aus dem Zentrum für Tapisserie in Aubusson sind eines der Highlights. Das Château zeigt sowohl mittelalterliche wie auch zeitgenössische Tapisserien. Trägt ein Teppich einen blauer Rand steht das für eine Arbeit aus Aubusson / © Foto: Georg Berg
Das Château de Boussac, Creuse, zeigt sowohl mittelalterliche wie auch zeitgenössische Tapisserien. Trägt ein Teppich einen blauer Rand steht das für eine Arbeit aus Aubusson / © Foto: Georg Berg

Sand durchsuchte die oberen Etagen des Schlosses und entdeckte fünf weitere Teppiche mit ähnlichen Mustern, die sich in besserem Zustand befanden. Sie erkannte sofort ihren Wert und vermutete, dass es sich um Wandteppiche aus dem Mittelalter handelte. Um ihre Entdeckung zu bestätigen, wandte sie sich an Prosper Mérimée, den damaligen „Inspecteur des Monuments historiques“ – mit dem sie einige Jahre zuvor eine Affäre hatte. Mérimée, noch immer voller Bewunderung für Sand, reiste umgehend nach Boussac. Er bestätigte die außergewöhnliche Bedeutung der Teppiche und ließ sie umgehend als „Monument historique“ klassifizieren. Heute ist der berühmte Zyklus Die Dame mit dem Einhorn im Musée de Cluny in Paris zu bewundern.

Schreibtisch und Bett im Schloss Boussac, in dem George Sand ab 1841 regelmäßig zu Besuch war. Bei ihrem ersten Aufenthalt  entdeckte sie zufällig die berühmten Wandteppiche, bekannt als „Die Dame mit dem Einhorn“. George Sand widmete ihrer Entdeckung, dem Schloss Boussac und die Region Creuse mit dem Tal der Maler literarische Beachtung in ihrem Roman „Jeanne“ / © Foto: Georg Berg
Schreibtisch und Bett im Schloss Boussac, in dem George Sand ab 1841 regelmäßig zu Besuch war. In ihrem Roman Jeanne widmete sie ihrer Entdeckung, dem Schloss Boussac und die Region Creuse mit dem Tal der Maler literarische Beachtung / © Foto: Georg Berg

Nach ihrer Entdeckung wurde George Sand in den folgenden Jahren regelmäßiger Gast auf Schloss Boussac. Heute können Besucher bei Führungen durch 40 opulent eingerichtete Räume auch das Zimmer der Schriftstellerin besichtigen. An den alten Burgwänden hängen zahlreiche Teppiche vergangener Epochen, ergänzt durch teils skurrile Sammlungen, mit denen Lucien und Bernadette Blondeau das Schloss seit den 1960er Jahren ausgestattet haben.

Das Château de Boussac in der Creuse ist eine mittelalterliche Festung mit einer reichen Geschichte. Das Sammler-Ehepaar Lucien Blondeau und Bernadette Bondeau haben seit den1960er Jahren das Schloss mit zahlreichen Wandteppichen sowie Antiquitäten und Sammlerstücken aller Art ausgestattet. Hier ein ganzer Raum mit Spazierstöcken / © Foto: Georg Berg
Das Château de Boussac in der Creuse ist eine mittelalterliche Festung mit heute teils skurillen Sammelobjekten. Hier ein ganzer Raum voller Spazierstöcke / © Foto: Georg Berg

Nohant, Boussac und die Pierres Jaumâtres

Zurück ins Landhaus nach Nohant. Wer 2026, im Jubiläumsjahr, den Spuren der Schriftstellerin folgen will, sollte nicht nur ihr Wohnhaus in Nohant besuchen, sondern auch das Schloss Boussac und die Pierres Jaumâtres. Dieses Naturdenkmal in der Region Creuse, wo sie oft mit Frédéric Chopin spazierte, fand Eingang in ihren Roman Jeanne von 1844. Um Vergangenheit und Gegenwart zu verbinden, zeigt die Cité internationale de la Tapisserie in Aubusson ab Juni 2026 den monumentalen Wandteppich Hommage à George Sand. 

Les Pierres Jaumâtres ist ein Naturdenkmal in der Region Creuse. Der Ort inspirierte bedeutende Persönlichkeiten wie George Sand und Frédéric Chopin, die hier regelmäßig wandelten und die Natur sowie mystische Atmosphäre genossen. Heute ist Les Pierres Jaumâtres ein Naturschutzgebiet mit Wanderwegen, einem Abenteuerspielplatz und Angeboten für Kletter- und Outdoor-Aktivitäten, die Besucher aller Altersgruppen anziehen / © Foto: Georg Berg
Les Pierres Jaumâtres inspirierte George Sand und Frédéric Chopin, die hier regelmäßig wandelten und die Natur sowie mystische Atmosphäre genossen / © Foto: Georg Berg

In ihren letzten Jahren verbindet George Sand eine enge Freundschaft mit Gustave Flaubert. Ihre erhaltenen Briefe sind ein bewegendes Zeugnis der Kunstgeschichte. Als Sand am 8. Juni 1876 stirbt, schreibt Flaubert schlicht: „Sie fehlt mir.“ Victor Hugo formuliert damals vorausschauend: „Ich trauere um eine Tote und grüße eine Unsterbliche!“

Ausschnitt Hommage à George Sand von Francoise Petrovitch, hier die rauchende George Sand. Der Teppich spiegelt ihre verschiedenen Lebensphasen wider, indem er den natürlichen Fluss des Wassers und die Landschaft als Metaphern für Wandel, Freiheit und Lebensfluss nutzt / © Foto: Georg Berg
Ausschnitt Hommage à George Sand von Francoise Petrovitch, hier die rauchende George Sand. Der Teppich spiegelt ihre verschiedenen Lebensphasen wider, indem er den natürlichen Fluss des Wassers und die Landschaft als Metaphern für Wandel, Freiheit und Lebensfluss nutzt / © Foto: Georg Berg
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