Wir sind in dem Hubschrauber der True North unterwegs. Unter uns der regenverhangene Dschungel, in dem Alan, unser Pilot, mithilfe einer App die Lande-Position sucht. Kurzfristig hat die True North von der Flugsicherung für Bougainville die Freigabe für die Route erhalten, die so ähnlich wohl auch der der japanische Admiral Yamamoto Isoroto für sein kleines Geschwader am 18. April 1943 gewählt haben dürfte.
Admiral Yamomoto, der mit dem japanischen Angriff auf Pearl Harbor Amerikas Eintritt in den Zweiten Weltkrieg auslöste, blieb, so lange er lebte, für die Vereinigten Staaten ein gefährlicher Gegner. Nachdem der amerikanische Geheimdienst einen verschlüsselten japanischen Funkspruch dekodieren konnte, nahm die Operation Vengeance (Rache) ihren Lauf.
Anders als die mit der Geschichte des Weltkriegs im Pazifik vertrauteren Australier habe ich keine besonderen Erwartungen an das einsam im undurchdringlichen Hinterland liegende Flugzeugwrack. Doch der Verlauf unserer Mission soll zu einem einprägsamen Erlebnis werden.
Vor 40 Minuten sind wir bei klarem Wetter von unserem Schiff, der True North, gestartet und vom Cockpit aus sucht der Pilot Alan zusammen mit Simon gemeinsam die Stelle, an der wir erwartet werden. Simon hat mit den Bewohnern eines zwei Stunden entfernten Dorfes verabredet, dass sie in der Nähe der Absturzstelle einen kleiner Flecken für unsere Landung vorbereiten sollen. Straßen oder gut sichtbare Markierungen sind im Dschungel nicht zu erkennen. Auch das Flugzeugwrack selbst ist durch die Vegetation getarnt. Zudem schütteln unterwegs starke Regenschauer mit schlechter Sicht unseren Helikopter.
In der Nähe der vermuteten Position entdecken wir eine überraschend große Zahl Menschen, die uns schon erwarten. Ein Hubschrauber braucht selbst keine Scheibenwischer und aus demselben Grund pustet er bei der Landung alle Regenschirme der Umstehenden weg.
Selten machen sich Fremde auf den beschwerlichen Weg zum prominenten Flugzeugwrack und einen anderen Hubschrauber hat hier noch niemand landen sehen. Die Situation ist also für alle extrem ungewohnt. Ich habe zwar schon oft die Erfahrung gemacht, Blicke von Menschen auf mich zu ziehen, die noch nie jemand mit weißer Hautfarbe gesehen haben. Aber hier sind die Erwartungen besonders hoch und jede unserer Bewegungen wird schweigend beobachtet.
Auch wir sind unsicher; nicht nur weil der Untergrund weich vom Regen ist. Aber die Leute haben mit ihren Buschmessern zahllose Stauden gerodet, deren Blätter wie eine Matte verhindern, dass man allzu tief einsinkt.
Im Gegensatz zu den Umstehenden, die sich einen ganzen Tag Zeit genommen haben, um das Spektakel einer Hubschrauberlandung mitzuerleben, sind wir nur kurz und in erster Linie wegen des berühmten Yamamoto-Flugzeugwracks gekommen.
Auf dem Weg zur Absturzstelle bietet sich dann doch die ein oder andere Gelegenheit zu Gesprächen. Selbst mit Kinder kann man sich auf englisch verständigen und alle helfen im unwegsamen Gelände.
Das Ziel ist erreicht, aber es will sich nicht der Schauder einstellen, den ich mit der Vorstellung des vergangenen Dramas verbunden hätte. Alltagsgegenstände wie Pfeil und Bogen oder die Buschmesser der Umstehenden halten mich in der Gegenwart.
Die Einheimischen versuchen zu verstehen, warum sich die Touristen vor allem auf das historische Flugzeugwrack interessieren. Erlebt Bougainville doch zurzeit das erfolgreiche Ende einer ökologisch geprägten Revolution. Mit großer Mehrheit haben sich die Menschen in einem Referendum für die Loslösung von Papua Neuguinea entschieden, weil sie auf keinen Fall mehr Spielball fremder Mächte sein wollen.
Mich hat der Ausflug zum Flugzeugwrack nachdenklich gemacht. Vor allem nachträglich. Denn in der Situation gab es nur wenig Zeit, die vielen Eindrücke zu verarbeiten. Wie viel extremer muss unsere Kurzvisite auf die Einheimischen gewirkt haben? Die noch vor wenigen Jahren mit primitiven Waffen gegen die hochgerüstete Regierungsarmee Papua Neuguineas für eine intakte Natur und gegen ein Bergwerk gekämpft haben, das ganze Landstriche vergiftet hat. Deren Leben entbehrungsreich aber auch beschaulicher als unseres abläuft. Ich stelle mir vor, dass auch während des zweiten Weltkriegs und an dieser Stelle kaum jemand die Bedeutung des Ereignisses ahnte, wegen dem wir uns mit immensem Aufwand hierhin auf den Weg gemacht haben.
Heute hoffen die Menschen von Bougainville, dass sie von der Weltöffentlichkeit als jüngstes Land so freundlich aufgenommen werden, wie sie auch ihre Besucher behandeln. Kurz vor dem Abflug erhalten wir noch frische Früchte als Geschenk und können dieses Erlebnis nie vergessen. Auch weil man gerne mehr Zeit für Gespräche gehabt hätte.
Reisehinweise: Australien für europäische Touristen
Die Kosten der Schiffsreise wurden der Redation nicht in Rechnung gestellt