Das Vasa-Museum, das Königliche Schloss oder das Stadshuset zählen stets zu den Top-Sehenswürdikgkeiten Stockholms. Reisetipps und Rankings rund um Gastronomie und Shopping gibt es reichlich, doch man kann nur hoffen, dass die Tippgeber auch selbst vor Ort waren und wissen wovon sie sprechen. Dann gibt es noch die Entdeckungen für den zweiten Blick. Bei einem Stadtrundgang durch Gamla Stan, der Altstadt Stockholms, haben wir viele dieser heimlichen Hingucker entdeckt. Möglich war dies nur mit Hilfe einer großartigen Stadtführerin, die uns die wichtigen Sehenswürdigkeiten zeigte, ohne die kleinen Dinge auszusparen.
Dieser Beitrag widmet sich den oft übersehenen Sehenswürdigkeiten und ist gleichzeitig ein Plädoyer für die Buchung einer Stadtführung. Geführte Touren lohnen sich fast immer, egal ob in einer Metropole oder an einem geschichtsträchtigen Ort. Stadtführungen erweitern das Geschichtswissen und Tipps aus erster Hand verhindern Fehlgriffe bei der Restaurantwahl und mindern die Angst, etwas Wichtiges zu verpassen.
Der Tratschspiegel
Es gibt keinen besseren Auftakt für die Liste der übersehenen Sehenswürdigkeiten, als diesen Tratschspiegel aus dem 18. Jahrhundert. Der Skvallerspegel, wie er auf schwedisch heißt, hängt an einigen Häusern in der Altstadt von Stockholm. Im 18. Jahrhundert durften Frauen nicht ohne männliche Begleitung auf die Straße gehen. Um sich die Zeit zu vertreiben und informiert zu bleiben, nutzten sie den nach außen gewölbten Spiegel und konnten so die Straße in beide Richtungen beobachten, ohne neugierig zu wirken. Statt sich die Nase an der Fensterscheibe platt zu drücken, konnten sie bei einer ausgedehnten Fika mit einer Freundin sitzen und über die Leute tratschen, die unten vorbeigingen.
Feiner Pinkel
Dieses Häuschen in Form einer Litfaßsäule ist hübsch anzusehen. Es steht auf Höhe der Nikolaikirche, zwischen Stor Torget und Schlossplatz. Es ist weder ein Wachhäuschen noch eine altertümliche Telefonzelle, sondern ein bis heute nutzbares Urinal.
Am Puls der Zeit
Lars Magnus Ericsson war ein schwedischer Erfinder und gründete 1876 die Firma Ericcson. Er selbst hielt die Erfindung des Telefons lange für ein Spielzeug reicher Leute. Doch er irrte sich und dank des guten Marketings seiner Firma gab es eine Zeit, in der Stockholm mehr Telefonkabinen hatte als New York, London oder Paris. Noch heute stehen einige dieser Kabinen in Stockholm. Statt Kabeltelefon hängt jedoch heute ein Defibrillator für Erste-Hilfe in der historischen Telefonkabine.
Im Zeichen des Phönix
Brända Tomten ist ein idyllischer Platz in Stockholms Altstadt. Der dreieickige Platz wurde nach dem großen Brand von 1740 als Wendeplatz für Pferdefuhrwerke angelegt. Zudem wurde eine Brandschutzversicherung eingeführt. Häuser mit dem Zeichen des goldenen Phoenix wurden im Falle eines Brandes zuerst gelöscht.
Tödliche Einladung
Hinter der rostigen Plakette an einer Hauswand in der Nähe des Kornplatzes verbirgt sich ein wahres Geschichtsdrama: Im Spätsommer 1649 folgte der französische Philosoph René Descartes einer Einladung der jungen Königin Christina von Schweden. Nachdem er mit ihr seit 1645 Briefe gewechselt hatte, gab er ihrer Bitte nach und erklärte der Königin seine Philosophie in mehreren Audienzen. Im Januar 1650, nachdem er fast drei Monate sich selbst überlassen war, wünschte sich die Königin intensiven Philosophieunterricht durch Descartes. Doch Anfang Februar 1650 erkrankte der Philosoph überraschend und starb zehn Tage später im Haus seines Gastgebers, dem französischen Botschafter Pierre Chanut. Die schnelle Diagnose lautete Lungenentzündung.
In Stockholm kursierte jedoch ein anderes Gerücht: Der berühmte Gast der Königin sei vergiftet worden. Botschafter Chanut ließ auf der Grabinschrift vermerken: „Er sühnte die Angriffe seiner Neider mit der Unschuld seines Lebens“. Doch Decartes plötzlicher Tod wurde nie als Mordfall behandelt. Erst 1980, mehr als drei Jahrhunderte später, entdeckte der deutsche Wissenschaftler Eike Pies im Handschriftenarchiv der Universität Leiden einen Brief von Johann van Wullen, dem Leibarzt Königin Christinas. Der Arzt, damals der einzige sachkundige Augenzeuge, berichtete diplomatisch verklausuliert, dass der Krankheitsverlauf typisch für eine Arsenvergiftung und nicht für eine Lungenentzündung war. Als Neider und somit Täter in diesem nie aufgeklärten Krimi kommen weniger begabte Wissenschaftler am Hofe der Königin infrage oder auch die Katholische Kirche. Christina, Königin einer protestantischen Großmacht, liebäugelte mit dem Katholizismus und Descartes, der den Zweifel zur wissenschafltichen Methode erhob und als Begründer des Rationalismus gilt, war der biblische Dorn im Auge der Kirche.
Gallionsfiguren auf dem Festland
Wer das Vasa-Museum besucht hat, wird die Ähnlichkeit sofort erkennen. Die Figuren unter dem schmucken Ercker stammen vom selben Künstler, der auch für das dem Untergang geweihte Kriegsschiff Vasa gearbeitet hat. Während die Schiffsfiguren im Jahr 1628, nach nur 1.300 Metern im Meer versanken und erst 1961 geborgen wurden, durften diese vier Gestalten durchgehend das Geschehen auf dem zentralen Getreidemarkt, dem Kornhamnstorget, beobachten.
Stockholm ist sogar unter Tage sehenswert. Die Stockholmer Metro gilt als die längste Kunstausstellung der Welt. Die schwedische Stadt Uppsala, 80 Kilometer nördlich von Stockholm, gehört zu den bedeutensten des Landes. Schon viele Jahrhunderte bevor Stockholm als kleiner Handesposten erwähnt wurde, war Uppsala das heidnische Zentrum der Wikinger. Wir berichten über Kult und Kultur in Gamla-Uppsala und über die unterhaltsamen Botschaften der schwedischen Runen-Steine und verraten Stockholms heimliche Hingucker.
Auf Visit Stockholm gibt es eine Übersicht mit Themenführungen und eine Liste mit zertifizierten Guides für eine private Tour durch Stockholm.