Wer einen Hash-Tag bislang nur als Schlüsselbegriff im Internet kennt, muss in Grenada umdenken. Denn hier ist jeder Samstag ein Hash-Day. Mit Stil und Understatement findet irgendwo auf der Insel ein Volkslauf im Schnitzeljagd-Stil statt, bei dem man nichts gewinnen, aber viel erleben kann. Es geht durch Sümpfe, Bäche und Gewürzhaine, über Strände und durch abgelegene Siedlungen. Wie hart es wird, ist vorher nicht bekannt. Nur, dass es ab 15 Uhr irgendwann losgeht.

Drinkers with a Running Problem
Die Hash-Clubs haben ihren Ursprung in den britischen Kolonien, wo ihre Mitglieder vor ungefähr 80 Jahren durch ein wenig Bewegung die Saufgelage der abgelaufenen Woche neutralisieren wollten. An diesem Samstag erleben wir auf Grenada ein Jubiläum mit. Der 1.111 Lauf wird organisiert. Obwohl es sich dabei um eine Schnapszahl handelt, dreht sich auch diesmal wieder alles ums Bier – denn das Kultgetränk kennzeichnet weltweit jeden Hash. Vor und vor allem nach der schweißtreibenden Runde werden größere Mengen konsumiert, die gut gekühlt bereit stehen. Dafür hat der Beermeister zu sorgen – eines der wichtigsten Ämter der ehrenamtlichen Orgnisation.

An der guten Stimmung ist zu merken, wie dankbar die Teilnehmer den Organisatoren sind. Jeden Samstag wird eine neue Strecke gefunden, abgesteckt und mit mehrdeutigen Wegzeichen versehen. Am Start- und Zielpunkt werden Parkplätze, Toiletten, eine Beschallungsanlage und natürlich der Getränkestand eingerichtet. Erst kurz vor dem Start wird im Internet der Treffpunkt angegeben und keiner wundert sich, dass am Startpunkt jeden Samstag um 15 Uhr hunderte Läufer und Wanderer eintrudeln. Viele kennen sich und empfangen auch die Neulinge mit ansteckend guter Laune.

In der kurzen Ansprache (Chalk-Talk) vor dem Lauf werden die Markierungszeichen erklärt. Schließlich sollen alle wissen, woran man den richtigen Weg, eine Sackgasse oder auch eine Stelle mit mehreren Optionen erkennt. Wenn die Fährten von den Hares (Hasen) gut gelegt sind, verlaufen sich die Schnellsten und geben, bis sie den richtigen Pfad gefunden haben, den Verfolgern eine Chance, die ohne Umweg auf der richtigen Strecke bleiben.

Das Organisationsteam heißt offiziell Mismanagement
Die Grundregeln des Hash gelten weltweit und sind auf englisch überliefert. Sie sind der Inbegriff von Understatement. Die Aufgabenverteilung mag zwar streng geregelt sein. Egal ist aber, wie sie umgesetzt wird. Sinn ist schließlich, dass bei jeder Veranstaltung die Teilnehmer Spaß und die Organisatoren so wenig Arbeit wie möglich haben.

Das Mismanagement (so heißt traditionell jedes Team, das Hash-Veranstaltungen organisiert) ist hierarchisch strukturiert. Aber schon die Bezeichnung deutet eine Minimalorganisation bei großem Interpretationsspielraum an. Sehr geschätzt werden originelle Persönlichkeiten. Deshalb wundert es nicht, dass während der Veranstaltung der so genannte Religious Advisor die wichtigste Mismanagement-Rolle hat. Da immer unvorhergesehe Ereignisse auftreten, ist vor allem Improvisationstalent und Überzeugungsfähigkeit gefragt. Jede Predigt gipfelt grundsätzlich darin, dass alles was scheinbar nicht funktioniert, in Wirklichkeit Teil eines noch viel größeren Plans ist. Fast wie der heilige Franziskus wird auch der Religious Advisor sogar von Tieren verstanden, die ihren Lebensraum mit den Hashern teilen müssen.

Der Jargon des Hash ist international
„On-on“ ist nicht nur das meist gehörte Wort an diesem Samstag, es kommt auch im fußförmigen Hash-Logo vor. „On-on“ sagt jeder, der auf dem richtigen Weg ist. Es ist die positive Antwortmöglichkeit auf die Frage, „are-you?“. „On-back“ antwortet dagegen der, der aus einer Sackgasse zurückkommt und „on-lost“ bedeutet absolute Verirrung.
Die Teilnahme ist aber auch für Ungeübte nicht schwer. Keinen Fehler macht, wer die anderen Hasher im Auge behält und sich der Mehrheit anschließt.


Grenadas Land und Leute zu Fuß erleben
So vielfältig die Landschaft Grenadas auch ist, Weideland sucht man hier vergeblich. Entsprechend sind Kühe und Schafe eine Seltenheit. Auch Milchprodukte muss die Insel einführen. Aber die Teilnehmer am Hash Event bekommen sogar eine der wenigen Kühe zu Gesicht. Hunde, Hühner und Ziegen sind dagegen recht häufig.


Ausklang beim Bier
Nach ca. zwei Stunden hat auch der Letzte die 8 Kilometer-Runde geschafft und kann das Lebenselexier aller Hash-Enthusiasten genießen. Virgins (die, die zum ersten Mal teilgenommen haben) werden zusätzlich mit einer zünftigen Bierdusche getauft.
Hash FAQs
Website der Grenada Hash House Harriers
Geheimtipp: Gottesdienst mit Gospelsound
Die überwiegend christliche Bevölkerung Grenadas besucht sonntags den Gottesdienst in einer der vielen Religionsgemeinschaften. Ein Kirchenbesuch verrät viel über die Mentalität der Bevölkerung. In der Grand Anse Baptisten-Gemeinde haben wir uns uns als Fremde sofort herzlich willkommen gefühlt.
Schon das religiöse Gespräch vor dem Gottesdienst, das von Gemeindemitgliedern moderiert wird und vor allem der enthusiastische Gospel-Gesang während des Gottesdienstes hinterlassen einen bleibenden Eindruck. Die Songtexte stehen auf großen Monitoren und jeder kann im Karaoke-Stil mitsingen.
Videosequenz
Sogar Kreuzfahrt-Passagieren kann man diese beiden typischen Events empfehlen, sollten sie mal an einem Wochenende Grenada ansteuern. Allerdings sollte sonntags für das Mittagessen unbedingt ein Tisch reserviert werden. Denn im Restaurant haben wir viele Menschen wiedergetroffen, mit denen wir eben noch zusammen gesungen haben.
Wandkalender mit Fotos von Georg Berg im Buchhandel (auch online) in verschiedenen Größen erhältlich: Früchte der Karibik / auch auf englisch Fruits of Grenada oder französisch Fruits des Caraïbes sowie als Familienplaner (*)
Die Recherchereise wurde vom Tourismusverband Grenada unterstützt