Auf dem Wanderweg der Inselmeere
Es geht um totale Entspannung, als ich mit Headset und Messsonden an Ohrläppchen und Stirn im Archipellago Museum in Faaborg sitze. Mit sanftem Meeresrauschen auf den Ohren und entspannungsgeschult durch 15 Jahre Yogapraxis sollte es für mich doch ein Leichtes sein, alle Gedanken loszulassen. Denn nur, wenn mir das gelingt, würden auf dem Display die rot gefärbten Gehirnhälften in tiefenentspanntes Blau übergehen. Leider blieb das blaue Wunder aus. Der Versuchsaufbau im neuen Museum für innere und äußere Landschaften schien defekt zu sein. Zum Glück ist aber die Natur auf der dänischen Insel Fünen vollkommen intakt. Ruhe und Entspannung als Impuls der Natur erfahren wir wenig später auf einer mehrtägigen Wanderung durch das südfünische Inselmeer.
Die Spuren der letzten Eiszeit
Die dänische Südsee ist geologisch betrachtet eine überschwemmte Eiszeitlandschaft. Am Ende der letzten Eiszeit ertrank das Land durch einen dramatischen Meeresanstieg. Zurück blieben Inseln und kleine Eilande, die heute mit Brücken, Fähren oder bei Ebbe zu Fuß erreichbar sind. Die besondere Landschaft von Fünen, der zweitgrößten Insel Dänemarks und ihren Nachbarinseln fällt sofort auf. Man erwartet flaches Marschland, wird aber überrascht von einer sanften Hügellandschaft, in der sich Wasser und Weiden sowie Felder und Wälder abwechseln.
Von Fünen über Tasinge nach Langeland
Der Wanderweg des Inselmeeres hat eine Gesamtlänge von 220 Kilometern. Wir wandern in drei Tagen einen rund 70 Kilometer langen Teilabschnitt von Troense über die Brücke nach Rudköbing auf Langeland. Von dort weiter nach Tranekær. Der schönste Abschnitt wartet an Tag drei auf uns. Mit dem Bus geht es von Tranekær nach Lohals und wir wandern gut 15 Kilometer auf einem abwechslungsreichen Pfad direkt am Meer entlang zurück zum Ausgangspunkt. Die Buchung eines Gepäckservice für eine mehrtätige Wanderung ist möglich. Der Tourenanbieter Vagabond Tours, mit einem eigenen Büro auf den Inseln, bietet vorgeplante Touren an. Dann wird man mit Kartenmaterial und Gepäcktransport sowie einem Buchungsservice für die Unterkünfte versorgt. Bei Wanderungen auf den kleineren und einsameren Inseln ist das Buchen der Unterkünfte unbedingt empfehlenswert, denn die Anzahl an Hotels und B&B’s ist nicht sehr groß.
Das Schifferdorf Troense
Troense wurde im 18. Jahrhundert in seiner heutigen Form angelegt. Alte Fachwerkhäuser, von denen viele ein Reetdach tragen, prägen den Dorfcharakter. Troense war ein Knotenpunkt für Schifffahrt und Überseehandel, ja sogar für die Ausbildung von Schiffsbauern. Zweites wirtschaftliches Standbein der damaligen Zeit war der Obstanbau. Um alle Häuser in Troense wurden Obstbäume gepflanzt.
Loppemarked – Flohmärkte am Wegesrand
Schon auf Fünen sind uns die vielen Hausflohmärkte aufgefallen. Ganze Kleiderschränke werden an die Straße gerückt und sollen zum Spontankauf animieren. Die Bezahlung läuft auf Vertrauensbasis. Preise sind angegeben und das Geld kann in eine Blechbüchse gelegt werden. Auch auf unserer Wanderstrecke stehen Floh-Tische am Wegesrand.
Südlich von Troense beginnt Norreskoven, ein Wald mit sehr altem Baumbestand. Am Ende des Waldstücks wartet ein besonders imposanten Exemplar. Die 500 Jahre alte Ambrosius-Eiche. Sie hat ihren Namen vom Dichter Ambrosius Stub, im 18. Jahrhundert Hauspoet auf Schloss Valdemar. Ambrosius liebte es, unter der Eiche zu lesen.
Kurz bevor wir am ersten Tag der Wanderung die erste Brücke zur kleinen Zwischeninsel Siø erreichen, müssen wir uns und die Kamera regensicher machen. Das erste Herbst-Sturmtief nimmt Fahrt auf und der Regen setzt ein. So wandern wir mit strammen Schritt über Brücken und das Inselchen. Siø wurde im 19. Jahrhundert eingedämmt, um mehr Fläche als Weideland zu nutzen. Viel gibt es hier also nicht zu erkunden. Von Siø aus geht es hoch auf die zweite Brücke, an deren Ende die einzige Stadt der Insel Langeland liegt.
Rudkøbing – einzige Stadt auf Langeland
Ende September herrscht in Rudkøbing schon die beschauliche Nebensaison. Im Sommer ein beliebtes Tagesausflugsziel mit kleinen Geschäften und Cafés, ist nun Ruhe eingekehrt. Der berühmteste Sohn der Stadt ist der Physiker Hans-Christian Örsted. Er wurde 1777 in der alten Apotheke am Gänsemarkt geboren. Heute erinnert dort eine Statue an ihn.
Schnelles Internet und schneeweiße Kirchen
Am zweiten Tag der Wanderung verlassen wir Rudkøbing Richtung Norden. Ab hier wird es ländlich. Der Weg führt erst am Sund entlang und wendet sich dann schnell der Inselmitte zu. Keine Ortschaft auf Langeland ist mehr als fünf Kilometer vom Meer entfernt. Felder, Waldabschnitte und Gehöfte wechseln sich ab. Das Dorf Tullebölle haben wir für eine Pause ausgemacht. So verschlafen es hier auch aussehen mag, kommt auch Bewunderung und Neid auf. Überall im Dorf sind orange gekleidete Männer dabei, ebenfalls orangefarbenen Kabel in die Erde zu verlegen. Auch der hinterste Bauernhof wird derzeit an das Glasfasernetz angeschlossen. Halleluja, einigermaßen beeindruckt lassen wir uns auf einer Bank an der schönen weißen Dorfkirche nieder.
Von Tullebölle geht es Richtung Baltische See. 25.000 Schiffe passieren jährlich die Tiefwasserroute. Die großen Fähren von Kiel nach Oslo kann man hier genauso beobachten wie die großen Frachtschiffe auf ihrem Weg von der Ostsee in die Weltmeere.
Tranekær – Schloss-Stadt an zwei Küsten
Von Tranekær sind es nur jeweils drei Kilometer zu beiden Küsten. Freunde der Sonne können also sowohl die Sonne über Lolland aufgehen sehen als auch den Sonnenuntergang über Fünen und Tasinge feiern. Das alles dominierende Gebäude in Tranekær ist das in der Abendsonne feuerrot leuchtende Schloss.
Sein berühmtester Bewohner war Anfang des 19. Jahrhunderts Frederick Ahlefeldt-Laurvig. Er war Generalmajor der Armee und das passte gut zu seiner Rolle als Lehensmann auf Schloss Tranekær. Er wurde von den Inselbewohnern nur der General genannt. Der General entwickelte Tranekær zur kleinen Hauptstadt der Grafschaft, die zeitweise Rudkøbing Konkurrenz machte. Er ließ eine Schule und ein Theater bauen. Ausländische Handwerker durften sich niederlassen. Ein Arzt und auch ein Kapellmeister wurden eingestellt.
Das Schloss Tranekær ist heute in Privatbesitz und nicht zu besichtigen. Aber im Pferdestall des Schlosses ist das Restaurant Generalen mit regionaler Küche. Gäste sitzen in den schmiedeeisernen Pferdeboxen. Eine Übernachtungsmöglichkeit gibt es sogar im ehemaligen Hühnerhaus des Schlosses. Das Honsehuset ist ein Bed&Breakfast.
Die Strecke von Lohals nach Tranekær ist einmalig schön, da man hier fast die ganze Zeit an der Küste entlang läuft. Man wird vom Geräusch des Meeres begleitet. Oftmals ist das Meer gar nicht zu sehen, denn hochgewachsene und vom Wind gebogene Hecken formen sich zu einem Hohlweg.
Im September blühen immer noch Buschrosen in Pink und Rot und die dicken Früchte der Kartoffelrose leuchten mit den Hagebutten um die Wette.
Es gibt Abschnitte, an denen sich Felder bis an die Küste ausdehnen und man beim Wandern Rebhühner aufscheucht, die in kleinen Ackermulden ein Staub- und Sonnenbad nehmen. Im dichten Buschwerk aus Schlehen, Brombeeren und Hagebutten sitzen Vogelschwärme und Rehe kommen zum Fressen bis an den Strand. In kurzen Abständen wechseln hier die Landschaften. Für einen kurzen Abschnitt lang ist man in einem Wald aus riesigen Buchen. Wie graue Elefantenbeine stehen sie im Gras. Das Meer ist stets in Sichtweite.
Auf dem Weg stößt man bisweilen auf Spuren einer verschwundenen Ziegelei. Denn westlich von Eggeloke wurde der tonhaltige Lehm direkt an der Küste zu Ziegeln verarbeitet. Sie ist vor langer Zeit vom Meer verschluckt worden. Aber Ziegelreste kann man hier bis heute finden.
Wie auf einem Teppich geht es den größten Teil der Strecke von Lohals nach Tranekær über Wiesen, Sand und Waldwege. Das ist sehr gelenkschonend. Doch noch mehr wiegt der Entspannungsfaktor, denn das ewige Rauschen des Meeres und die abwechslungsreiche Natur durch die ich nahezu ohne Anstrengung luafe, versetzen mich im Laufe dieser Wanderung in einen Zustand der totalen Entspannung. Das blaue Wunder, das im Museum in Faaborg noch ausgeblieben war, die Natur des südfünischen Inselmeers bringt es zustande.
Reisetipps:
Der dänische Tourplaner Vagabond Tours bietet Wandertouren für Dänen in ganz Europa an. Aber auch Touren in Dänemark, darunter die hier beschriebene Tour durch das südfünischen Inselmeer. Die Webseite ist leider nur auf Dänisch, aber die Mitarbeiter sprechen bei Kontaktaufnahme Englisch.
Zur Einstimmung einer Wanderung auf Fyn bzw Fünen oder den umliegenden Inseln Aero oder Langeland ist ein Besuch im neuen Archipellago Museum in Faaborg, im Süden von Fyn sehr zu empfehlen. Auch hier ist die Webseite nur auf Dänisch. Die Audioguides im Museum sind aber auf Englisch erhältlich.
Einen guten Gesamtüberblick für die Planung einer Reise auf die dänische Insel Fyn bietet die Webseite VisitFyn. Übersichtich sortiert nach Outdoor-Aktiviäten, Städtetrip nach Odense oder Kuliniarisches und diesmal auch alles auf Deutsch.
Die Recherchereise wurde vor Ort teilweise vom Tourismus-Verband Fyn unterstützt