Avignon, die Päpste und viel Theater

Die südfranzösische Stadt Avignon trägt viele Namen. Sie ist die Stadt der Päpste. Sie ist die Stadt der Märkte, des Theaters, der Gourmets. Sie ist Zentrum der weltberühmten Côtes du Rhône-Weine und natürlich die Stadt der Brücken. Fällt der Name Avignon, hat man gleich das passende Lied zur Brücke im Ohr.

Das Hauptportal des Papstpalastes von Avignon / © Foto: Georg Berg
Das Hauptportal des Papstpalastes von Avignon / © Foto: Georg Berg

Palast der Päpste

Beginnen wir mit einem Schwergewicht, dem Papstpalast. Ein Besuch im Palais des Papes lohnt sich nicht nur für Geschichtsinteressierte. Das Unesco Weltkulturerbe ist eine multifunktionale Kultureinrichtung. Im Papstpalast finden temporäre Ausstellungen von Weltrang statt. Hier verwandelt sich jedes Jahr im Juli der historische Innenhof während des Theaterfestivals in eine Bühne. Besucher können mit modernster Museumstechnik die Räume des Palastes so erleben, wie sie zur Zeit des abendländischen Schismas ausgesehen haben könnten. Zwischen 1309 und 1376 hatten sieben Päpste ihren Sitz statt in Rom in Avignon. Frei nach dem Motto Wo der Papst ist, da ist Rom wurde Avignon zum Zentrum der Kurie. In weniger als 20 Jahren von 1335 bis 1352 wurde der Papstpalast auf seine jetzige imposante Größe ausgebaut.

Der Küchen- und Kräutergarten im Papstpalast in Avignon / © Foto: Georg Berg
Der Küchen- und Kräutergarten im Papstpalast in Avignon / © Foto: Georg Berg

Der Chronist Jean Froissart soll den Palast das schönste und festeste Haus der Welt genannt haben. Er sollte Recht behalten, denn bis heute ist der Papstpalast mit einer Fläche von 15.000 Quadratmetern der größte gothische Bau der Welt. Geschickte Besteuerungen ließen beachtliches Vermögen nach Avignon fließen. 1348 kaufte Papst Clemens VI sogar die ganze Stadt. Im Jahr 1378 kam es dann zu einer Spaltung der lateinischen Kirche. Durch die konkurierenden Ansprüche auf den Papststuhl in Rom und Avignon, hielt die Stadt in der Provence den Sitz des Gegenpapstes, noch während in Rom wieder ein Papst als Oberhaupt amtierte. Das Schisma endete 1417 mit der Absetzung des Gegenpapstes Benedikt XIII. Auch als die Zeit der Päpste in Avignon vorbei war, blieb die Stadt bis 1791 Eigentum der Kirche. Die berühmte Brücke von Avignon bildete in jener Zeit die Grenze zwischen dem Königreich Frankreich und der päpstlichen Enklave.

Das Histo-Pad versetzt historische Orte mittels augmented Reality und 3D-Inszenierungen in den mutmaßlichen Originalzustand. Hier die Privatkapelle von Papst Clemens VI im Papstpalast von Avignon. Heute werden hier Kunstausstellungen gezeigt, wie die Fotoausstellung Amazonia von Sebastião Salgado / © Foto: Georg Berg
Das Histo-Pad zeigt historische Orte mittels augmented Reality und 3D-Inszenierungen im mutmaßlichen Originalzustand. Hier die Privatkapelle von Papst Clemens VI im Papstpalast von Avignon. Heute werden Kunstausstellungen gezeigt, wie die Fotoausstellung Amazonia von Sebastião Salgado / © Foto: Georg Berg

Blick in die Vergangenheit

Der Eintritt in den Papstpalast beinhaltet auch ein Histopad. Das Tablet wird per Touchscreen bedient. 25 Räume sind für Besucher geöffnet. In den meisten Räumen stehen Konsolen in der Mitte des Raumes. Mit dem Histopad wird in jedem Raum ein Code gescannt und schon taucht man als Besucher ein in das 14. Jahrhundert. Egal wohin man sich mit dem Tablet in der Hand dreht, es zeigt die Einrichtung, so wie Historiker und Wissenschafter sie rekonstruiert haben. Die Wände leuchten in bunten Naturfarben, die Holzdecken sind mit Verzierungen bemalt. Die Residenz des Stellvertreter Gottes war für spätmittelalterliche Maßstäbe luxuriös ausgestattet. Avignon war zu jeder Zeit bekannt für pompöse Feste. Mit Hilfe des Histopads werden lange Tischreihen für ein Bankett oder das Studierzimmer des Papstes real. Besonders praktisch ist aber, dass die computergestützte Realität die anderen Besucher beim Blick auf das Tablet unsichtbar werden lässt. So stört es wenig, wenn eine größere Besuchergruppe die Schatzkammer flutet oder in der Privatkapelle von Clemens VI, la chapelle Clementine, gerade eine Ausstellung den Raum füllt. Ein Stadtrundgang mit professioneller Führung ist sehr empfehlenswert, so lernt man viel über die Geschichte, kann Fragen stellen und bekommt Anekdoten erzählt, die in keinem Reiseführer stehen.

Mit dem Histopad lässt sich der Papstpalast von Avignon in seiem mutmaßlichen Urzustand betrachten / © Foto: Georg Berg
Mit dem Histopad lässt sich der Papstpalast von Avignon in seinem mutmaßlichen Urzustand betrachten / © Foto: Georg Berg

Theaterfestival in Avignon

Jedes Jahr in den letzten drei Juliwochen verwandelt sich Avignon in eine einzige Theaterbühne, wenn das Festival für Tanz, Theater und Gesang stattfindet. Gespielt wird auf den großen Bühnen der Stadt genauso wie in privaten Hinterhöfen, in den Cafés oder auf den kleinen Plätzen. In dieser Zeit gastieren nahezu 8.000 Künstlerinnen und Künstler in Avignon und performen verteilt auf 130 Spielstätten. Gegründet wurde das Festival bereits 1947 von Jean Vilar, einem französischen Schauspieler und Theaterregisseur. Eine der größten Bühnen ist der Innenhof im Papstpalast. Während am Hauptportal ein riesiges Plakat auf die Ausstellung Amazonia des bekannten Fotografen Sebastiao Salgado aufmerksam macht, entsteht im Innenhof eine den Hof füllende Bühne. Es wirkt geradezu spielerisch leicht, wie dieser geschichtsträchtige Ort mit seinen mächtigen Mauern dank Histopad und Augmented Reality zum einen und Umwidmung zur Kulturstätte für Ausstellungen und Konzerte zum anderen, in das lebendige Kulturleben von Avignon einbezogen wird.

Der Innenhof im Papstpalast von  Avignon verwandet sich zum jährlichen Theaterfestival in eine große Open-Air Bühne / © Foto: Georg Berg
Der Innenhof im Papstpalast von Avignon verwandet sich zum jährlichen Theaterfestival in eine große Open-Air Bühne / © Foto: Georg Berg

Die Theaterfenster von Avignon

Im Jahr 1986 begannen die Künstlerin Marion Pochy und der Künstler Dominique Durand mit der Gestaltung von zugemauerten Fenstern, die sich an vielen Gebäuden der Altstadt finden. Bis heute sind es 70 Fenster, die als große Wandgemälde Bezug nehmen auf berühmte Inszenierungen der Festivalgeschichte.

Wandgemälde - Serie von Marion Pochy und Dominique Durand für das Theaterfestival von Avignon mit Bezug auf berühmte Inszenierungen. Hier die Nacht des Königs von William Shakespeare inszeniert von Ariane Mnouchkine, 1982, Rue Molière. 1986 begannen die Künstlerin Marion Pochy und der Künstler Dominique Durand mit der Gestaltung von zugemauerten Fenstern, die sich an vielen Gebäuden der Altstadt von Avignon finden.  / © Foto: Georg Berg
Wandgemälde – Serie von Marion Pochy und Dominique Durand für das Theaterfestival von Avignon mit Bezug auf berühmte Inszenierungen. Hier die Nacht des Königs von William Shakespeare inszeniert von Ariane Mnouchkine, 1982, Rue Molière © Foto: Georg Berg

Bekannte Gestalten der Theatergeschichte blicken aus dem Fenster auf die vorbeigehenden Passanten. Richard III lehnt grübelnd an einer Säule, unvermittelt blickt einem Pablo Picasso in der Rue Corneile in die Augen, in der Rue Molière schaut der Clown Bip traurig auf die Straße und Festivalgründer Jean Vilar brilliert in einer Shakespeare-Rolle. Also Kopf hoch, auch wer außerhalb der quirligen Festivaltage durch Avignon läuft, bekommt immer einen Hauch Theateratmosphäre geboten.

Wandgemälde - Serie von Marion Pochy und Dominique Durand für das Theaterfestival von Avignon mit Bezug auf berühmte Inszenierungen. Hier Paso Doble von Miquel Barcelo und Josef Jadj, 2006. 1986 begannen die Künstlerin Marion Pochy und der Künstler Dominique Durand mit der Gestaltung von zugemauerten Fenstern, die sich an vielen Gebäuden der Altstadt von Avignon finden / © Foto: Georg Berg
Wandgemälde – Serie von Marion Pochy und Dominique Durand für das Theaterfestival von Avignon mit Bezug auf berühmte Inszenierungen. Hier Paso Doble von Miquel Barcelo und Josef Jadj, 2006 © Foto: Georg Berg

Mehr Informationen über das aktuelle Kulturprogramm in Avignon auf der Webseite von Avignon Tourisme. Für Festival-Fans geht es hier zu einer Übersicht der Spielstätten in oft beeindruckender historischer Kulisse. Gut zu wissen für die Anreise mit dem eigenen Auto: Auf der Île de la Barthelasse, einer großen Flussinsel in der Rhône, gibt es einen kostenlosen Großparkplatz. Von hier pendeln Shuttlebusse, die wochentags kostenlos sind und am Wochenende ca. 2 Euro kosten, zur Porte de l’Oulle. Direkt hinter dem Stadttor empfängt Avignon seine Besucher mit Straßencafés und Restaurants. 

Die Recherchen vor Ort wurden von Avignon Tourismus unterstützt.

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