Als George Sand am 8. Juni 1876 auf ihrem Landgut in Nohant stirbt, schreibt ihr Freund Viktor Hugo: „Ich trauere um eine Tote und grüße eine Unsterbliche!“ Er sollte Recht behalten. In Frankreich gilt George Sand bis heute als nationale Ikone: Sie schrieb unermüdlich, kämpfte für die Emanzipation der Frauen und drängte auf soziale Reformen. Mit ihrem literarischen Werk, ihrem politischen Engagement und ihrem mutigen Lebensstil wurde sie zum Symbol für Freiheit und Gleichheit. In ihrer Heimat verehrt man sie als politische Aktivistin und einflussreiche Stimme der Gesellschaft. 2026 jährt sich ihr Todestag zum 150. Mal. Eine Reise zu den wichtigsten George-Sand Orten.

George Sand, geboren am 1. Juli 1804 in Paris hieß eigentlich Amantine-Aurore-Lucile Dupin. Als verheiratete Baronin Dudevant war sie Mutter zweier Kinder, Geliebte von Alfred de Musset, Frédéric Chopin und anderen, zugleich Freundin und Beraterin einflussreicher Persönlichkeiten aus Kultur und Politik. Sie hinterließ ein beeindruckendes literarisches Werk. Mit 27 Jahren verließ sie ihre Ehe, zog nach Paris und lebte fortan vom Schreiben. Ihr männliches Pseudonym George Sand wählte sie, um den gesellschaftlichen Einschränkungen für Autorinnen zu entgehen. 1831 erschien ihr erster Roman Indiana. In Männerkleidung kämpfte sie für die Gleichstellung der Frauen und schuf ein vielschichtiges Werk. Im Laufe ihres Lebens schrieb sie rund hundert weitere Romane sowie Reiseberichte und politische Texte, die sie weit über Frankreich hinaus bekannt machten. George Sand wurde zu einer der berühmtesten und umstrittensten Schriftstellerinnen des 19. Jahrhunderts.

Im Ausland gilt George Sand vor allem als romantische, rebellische Schriftstellerin und unabhängige Persönlichkeit. Ihr literarisches Werk wird geschätzt, doch ihr politisches Engagement und ihr Einsatz für Frauenrechte finden weniger Beachtung. In Frankreich steht sie als Symbol gesellschaftlicher Erneuerung, international bleibt sie vor allem eine literarische Kultfigur. In Deutschland ist ihr Reisebericht Ein Winter auf Mallorca wohl am bekanntesten. Darin schildert sie eine Reise, die sie im Winter 1838 mit ihrem Lebensgefährten Frédéric Chopin und ihren beiden Kindern unternahm. Die Reise gerät zum Fiasko: Statt Erholung für den kränklichen Chopin und ihren lungenkranken Sohn stoßen sie auf abweisende Mallorquiner, schlechtes Wetter und zugige Unterkünfte. In ihrem Buch spart sie nicht mit Kritik an den Einheimischen. Das Buch wurde zu einem vielgelesenen Klassiker der Reiseliteratur.

Das Landgut Nohant – Treffpunkt der Pariser Künstlerszene
Das Landgut Nohant im Berry war George Sands Rückzugsort und Kraftquelle. Hier empfing sie ihre Pariser Freunde, darunter viele bedeutende Künstler und Intellektuelle des 19. Jahrhunderts. Zu ihrem Kreis zählten Honoré de Balzac, Alexandre Dumas, Eugène Delacroix, Franz Liszt, Marie d’Agoult, Victor Hugo und Gustave Flaubert. Das Haus kann man nur im Rahmen einer Führung besichtigen, die ausschließlich auf Französisch angeboten wird. Ein Besuch lohnt sich dennoch: Die Originaleinrichtung, zahlreiche Familienporträts, das Puppentheater, der gepflegte Garten, Chopin’s Komponierzimmer und Sands Schreibzimmer vermitteln einen anschaulichen Eindruck von George Sands Leben auf dem Land.

George Sand und die Dame mit dem Einhorn
Zum 150. Todestag von George Sand wird ein Teppich zu ihren Ehren gewebt. Passender könnte diese Hommage à George Sand kaum sein, denn zu Lebzeiten entdeckte sie selbst eine außergewöhnliche Serie mittelalterlicher Wandteppiche. Neben ihrem Landhaus Nohant zählt deshalb auch das Schloss Boussac zu den Pilgerstätten ihrer Bewunderer. Doch die Geschichte dieser Entdeckung, die sich 1841 an einem regnerischen Morgen ereignete, bleibt bei einer Führung durch das Schloss unerzählt. Stattdessen hängt eine Replik des Teppichs unscheinbar an der Rückwand eines Kamins, dekoriert mit einem kitschigen Einhorn. Die sechs originalen Teppiche wurden kurz nach ihrer Entdeckung als bedeutende Kunstwerke nach Paris gebracht.

Die Entdeckung der Dame mit dem Einhorn-Teppiche soll sich wie folgt zugetragen haben: Im Jahr 1841 an einem sehr regnerischen Morgen – und dieses Detail ist wichtig – denn hätte es nicht geregnet – wäre es nicht zu folgender Entdeckung gekommen: Beim Eintreten streifte George Sand ihre matschigen Stiefel auf dem Teppich am Eingang ab und wurde auf ein mittelalterliches Muster aufmerksam. Sie fragte nach der Herkunft des Teppichs, doch niemand hatte im Haus eine Antwort darauf.

Sand durchsuchte die oberen Etagen des Schlosses und entdeckte fünf weitere Teppiche mit ähnlichen Mustern, die sich in besserem Zustand befanden. Sie erkannte sofort ihren Wert und vermutete, dass es sich um Wandteppiche aus dem Mittelalter handelte. Um ihre Entdeckung zu bestätigen, wandte sie sich an Prosper Mérimée, den damaligen „Inspecteur des Monuments historiques“ – mit dem sie einige Jahre zuvor eine Affäre hatte. Mérimée, noch immer voller Bewunderung für Sand, reiste umgehend nach Boussac. Er bestätigte die außergewöhnliche Bedeutung der Teppiche und ließ sie umgehend als „Monument historique“ klassifizieren. Heute ist der berühmte Zyklus Die Dame mit dem Einhorn im Musée de Cluny in Paris zu bewundern.

Nach ihrer Entdeckung wurde George Sand in den folgenden Jahren regelmäßiger Gast auf Schloss Boussac. Heute können Besucher bei Führungen durch 40 opulent eingerichtete Räume auch das Zimmer der Schriftstellerin besichtigen. An den alten Burgwänden hängen zahlreiche Teppiche vergangener Epochen, ergänzt durch teils skurrile Sammlungen, mit denen Lucien und Bernadette Blondeau das Schloss seit den 1960er Jahren ausgestattet haben.

Nohant, Boussac und die Pierres Jaumâtres
Zurück ins Landhaus nach Nohant. Wer 2026, im Jubiläumsjahr, den Spuren der Schriftstellerin folgen will, sollte nicht nur ihr Wohnhaus in Nohant besuchen, sondern auch das Schloss Boussac und die Pierres Jaumâtres. Dieses Naturdenkmal in der Region Creuse, wo sie oft mit Frédéric Chopin spazierte, fand Eingang in ihren Roman Jeanne von 1844. Um Vergangenheit und Gegenwart zu verbinden, zeigt die Cité internationale de la Tapisserie in Aubusson ab Juni 2026 den monumentalen Wandteppich Hommage à George Sand.

In ihren letzten Jahren verbindet George Sand eine enge Freundschaft mit Gustave Flaubert. Ihre erhaltenen Briefe sind ein bewegendes Zeugnis der Kunstgeschichte. Als Sand am 8. Juni 1876 stirbt, schreibt Flaubert schlicht: „Sie fehlt mir.“ Victor Hugo formuliert damals vorausschauend: „Ich trauere um eine Tote und grüße eine Unsterbliche!“
