Einst lag Waldeck auf der Handelsroute zwischen Franken und Böhmen. Diesen strategischen Vorteil machte sich das Dorf nach einem Unglück im Jahre 1794 zu nutze. Das alte Waldeck schmiegte sich an den Schlossberg. Bei einem Brand wurde es vollständig zerstört. Für die Abbrandler, wie man die Bewohner fortan nannte, wurde auf dem Reißbrett von Baumeister Heinrich Dobmayer ein neues Dorf geplant. Diesmal besser zugänglich an der Handelsstraße gelegen und pragmatisch mit einem Straßenzug in L-Form, der noch heute gut zu erkennen ist.
In dieser historischen Häuserzeile standen in den letzten Jahren mehr und mehr Häuser leer. Die Handelswege von einst, sind heute Wander- oder Fahrradrouten. Der Warenverkehr hat sich auf Autobahn und Schiene verlegt. Waldeck liegt nun abseits gängiger Routen, aber voll im Trend neuer touristischer Konzepte. Wie beim italienischen Albergo Diffuso, wo Dörfer, aus denen die Jugend fortgezogen ist, zu idyllischen Ferienorten für Stadtmenschen werden.
Lange bevor Homing als Trend an Fahrt aufnahm und Corona uns mit Staycation auf das Schöne und Entdeckenswerte im eigenen Land verwies, begann Elisabeth Zintl damit, leerstehende Dorfhäuser in gemütliche Urlaubsrefugien für Familien, Gruppen oder Paare umzubauen. So werden Reisende in Waldeck in der Oberpfalz zu Gästen mitten im Dorf.
Albergo Diffuso auf Bayerisch
Die Ferienhäuser der Hollerhöfe lassen Raum für Phantasie. Eine moderne Einrichtung trifft auf alte, liebevoll restaurierte Substanz. Es ist gemütlich und doch kann man sich als Gast mühelos vorstellen, wie die Menschen hier vor 200 Jahren gelebt haben.
Die gebürtige Waldeckerin Elisabeth Zintl ist in ihrem Dorf geblieben und hat nun schon vier dieser verlassenen Häuser umgebaut. Das Wesentliche wird dabei erhalten, der Denkmalschutz beachtet und doch Neues geschaffen. So entstehen über die Jahre das Schusterhaus, das Schreiberhaus, die Kanzlei und das Kößlerhaus sowie mehrere Scheunen und ein großes Areal, auf dem die Gäste der Hollerhöfe entspannen und Kinder spielen können.
Altes Mauerwerk und Balken sind zu sehen. Wandschränke, die Vorläufer unsere Kühlschränke, blieben erhalten. Im Schusterhaus wurde das schwarze Gestein des Kaminzugs als spannende Kulisse für ein modernes Bad einbezogen. Im Schreiberhaus hängt eine Nestschaukel vom Balken. In der renovierten Scheune ist Platz für Tagungen und Hochzeitsfeiern und in der Manufaktur finden Koch-Events statt.
Mitten auf der Kräuterwiese steht ein Tiny House, die moderne Form eines Bauwagens, für Meetings im kleinen Kreis oder als Arbeitsplatz mit Blick in die Oberpfälzer Hügellandschaft. Die Hollerhöfe sind ein Ferienidyll mit einer Prise Geschichte sowie Gemütlichkeit und Komfort und jeder Menge Natur vor der Haustür.
Essbare Pflanzen im ersten deutschen Wildpflanzenpark
Direkt an den Hollerhöfen beginnt ein rund fünf Kilometer langer Erlebnisweg. Er schlängelt sich durch die Landschaft und verbindet insgesamt 13 Teilflächen des ersten Essbaren Wildpflanzen Parks in Deutschland, kurz Ewilpa. Die vorhandene Natur wurde durch Wildfrucht-Hecken, Baumhaine und bunt wuchernden Flächen voller Wildkräuter ergänzt.
Elisabeth Zintl’s Hausstrecke ist der Weg von den Hollerhöfen hoch zum Schlossberg. Allein auf dieser Strecke findet sie zahlreiche Kräuter, die sie zu einem Handstrauß pflückt. Dabei erzählt sie von der Idee einer nahrhaften Landschaft zum Anfassen und Genießen.
Im Ewilpa wird die bestehende Natur für die Besucher sichtbar gemacht. Die Natur bringt alles, war hier wächst selbst hervor, es wird nichts gepflegt. Abgesehen von ein paar Schafen, die ihre Arbeit tun und die Wiesen kurz halten. Hier finden sich Nahrungsmitteln, die auch satt machen. „Gesucht werden nicht nur Wildkräuter als Gewürz, sondern auch Pflanzen, aus denen ich eine ganze Mahlzeit bestreiten kann“, erklärt Elisabeth Zintl. So lassen sich Brennnesseln und Giersch zu einer Quiche zubereiten. Klettenlabkraut in Wasser eingelegt, macht dieses weich und gibt einen lieblichen Geschmack.
Akademie für Naturerlebnisse
Vieles im Park der essbaren Wildpflanzen ist auf die Jahrhunderte gewachsen, erklärt Elisabeth Zintl. Kastanien, Rotbuche, Walnussbaum, Haselnuss. Die Früchte dieser Bäume und Sträucher wurden früher gesammelt, um über den Winter zu kommen. Heute bringen ausgebildete Kräuterführer das alte Wissen wieder unter die Leute. „Unsere Region“, so Zintl, „erfährt eine eindeutige Belebung durch die vielen Wildpflanzen auf die nun die Kräuterführer folgen.“ Die Referenten absolvieren im Ewilpa eine Ausbildung für essbare Wildpflanzen und tragen dieses Thema in ihren Kursen und Führungen weiter. Am Schlossberg angekommen hat Elisabeth Zintl einen ganzen Handstrauß gepflückt, der später zurück in den Hollerhöfen in einem grünen Smoothie verarbeitet wird. Über die Naturerlebnis Akademie in Waldeck können Urlauber Führungen und Workshops buchen.
Die Glocke von Waldeck
Die Ruine der alten Burg Waldeck steht auf einem Vulkanhügel. Der Blick über Wald und Felder geht hier oben in alle Richtungen. Ob ins benachbarte Kemnath, nach Grafenwöhr oder Regensburg.
Die Dorfgemeinschaft von Waldeck setzt sich seit den 1980er Jahren für den Erhalt und teilweisen Wiederaufbau der Burgruine Waldeck ein. Ein besonderes Anliegen war dabei der Wiederaufbau der alten Burgkapelle samt einer Glocke, die vom Schlossberg schallen sollte. 2015 war es soweit. Die Sankt Anna Glocke wurde sogar vor Ort, in der Erde von Waldeck, gegossen. Seitdem hängt sie in einem Turm aus schlichten Eisenstehlen. Diese Glocke für alle schlägt seitdem zweimal am Tag, früh morgens und am Abend. Leonard Zintl akzeptierte bei der Realisierung von Burgkapelle und Glockenturm gemeinsam mit dem Geschichtsverein nicht die üblichen Widerstände. Seine Familie hat die Glocke gestiftet. Nun ist Zintl sogar eine Art moderner Glöckner, denn auf seinem Handy, so verrät seine Frau, hat er eine App, mit der er die Glocke schlagen lassen kann.
Die Oberpfalz – Bier als Kulturgut der Region
Die Oberpfalz ist ein guter Ort für Lehr- und Genussstunden zum Thema Bier. Es bieten sich Ausflüge in Nachbarorte wie Mitterteich oder Falkenberg an, um die mittelalterliche Zoiglkultur kennenzulernen. Elisabeth Zintl bring die Bierkultur aber auch direkt auf die Hollerhöfe in Gestalt von Bier-Sommelier Georg Hiernickel. Der gelernte Bierbrauer stammt aus einer fränkischen Brauereifamilie. Hiernickel hält einen kurzweiligen Vortrag und vereint dabei Wissenswertes und Humorvolles aus der Welt der Brauer, Mälzer und Biertrinker.
Es geht um die Bierproduktion in alter und neuer Zeit, um Rohstoffe und Reinheitsgebot und um die Vielfalt der Bieraromen, die es zu entdecken gibt. Wir lernen geschmeidiges Pils kennen und dass ein Bierglas viel über den Durst des Trinkenden verrät. Denn Bierschaum hinterlässt Spuren am Glasrand, an denen man die Zahl der Trinkpausen ablesen kann. Es geht um Hausbraubiere, Kellerbier, Zwickelbier und Märzen.
Die Dramaturgie des Abends erreicht, eingebettet in ein Vier-Gang Menü, mit einem Eisbockbier ihren Höhepunkt. Bockbiere haben einen hohen Restzuckergehalt und eignen sich besonders gut zum Stacheln. In das sehr kalte Bockbier wird dabei ein glühendes Eisen gehalten. Es bildet sich ein köstlicher cremiger Schaum, der nach Karamell und Schokolade schmeckt.
Burgen, Braurecht und ein Märchenwald
Urlaub im eigenen Land steht seit 2020 wieder hoch im Kurs. So manche kaum beachtete Region kommt coronabedingt als Reisealternative auf die Agenda und wird so zur Entdeckungsreise mit vielen positiven Eindrücken. Auch die Oberpfalz gehört zu den deutschen Regionen mit großem Überraschungspotential. Es gibt hier ein gut erschlossenes Wegenetz für Radfahrer. Von Bahntrassenwegen bis hin zu Radlerbussen und geführten Radtouren. Wanderer können zwischen unzähligen gut ausgeschilderten Wanderrouten wählen. Darunter auch ein Abschnitt des Qualitätswanderweges Goldsteig.
Ein Ausflugsziel, das gleich in dreierlei Hinsicht punktet, ist der Ort Falkenberg. Hier beginnt ein besonders wild-romantischer Wanderabschnitt entlang der Waldnaab. Der mächtige Burgfelsen der Burg Falkenberg gehört zu den schönsten Geotopen Bayerns. Die Burg wurde mit viel Engagement der Dorfgemeinschaft der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. In den Brunnenschacht des imposanten Granitfelsens wurde ein Aufzug gebaut und die Räume der Burg für Besucher auf spektakuläre Weise zugänglich gemacht. Auf Burg Falkenberg finden Tagungen und Hochzeiten statt. Es gibt acht Hotelzimmer. Auch hier, ähnlich wie auf den Hollerhöfen, atmet jedes Zimmer Geschichte. Dazu kommt noch ein wunderbarer Blick aus der hochgelegenen Burg hinab auf den Ort.
Unbedingt empfehlenswert ist ein Besuch des Burgmuseums. Es ist dem ehemaligen Burgherrn gewidmet. Friedrich Werner Graf von der Schulenburg war Diplomat. Schulenburg kauft und saniert das verfallene Gemäuer in den 1930er Jahren. Die Burg sollte sein Alterssitz werden. Doch Schulenburg wird von den Nationalsozialisten als Mitverschwörer des 20. Julis angeklagt und 1944 hingerichtet. Die Ausstellung auf Burg Falkenberg ist dem turbulenten Leben des Grafen gewidmet. In seinem Schicksal spiegelt sich auch die Geschichte des 20. Jahrhunderts.
Zoigl-Kultur in Falkenberg
Der dritte Grund für einen Besuch in Falkenberg ist die gelebte Zoiglkultur. Falkenberg gehört zu den fünf Orten in der Oberpfalz, in dem es Echtes Zoigl vom Kommunbrauer gibt. Mehrmals im Jahr steigt über dem alten Brauhaus schwarzer Rauch auf. Der klassische Brauprozess ist ein regionales Kulturgut. Gebraut wird der echte Zoigl durch die Brauberechtigten.
Beim Zoigl-Bier handelt sich um ein untergäriges unfiltriertes Bier. Das Zoiglbraurecht besteht zum Teil seit dem Mittelalter und ist fest mit Haus und Grundstück verbunden. Die Zoigl-Stuben brauen nach Bedarf. Die Zoigl-Tradition kann man in öffentlich zugänglichen Zoigl-Stuben erleben, die das Bier nach einem Zoigl-Kalender in wöchentlich wechselndem Turnus zusammen mit einfachen Gerichten anbieten.
Weitere Geschichten aus der Oberpfalz
Reportage über den traditionellen Brauprozess im Kommunbrauhaus Falkenberg
Reportage über den Besuch einer traditionellen Zoigl-Stube
Weiterführende Informationen
- Besuch auf Burg Falkenberg – Mehr über die Burg, als Hotel, Veranstaltungsort und Museum
- Weitere Informationen über das Hotel Hollerhöfe in Waldeck
- Naturakademie Markt Waldeck (ewilpa)
Die Kosten der Halbpension wurden vom Hotel nicht berechnet