Digital Detox im Tessin

Kochen am offenen Feuer und im Kupferkessel? Im Val Rovana im Tessin können Gäste erleben, wie der bewusste Verzicht auf Strom zu einem echten Gewinn wird. Es ist wie ein Sprung in die Vergangenheit, wenn man das Bürgerhaus aus dem 17. Jahrhundert bezieht. Das Haus stand sage und schreibe 100 Jahre lang leer, wurde mehr als 10 Jahre renoviert und entspricht nun dem Wohnstandard des 19. Jahrhunderts – allerdings vor der Elektrifizierung. Dies war kein Versehen, sondern eine bewusste Entscheidung der Eigentümer.

In Cerentino kann man im aufwendig renovierten historischen Patrizierhaus Cà Vegia wohnen, mit jahrhundertealten Originalmöbeln, aber ohne Strom. Das alte Haus wurde originalgetreu mit den ursprünglichen Materialien renoviert, Circolo della Rovana, Schweiz / © Foto: Georg Berg
In Cerentino kann man im aufwendig renovierten historischen Patrizierhaus Cà Vegia wohnen, mit jahrhundertealten Originalmöbeln, aber ohne Strom. Das alte Haus wurde originalgetreu mit den ursprünglichen Materialien renoviert, Circolo della Rovana, Schweiz / © Foto: Georg Berg

Das Haus steht seit dem Jahr 1600 im kleinen Ort Cerentino. Wenige Parkplätze liegen in einer Straßenkehre. Die Straße windet sich hoch bis nach Bosco Gurin, einer weiteren Attraktion im Val Rovana. Das alte Bürgerhaus wurde um 1900 von seinen Bewohnern aufgegeben. Über 100 Jahre lag es in einem Dornröschenschlaf, der allerdings kein Schönheitsschlaf war, sondern stark an der Substanz nagte. Wachgeküsst haben es kurz vor dem totalen Verfall die heutigen Eigentümer Svetlana und Adriano Betroggi. 2007 begann ihre Hausrettung. Böden, Balkone, Fenster, das Dach, so gut wie alles musste erneuert werden. Restauriert wurde mit historischem Material. Alte Hölzer wurden verwendet, das Haus bekam wieder ein für die Region typisches Steindach. Auch der Mörtel, der alles zusammen hält, wurde nach historischem Verfahren gebrannt und verleiht dem Haus die gewünschte alte Optik.

In Cerentino kann man im aufwendig renovierten historischen Patrizierhaus Cà Vegia übernachten, mit jahrhundertealten Originalmöbeln, aber ohne Strom. Kleiner Tipp: Vor Einbruch der Dunkelheit feststellen, wo Kerzen und Streichhölzer sind / © Foto: Georg Berg
In Cerentino kann man im aufwendig renovierten historischen Patrizierhaus Cà Vegia übernachten, mit jahrhundertealten Originalmöbeln, aber ohne Strom. Kleiner Tipp: Vor Einbruch der Dunkelheit feststellen, wo Kerzen und Streichhölzer sind / © Foto: Georg Berg

Besser als Virtual Reality

Im Ca Vegia braucht man keine VR-Brille, um in eine andere Welt einzutauchen. Die illusorischen Stimuli setzen Holzofen, Feuerstelle und Kupferkessel. Vorräte werden in einem Kühlraum im Keller gelagert und Wasser gibt es am Steinbassin vor dem Haus. Die Haustür wird mit einem dicken schmiedeeisernen Riegel geschlossen. Das Licht am Abend geben die Kerzen. In Küche, Stube und den vier Schlafzimmern stehen Möbel aus dem 19. Jahrhundert. Das kleine Bad im Obergeschoss ist aus Holz und Stein. Neumodisch sind nur ein WC und heißes Wasser für die Dusche. Ein Luxus, den man schnell schätzen lernt, denn das Anheizen der Öfen und Beaufsichtigen der brennenden Kerzen sind für die erste Nacht im Ca Vegia Zeitreise genug.

In Cerentino kann man im aufwendig renovierten historischen Patrizierhaus Cà Vegia wohnen, mit jahrhundertealten Originalmöbeln, aber ohne Strom. Polenta wird über dem offenen Feuer zubereitet, Circolo della Rovana, Schweiz / © Foto: Georg Berg
In Cerentino kann man im aufwendig renovierten historischen Patrizierhaus Cà Vegia wohnen, mit jahrhundertealten Originalmöbeln, aber ohne Strom. Polenta wird über dem offenen Feuer zubereitet, Circolo della Rovana, Schweiz / © Foto: Georg Berg

Kochen mit lokalen Produkten

Vorratshaltung spielt immer eine wichtige Rolle im Küchenmanagement. Doch statt Kühlschrank steht im Ca Vegia ein Wandkabinett und ein Kellerraum zur Verfügung. Kühlung im Sommer ist somit endlich und die Einkäufe mit Bedacht zu wählen. Bevor es hoch geht in das Val Rovana machen wir Halt in Cevio. Im Negozio Val Maggia gibt es ausschließlich lokale Produkte zu kaufen. Käse aus Bosco Gurin, Wildsalami vom Jäger aus Cevio, Feigen und Tomaten aus den Gärten der Umgebung, Brot aus der Bäckerei im Ort sowie Wein und Bier aus dem Maggiatal. Als sättigende Komponente der kommenden Mahlzeiten aus einem Kupferkessel wähle ich Polentamehl aus dem Tessin.

Im Negozio Val Maggia in Cevio kann man sich vor der Weiterfahrt hoch ins Ca Vagia mit lokalen Lebensmitteln eindecken / © Foto: Georg Berg
Im Negozio Val Maggia in Cevio kann man sich vor der Weiterfahrt hoch ins Ca Vagia mit lokalen Lebensmitteln eindecken / © Foto: Georg Berg
Auch im Ca Vegia gibt es eine Vorratskammer für die Gäste / © Foto: Georg Berg
Auch im Ca Vegia gibt es eine Vorratskammer für die Gäste / © Foto: Georg Berg
Auch der Espresso braucht Zeit, denn zuerst muss Feuer gemacht werden / © Foto: Georg Berg
Auch der Espresso braucht Zeit, denn zuerst muss Feuer gemacht werden / © Foto: Georg Berg

Adagio für Espresso – alles braucht seine Zeit

Im Ca Vegia lernt man schnell, sich auf die grundlegenden Dinge zu konzentrieren. Vor Antritt der kleinen Zeitreise gibt Svetlana Betroggi, die auch deutsch spricht, ihren Gästen immer eine Einführung. Nach der quirligen Führung durch alle Räume und einem kleinen Aperitif sind wir plötzlich alleine im großen alten Haus. Digital Detox stellt sich ein, ohne das man es merkt. Statt einfach einen Schalter umzulegen, sollte man hier immer eine Streichholzschachtel bei sich tragen. Es ist ratsam bei Tageslicht die Kerzenständer frisch zu bestücken und noch einen Krug mit frischem Wasser von draußen zu holen. Wo kühle ich meine Getränke und wie lange brauche ich, bis ein kleines Feuer brennt, um am Morgen den Espresso zu kochen? Das klingt mühsam, ist aber wunderbar erholsam. Ständig möchte ich zu dem breiten Balkon am Kopf des Hauses laufen und die herrliche Aussicht ins Tal und die Stille genießen.

In Cerentino kann man in dem aufwendig renovierten historischen Patrizierhaus Cà Vegia wohnen, das mit jahrhundertealten Originalmöbeln ausgestattet ist, aber keinen Strom hat. Circolo della Rovana, Schweiz / © Foto: Georg Berg
In Cerentino kann man in dem aufwendig renovierten historischen Patrizierhaus Cà Vegia wohnen, das mit jahrhundertealten Originalmöbeln ausgestattet ist, aber keinen Strom hat. Circolo della Rovana, Schweiz / © Foto: Georg Berg
In Cerentino kann man im aufwendig renovierten historischen Patrizierhaus Cà Vegia wohnen, mit jahrhundertealten Originalmöbeln, aber ohne Strom. Polenta wird über dem offenen Feuer zubereitet, Circolo della Rovana, Schweiz / © Foto: Georg Berg
In Cerentino kann man im aufwendig renovierten historischen Patrizierhaus Cà Vegia wohnen, mit jahrhundertealten Originalmöbeln, aber ohne Strom. Polenta wird über dem offenen Feuer zubereitet, Circolo della Rovana, Schweiz / © Foto: Georg Berg

Ich inspiziere die Küchengeräte und mache mich mit der Eisenkette vertraut, mit der man den Kupferkessel über das Feuer hängt. Dicke Handschuhe und ein sehr langer Holzspatel zum Umrühren sind vorhanden. Die wichtigsten Gewürze stehen im Wandschrank und auch Olivenöl gibt es. Im Garten finde ich Thymian und Minze. Der Zubereitung von Polenta sollte nichts im Wege stehen. Feuerholz liegt direkt am Eingang im langen Korridor des Hauses. Streichhölzer trage ich bei mir, seitdem mir im Vorratskeller einmal die Kerze ausging und ich im Stockdunkeln wieder zur Stube finden musste. Das Kochen über der offenen Feuerstelle funktioniert erstaunlich gut. Zum Warmhalten stelle ich den Topf später in der Nähe der Glut ab. Zusammen mit den Einkäufen aus dem kleinen Laden im Tal bekomme ich eine geradezu festliche Tafel gedeckt. Das Licht der vielen Kerzen trägt zur schönen Atmosphäre bei.

In Cerentino können Besucher, in dem aufwändig renovierten historischen Patrizierhaus Cà Vegia mit jahrhundertealter Originaleinrichtung aber ohne Elektrizität wohnen. Lokale Lebensmittel unterstreichen die Autentizität / © Foto: Georg Berg
In Cerentino können Besucher, in dem aufwändig renovierten historischen Patrizierhaus Cà Vegia mit jahrhundertealter Originaleinrichtung aber ohne Elektrizität wohnen. Lokale Lebensmittel unterstreichen die Autentizität / © Foto: Georg Berg

Nachts funkeln hier nur die Sterne und die Luft ist kalt und klar. Morgens wird man vom Vogelgezwitscher geweckt. Mehrere Wanderwege beginnen direkt in Cerentino. Es ist eine wunderbare Reiseerfahrung, bei der der Verzicht auf Strom ein echter Gewinn ist. Wir schieben nach einem geruhsamen Frühstück den schweren Eisenriegel vor die Haustür und brechen auf nach Bosco Gurin, einem der schönsten Alpendörfer im Tessin.

Möbel aus dem 19. Jahrhundert und jede Menge Vogelgezwitscher am Morgen / © Foto: Georg Berg
Möbel aus dem 19. Jahrhundert und jede Menge Vogelgezwitscher am Morgen / © Foto: Georg Berg

Das Walser-Dorf Bosco Gurin

Bosco Gurin liegt eingebettet in eine malerische Alpenlandschaft auf 1.500 Meter Höhe. Es ist das höchstgelegene ganzjährig bewohnte Dorf der italienischen Schweiz. Bosco Gurin ist eine deutsche Sprachinsel mitten im Tessin, denn seine Bewohner sind Nachkommen der Walser, die vor über 700 Jahren aus dem Wallis übersiedelten. Den alten alemannischen Dialekt, das Guryner Ditsch haben sie hier bewahrt. In einem der ältesten Häuser des Dorfes aus dem Jahr 1386 zeigt das Guriner Walser Museum die typischen Utensilien, die vor Jahrhunderten in keinem Haushalt fehlen durften.

Bosco Gurin auf 1.500 Meter Höhe. Mit der Sesselbahn Ritzberg geht es auf 2.000 Meter Höhe. Wanderwege führen hinunter ins Dorf / © Foto: Georg Berg
Bosco Gurin auf 1.500 Meter Höhe. Mit der Sesselbahn Ritzberg geht es auf 2.000 Meter Höhe. Wanderwege führen hinunter ins Dorf / © Foto: Georg Berg

Reisetipps

Ca Vegia Unterkunft (Ca Vegia in Suche eingeben)
Das Walser-Museum in Bosco Gurin
Bosco Gurin, Wandern und Skifahren

Print-Veröffentlichung

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Die Recherchereise wurde vor Ort vom Schweizer Tourismusverband unterstützt

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Permalink der Originalversion: https://tellerrandstories.de/tessin-digital-detox
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