Georgien wird manchmal als Balkon Europas bezeichnet, da die Grenze zwischen Europa und Asien bis heute nicht eindeutig festgelegt ist. Geologisch gesehen sind beide Kontinente sogar auf der Eurasischen Kontinentalplatte vereint. An der Südflanke des Großen Kaukasus gelegen, ist Georgien bis heute von politischen und ideologischen Richtungskämpfen geprägt.

Läuft man durch die Hauptstadt Tiflis, fallen vor allem die zahlreichen Graffiti auf, die sich vor dem Hintergrund des Krieges in der Ukraine gegen Russland und für eine Annäherung Georgiens an Europa positionieren. Insgesamt strahlt die Stadt jedoch eine freundliche Willkommenskultur aus. Menschen aus Russland, Armenien, Aserbaidschan und der Ukraine können es fast nur hier gemeinsam an einem Tisch aushalten.


Die heutige Hauptstadt Tbilisi

Die heilige Nino als „Erleuchterin Georgiens“
Eine junge Frau überzeugte im 4. Jahrhundert den georgischen König durch ihre Heilkunst vom Christentum. Das Christentum verbreitete sich zunächst im Kaukasus und wurde in Georgien als zweitem Land nach Armenien zur Staatsreligion. Viele Kirchen in Georgien sind der Heiligen Nino geweiht. In der Sioni-Kathedrale in Tiflis wird das Weinrebenkreuz von Nino verehrt, das immer noch von ihren eigenen Haaren zusammengehalten wird.

Chronik von Georgien
Außerhalb der Hauptstadt, auf einem Hügel über dem künstlich als Wasserreservoir angelegten Tifliser See, steht ein merkwürdiges Monument. Der Bildhauer Surab Zereteli begann noch zu Sowjetzeiten mit der Planung und 1985 war es zwar noch nicht fertiggestellt, aber in seiner brachialen Gigantomanie schon weithin sichtbar. Was die vielen biblischen Motive aus dem Neuen Testament mit der Geschichte Georgiens zu tun haben sollen, ist aus heutiger Sicht kaum nachvollziehbar. Schließlich wurden zur gleichen Zeit in Georgien viele Kirchen von den Sowjets zu Versammlungshallen, Tierställen und Gefängnissen umfunktioniert.



Heute führen viele Denkmäler aus der Sowjetzeit in Georgien ein zwiespältiges Dasein. In einer Zeit, in der Kriege zwischen ehemals unter dem Dach der Sowjetunion vereinten Ländern geführt werden, wirkt Heldenverehrung schal. Und auch die Position des Geschichtserzählers kann zu der Frage führen, ob sich die Geschichte wirklich so zugetragen hat, wie sie dargestellt wird. Viele Georgier stören sich an der Nähe Surab Zeretelis zu den politischen Machtzirkeln in Moskau. Sie bezweifeln, dass Aussagen, die mit solcher Wucht vorgetragen werden, wahrer sind als die politischen Meinungsäußerungen an den Hauswänden der Innenstadt.
Eine mehrtägige Wanderung durch Tuschetien hat unseren Blick auf das Leben der Menschen in dieser schwer erreichbaren Grenzregion Georgiens gelenkt. Bonuspunkt dabei, dass unser georgischer Reiseführer Geschichte studiert hat.

Siehe auch den Beitrag über die Tbilisi-Skybridge als architektonische Attraktion in Georgiens Hauptstadt.
