Semana Santa – Osterwoche in Cuenca

Die historische Stadt Cuenca in Kastilien-La Mancha thront auf einem Kalksteinfelsen zwischen den Flüssen Júcar und Huécar. Seit 1996 zählt die UNESCO die Altstadt (Ciudad Vieja) zum Weltkulturerbe und würdigt dabei die harmonische Verbindung von Architektur und Natur.

Cuenca liegt eingebettet in eine felsige Landschaft.  Die Altstadt mit der mächtigen Kathedrale ist auf einer Klippe erbaut. Links mit den überdachten Balkonen ist in einem der Casas Colgadas das Museum für Abstrakte Spanische Kunst untergebracht / © Foto: Georg Berg
Cuenca liegt eingebettet in eine felsige Landschaft. Die Altstadt mit der mächtigen Kathedrale ist auf einer Klippe erbaut. Links mit den überdachten Balkonen ist in einem der Casas Colgadas das Museum für Abstrakte Spanische Kunst untergebracht / © Foto: Georg Berg

Ganzjährig lockt die mittelalterliche Altstadt mit den berühmten Casas Colgadas (Hängenden Häusern) Besucher an. Doch während der Semana Santa, der Karwoche vor Ostern, entfaltet Cuenca eine unvergleichliche Atmosphäre. Die Bräuche dieser Woche sind tief in der spanischen Kultur verwurzelt. Menschen aller Altersgruppen und Hintergründe nehmen teil – ob als Zuschauer oder aktive Mitgestalter, unabhängig von ihrer alltäglichen Religiosität.

An der Karfreitagsprozession En el Calvario in Cuenca nehmen schon die Kleinsten teil / © Foto: Georg Berg
An der Karfreitagsprozession En el Calvario in Cuenca nehmen schon die Kleinsten teil / © Foto: Georg Berg

Hermandades: Wächter der Tradition

Die Hermandades (Bruderschaften) prägen die Semana Santa. Sie organisieren die elf Prozessionen, die Cuenca in dieser Woche durchziehen. In der Stadt gibt es 33 Bruderschaften mit über 40.000 Mitgliedern – eine beeindruckende Zahl für eine Stadt mit nur 55.000 Einwohnern.

Die Archicofradía de Paz y Caridad ist eine eigenständige und sehr alte Bruderschaft in Cuenca. Sie vereint mehrere Hermandades und organisiert eine eigene Prozession am Gründonnerstag. Mitglieder aller zugehörigen Hermandades nehmen in ihren jeweiligen Habitfarben an dieser Prozession teil. / © Foto: Georg Berg
Die Archicofradía de Paz y Caridad ist eine eigenständige und sehr alte Bruderschaft in Cuenca. Sie vereint mehrere Hermandades und organisiert eine eigene Prozession am Gründonnerstag. Mitglieder aller zugehörigen Hermandades nehmen in ihren jeweiligen Habitfarben an dieser Prozession teil. / © Foto: Georg Berg

Die Nazarenos (Büßer) jeder Bruderschaft tragen ihre unverwechselbaren Gewänder. Sie bestehen typischerweise aus einer Tunika, einem spitzen Hut (Capirote) und einer Gesichtsmaske. Die Farben der Gewänder symbolisieren verschiedene Aspekte der Passion Christi.

Karfreitagsprozession En el Calvario in Cuenca. Bei einer Verschnaufpause auf dem Plaza Mayor sind die Menschen, die sonst unter den Capirotes verdeckt sind, als Individuen zu erkennen / © Foto: Georg Berg
Karfreitagsprozession En el Calvario in Cuenca. Bei einer Verschnaufpause auf dem Plaza Mayor sind die Menschen, die sonst unter den Capirotes verdeckt sind, zu erkennen / © Foto: Georg Berg

Seit den 1980er-Jahren nehmen Frauen als vollwertige Mitglieder an den Hermandades teil. Heute stellen sie in vielen Bruderschaften etwa ein Drittel der Mitglieder – Tendenz steigend.

Mehrere Pasos auf der Karfreitagsprozession En el Calvario vor der Kathedrale von Cuenca / © Foto: Georg Berg
Mehrere Pasos auf der Karfreitagsprozession En el Calvario vor der Kathedrale von Cuenca / © Foto: Georg Berg

Pasos: Kunstwerke auf Schultern

Die Pasos – kunstvoll gestaltete Plattformen mit Szenen der Passion Christi – sind das Herzstück der Prozessionen. Mitglieder der Bruderschaften tragen sie auf Schultern durch die engen Gassen der Stadt.

Anwesenheitsappell der Hermanidad de San Pedro Apóstol vor der Procesión de Silencio in der Iglesia San Pedro. Im Hintergrund der Paso, der Petrus nach der Gefangennahme Christi darstellt, wie der dem Diener Malchus ein Ohr abschlägt / © Foto: Georg Berg
Anwesenheitsappell der Hermanidad de San Pedro Apóstol vor der Procesión de Silencio in der Iglesia San Pedro. Im Hintergrund der Paso, der Petrus nach der Gefangennahme Christi darstellt, wie der dem Diener Malchus ein Ohr abschlägt / © Foto: Georg Berg

Das Tragen eines Paso gilt als Ehre, bringt aber auch Kosten mit sich. Bis zu 2.000 Euro zahlen Mitglieder, um diese Last zu schultern. Manche Pasos wiegen bis zu 2.500 Kilogramm und erfordern 40 Costaleros (Träger), die sie durch die steilen, gepflasterten Straßen der Altstadt manövrieren. Die körperliche Anstrengung ist enorm, besonders bei Prozessionen, die bis zu sechs Stunden dauern.

Zwischen Tradition und Gegenwart

Die Semana Santa in Cuenca verbindet tief verwurzelte Tradition mit lebendiger Gegenwart. Die Prozessionen sind mehr als religiöse Rituale – sie spiegeln die Identität und den Zusammenhalt der Stadt wider. Als Besucher fühlt man sich in Cuenca auch dann willkommen, wenn die kleine Stadt während der Semana Santa zum Bersten voll ist. Anscheinend wollen alle zur würdevollen Gestaltung des Festes beitragen.

Viele Menschen  besuchen die Gründonnerstags-Prozession in Cuenca / © Foto: Georg Berg
Viele Menschen besuchen die Gründonnerstags-Prozession in Cuenca / © Foto: Georg Berg
Videoaufnahme einer Prozession mit einem Smartphone / © Foto: Georg Berg
Videoaufnahme einer Prozession mit einem Smartphone / © Foto: Georg Berg

Las Turbas: Lärm und Stille

Eine der ungewöhnlichsten Traditionen Spaniens findet in der Nacht zum Karfreitag statt. Vor der Pfarrkirche El Salvador versammelt sich eine riesige Menge. Mit Trommeln und Trompeten erzeugen sie einen ohrenbetäubenden Lärm. Sie hämmern an die Kirchentür, hinter der sich die Teilnehmer der Prozession auf den Leidensweg Christi vorbereiten.

Die Turbas de Cuenca haben die Karfreitag-Nacht durchgemacht und veranstalten vor der Iglesia Parroquial de El Salvador einen Lärm, der schon Stunden vor der Prozession in ganz Cuenca zu hören ist / © Foto: Georg Berg
Die Turbas de Cuenca haben die Karfreitag-Nacht durchgemacht und veranstalten vor der Iglesia Parroquial de El Salvador einen Lärm, der schon Stunden vor der Prozession in ganz Cuenca zu hören ist / © Foto: Georg Berg
In der Pfarrkirche El Salvador bereiten sich die Mitglieder der verschiedenen Bruderschaften auf die lange Prozession vor, die um 5:30 Uhr mit einer Art Spießrutenlauf beginnt / © Foto: Georg Berg
In der Pfarrkirche El Salvador bereiten sich die Mitglieder der verschiedenen Bruderschaften auf die lange Prozession vor, die um 5:30 Uhr mit einer Art Spießrutenlauf beginnt / © Foto: Georg Berg
Vorfreude und Nachdenklichkeit bei den Trägerinnen und Trägern der schweren Pasos / © Foto: Georg Berg
Vorfreude und Nachdenklichkeit bei den Trägerinnen und Trägern der schweren Pasos / © Foto: Georg Berg

Um 5:30 Uhr öffnen sich die Türen. Unter lautem Getöse tragen die Costaleros der Hermandad de Nuestro Padre Jesús Nazareno die Passionsfigur Jesus mit dem Kreuz hinaus. „Tirale, tirale“, ruft die Menge, während Trommler ihre Stöcke kreuzen und Zinktrompeten eine schaurige Disharmonie erzeugen. Die Szene stellt die feindselige Menge nach, die Jesus auf dem Weg zum Kalvarienberg verspottete.

Die Turbas de Cuenca haben die Karfreitag-Nacht durchgemacht und veranstalten mit Trommeln und Zinktrompeten (clarines) vor der Iglesia Parroquial de El Salvador einen Lärm, der schon Stunden vor der Prozession in ganz Cuenca zu hören ist / © Foto: Georg Berg
Die Turbas de Cuenca haben die Karfreitag-Nacht durchgemacht und veranstalten mit Trommeln und Zinktrompeten (clarines) vor der Iglesia Parroquial de El Salvador einen Lärm, der schon Stunden vor der Prozession in ganz Cuenca zu hören ist / © Foto: Georg Berg
Dichtes Gedränge schon früh am Karfreitagmorgen. Die Turbas  erzeugen vor der Pfaarrkirche El Salvador ein rohes Klangbild, das die dramatische Situation der Passion widerspiegeln soll / © Foto: Georg Berg
Dichtes Gedränge schon früh am Karfreitagmorgen. Die Turbas erzeugen vor der Pfaarrkirche El Salvador ein rohes Klangbild, das die dramatische Situation der Passion widerspiegeln soll / © Foto: Georg Berg
Einen ganz besonderen Bewegungsstil hat die Venerable Hermandad de San Juan Evangelista, deren Paso den Lieblingsjünger von Jesus Christu abbildet.. Der Paso wird dabei nicht einfach nur vorangetragen, sondern erhält durch  rhythmisches Schaukeln oder Wiegen („bamboleo“) und leicht federndes Schwingen eine besondere Dynamik. Diese Bewegung symbolisiert die Jugend und Hoffnung, die mit dem Apostel Johannes verbunden werden / © Foto: Georg Berg
Einen ganz besonderen Bewegungsstil hat die Hermandad de San Juan Evangelista, deren Paso den Lieblingsjünger von Jesus Christu abbildet. Der Paso wird dabei nicht einfach nur vorangetragen, sondern erhält durch rhythmisches Schaukeln oder Wiegen (bamboleo) und leicht federndes Schwingen eine besondere Dynamik. Die Bewegung symbolisiert die mit dem Apostel Johannes verbundene Jugend und Hoffnung / © Foto: Georg Berg

Doch wenn als letzter Paso die Figur der Virgen de la Soledad erscheint, wandelt sich die Stimmung. Trommeln und Trompeten verstummen, die Menge hält inne, und eine ergreifende Stille erfüllt die Gassen. Aus dem Chaos der Turbas entsteht ein Moment tiefster Ehrfurcht.

Beim Anblick der Schmerzensmutter verstummt die Menge und trauert still mit / © Foto: Georg Berg
Beim Anblick der Schmerzensmutter verstummt die Menge und trauert still mit / © Foto: Georg Berg

Geräuschkulisse im Video

Das erste Video zeigt die Spitze der Prozession, bevor sie den Platz vor der Kathedrale erreicht.

Wenn die trauernde Jungfrau Maria auf den mit mehr als 5.000 Menschen dicht gefüllten Plaza Mayor vor der Kathedrale von Cuenca einzieht, bleiben die Turbas stumm.

Kulinarische Traditionen der Karwoche

Die Semana Santa in Cuenca ist nicht nur ein Fest für die Augen, sondern auch für den Gaumen. Viele Gerichte dieser Zeit folgen den Fastnvorschriften der katholischen Kirche. Ein Klassiker ist der Potaje de Vigilia – ein Eintopf aus Kichererbsen, Spinat und Kabeljau, der traditionell am Karfreitag serviert wird. Süße Spezialitäten wie die Torrijas (in Wein oder Milch getränktes, frittiertes Brot mit Honig und Zimt) und die Flores de Semana Santa (frittierte Teigblumen mit Honig) erfreuen sich großer Beliebtheit. Bäcker im ganzen Land bieten die in Milch getränkten Torrijas an und im Fernsehen laufen Kochshows rund um die besten Rezepte.

Vor der Prozession des Verzeihens (Procesión del Perdón) stärken sich zahlreiche Mitglieder der Hermandad del Bautismo de Nuestro Señor Jesucristo vor der Kirche San Pedro. Hornazo, ein mit Schinken, Chorizo und Ei gefülltes Brot ist die typische Marschverpflegung der Costaleros / © Foto: Georg Berg
Vor der Prozession des Verzeihens (Procesión del Perdón) stärken sich zahlreiche Mitglieder der Hermandad del Bautismo de Nuestro Señor Jesucristo vor der Kirche San Pedro. Hornazo, ein mit Schinken, Chorizo und Ei gefülltes Brot ist die typische Marschverpflegung der Costaleros / © Foto: Georg Berg

Praktische Tipps und kulturelle Feinheiten

Wer die Semana Santa in Cuenca erleben möchte, sollte frühzeitig buchen, da Hotels schnell ausgebucht sind. Ein Besuch lohnt sich – sei es wegen der religiösen Bedeutung, der kulturellen Tradition oder der einzigartigen Atmosphäre. Empfehlenswert ist das zentral gelegene Hotel Convento del Girald, ein ehemaliges Kloster aus dem 17. Jahrhundert. Die zweite Etage wird immer noch von den Ordensschwestern genutzt und bleibt Hotelgästen verschlossen.

Ein Fauxpas wäre es, die spitzen Kapuzen der Prozessionsteilnehmer mit dem Ku-Klux-Klan zu vergleichen. Dieser Vergleich ist historisch und kulturell falsch und verkennt die religiöse Bedeutung der Capirotes. Diese spitzen Kapuzen, Teil einer jahrhundertealten katholischen Bußtradition, symbolisieren Demut, Reue und Anonymität vor Gott.

Ebenso unangebracht ist es inzwischen, die Karfreitagsprozession als Prozession der Säufer (Procesión de los Borrachos) zu bezeichnen. Die Prozession Las Turbas, offiziell Camino del Calvario, gehört zu den ältesten und symbolträchtigsten Traditionen der Stadt. Sie reicht bis ins Jahr 1616 zurück und ist tief in der Identität Cuencas verwurzelt.

Die Recherchereise wurde von Cuenca Turismo und dem Spanischen Fremdenverkehrsamt Turespaña unterstützt.

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