
Die Fahne sollte man sich schon mal merken, denn sie gehört dem vermutlich 194. Mitgliedsstaat der Vereinten Nationen. Ein rot-weißes Emblem in der Mitte stellt die typische Kopfbedeckung der frisch initiierten Jünglinge dar. Schwarz steht für die bemerkenswert dunkle Hautfarbe der Einwohner. Ein grün-weißer Zickzack-Ring und die blaue Fläche symbolisieren fruchtbare Inseln mit Muschel-Währung im Pazifischen Ozean.


Ausgelassene Aufbruchsstimmung
300.000 Menschen verteilen sich auf mehrere Volksgruppen, die relativ abgeschieden voneinander leben. Obwohl sie 30 verschiedenen Sprachen sprechen und durch die zerklüftete Landschaft wenige Berührungspunkte haben, vereint inzwischen alle die gute Laune, mit der sie sich auf die Unabhängigkeit ihres Landes freuen.

Die wirtschaftliche Zukunft des Landes ist allerdings noch von den auszuhandelnden Handelsabkommen abhängig. Der Tourismussektor könnte eine der wichtigsten Einnahmequellen sein und den Menschen eine Entwicklungsperspektive geben.

Kolonialzeit und Bürgerkrieg sind überwunden
Mit dem australischen Expeditionsschiff True North ankern wir vor Bougainville und haben einen prominenten Gast an Bord. Raymond Masono ist Vizepräsident der autonomen Provinz Bougainville, die 1975 ohne Berücksichtigung ihrer kulturellen Wurzeln dem neuen Staat Papua Neuguinea zugeschlagen wurde. Dieses Gebiet stand nach der Kolonialzeit seit 1947 als Treuhandgebiet unter australischem Protektorat.

Es ist nicht verwunderlich, dass die australischen Passagiere sich gezielt danach erkundigen, ob es wieder Kupferbergbau geben wird. War doch der weltgrößte Tagebau in der australisch gemanagten Panguna-Mine verantwortlich für eine großflächige Umweltzerstörung und damit auch ursächlich für einen zehnjährigen Bürgerkrieg gegen die Armee der Zentralregierung.

Der stellvertretende Regierungschef Masono ist auch für das Bergbauressort zuständig und stellt klar, dass eine Genehmigung für den Kupferbergbau nur Firmen möglich sein wird, die zuerst das vergiftete Tal unterhalb der Panguna-Mine wieder bewohnbar machen.

Zur Zeit des Treffens im Dezember 2019 ist Raymond Masono Mitglied der Kommission, die mit der Zentralregierung Papua Neuguineas die Bedingungen des Austritts und der Übergangsphase verhandelt. Formell muss das Parlament in der Hauptstadt Port Morsby anschließend die Unabhängigkeit seiner ehemals autonomen Region noch bestätigen. Die Zustimmung gilt jedoch als reine Formsache. Zu erdrückend war beim Referendum im Dezember 2019 die Mehrheit von 98 Prozent der Stimmen für die Unabhängigkeit Bougainvilles.

Die Unabhängigkeitsabstimmung wurde von einer internationalen Kommission vorbereitet. Da zunächst alle stimmberechtigten Wähler registriert werden mussten, ist eine aktuelle Bestandsaufnahme der Bevölkerungsdaten und der Infrastruktur des Landes entstanden.
Aktive Vulkane aus der Luft erkunden
Auf der Insel Bougainville gibt es einige aktive Vulkane, die schwer zugänglich und am besten aus dem bordeigenen Hubschrauber der True North zu sehen sind.

Die alte Hauptstadt soll wieder zum Leben erwachen
Von 1968 bis 1989 war Kieta die Hauptstadt Bougainvilles. Im Bürgerkrieg wurden fast alle Gebäude der Stadt von der Armee Papua Neuguineas zerstört und die Überlebenden mussten in die Berge flüchten. Vom hohen Gras noch nicht ganz überwuchert sind die Waffen des Kriegs. Heute klettern Jugendliche auf hohe Bäume und schwingen sich akrobatisch an langen Seilen ins Meer. Die wenigen Erwachsenen, die wir im Ort antreffen, erinnern sich noch mit Schrecken an die Luftangriffe, denen damals viele Freunde und Verwandte zum Opfer fielen.
Musik und Tanz laden zum Mitmachen ein
Fester Bestandteil des musikalischen Repertoires auf der Insel Bougainville sind die Songs aus der Zeit des Embargos. Während einer zehnjährigen Seeblockade war die Insel von jeglichem Import abgeschnitten. Die Besinnung auf traditionelle Naturmedizin, Ideenaustausch und handwerkliches Improvisationstalent haben die Bevölkerung zusammengeschweißt und aus der Not eine Tugend gemacht.
Alle Bevölkerungsgruppen auf Bougainville leben nach dem matrilinearen Erbschaftsprinzip. Verwandtschaftsbeziehungen und Familienbesitz werden von der Mutter auf die Töchter vererbt. Auch die Söhne erhalten den Familiennamen ihrer Mutter.
Ergänzende Literatur: Georg Berg, Aufbruchstimmung, Bougainville stimmt nach Öko-Revolution für Unabhängigkeit, Politik & Kultur 02/2020 (pdf, 428 KB)
Spuren des Zweiten Weltkriegs im Dschungel
Im europäischen Bewusstsein findet kaum Beachtung, was während der Weltkriege im pazifischen Raum geschah. Bougainville war im Zweiten Weltkrieg zwischen Japan und den mit Australien und Neuseeland verbündeten Vereinigten Staaten hart umkämpft. Tief im Dschungel liegt noch das Flugzeugwrack, in dem der japanische Admiral saß, der den Angriff auf den US-Flottenstützpunkt Pearl Harbor befohlen hat.
Reportage über eine ungewöhnliche Mission: Yamamoto Wrack im Dschungel von Bougainville
Reisehinweise: Australien für europäische Touristen
Die Kosten der Schiffsreise wurden der Redaktion nicht berechnet