Für Bettina Huber ist es der zehnte Sommer auf der Filzmoosalm. Den idyllischen Ort unterhalb des Filzmooshörndls im Salzburgerland kennt sie seit ihrer Kindheit. Ihre Familie besitzt hier seit den 1920er Jahren eine Almhütte. Damals, so heißt es, war es die erste Skihütte Österreichs. Belegt ist das nicht, erzählt Bettina Huber, denn 1950 riss eine Lawine die alte Hütte der Familie Promegg mit sich. Kurz danach haben sie die Filzmoosalm an der heutigen Stelle wieder aufgebaut.
Wie viele Generationen vor ihnen bringen sie das Vieh zur Sömmerung auf die Alm. Doch Bettina Hubers Aufgaben als Almwirtin sind vielfältiger denn je. Wie lebt es sich auf der Alm? Hier, wo Handys keinen Empfang haben und die Sinne sich auf das Wesentliche konzentrieren. Wir verbringen einige Tage auf der Filzmoosalm, wo zehn gutmütige Pinzgauer, hungrige Wanderer, müde Nächtler und drei kleine Töchter versorgt werden wollen.
Auch Kühe sind Individualisten
Die Tage beginnen früh auf der Filzmoosalm. Lange bevor die ersten Wanderer auf eine Jause einkehren, wollen die Kühe gemolken werden. Es ist fünf Uhr morgens. Auf dem Draugstein in 2.300 Meter Höhe ist in der Nacht noch Schnee gefallen. Manfred Huber steht mit seiner sechsjährigen Tochter Magdalena bereits vor der Almhütte. Beide haben einen Stock in der Hand. Schon Magdalena weiß, der Stock ist wichtig, um sich im Notfall die gutmütigen Pinzgauer mit ihren 600 Kilo Körpermasse vom Leib zu halten. Wir machen uns auf den Weg zur Nachtweide. Manfred Huber kennt die Eigenheiten seiner Pinzgauer Kühe genau. Die eine trödelt immer und lässt sich partout nicht antreiben, eine andere nähert sich neugierig allem, was sie nicht kennt. An diesem Morgen scheine ich ihr Interesse zu wecken. Doch Magdalena hat mit ihrem Stock die Situation im Griff und weist der Kuh den Weg Richtung Stall.
Die Pinzgauer Kühe sind selten geworden auf den Almwiesen im Salzburgerland. Um 1900 wurden Pinzgauer vor allem als Zugtiere eingesetzt. Ihre Milchleistung liegt weit unter der von Hochleistungskühen. Bettina und Manfred Huber haben sich bewusst für die heimischen Pinzgauer entschieden. Diese Rasse gilt als ruhig, erzählt Manfred Huber. Auch ihre Hörner dürfen die Tiere behalten. Pinzgauer erkennt man an der kastanienroten Farbe des Fells mit einem breiten weißen Streifen vom Widerrist über Rücken und Hinterseite. Mit ihren kräftigen Klauen können sie sich im steilen Gelände trittsicher bewegen.
Bei den Hubers heißen die Kühe Zierl, Zeder oder Sieglinde und sie bleiben, so erzählt es Bettina Huber, gut zehn Jahre Teil der Familie. In den vollautomatisierten Kuhställen der Großbetriebe dagegen dauert ein Kuhleben nur zwei bis drei Jahre. Dann ist eine Turbokuh am Ende ihrer sogenannten Nutzungsdauer. Auf der Filzmoosalm nähern sich die Kühe dem Melkstall und legen einen Endspurt ein. Dies liegt nicht an schmerzenden, übervollen Eutern, sondern am Kraftfutter, das bereits an ihrem Platz im Stall bereitsteht. Ein Trick, verrät Manfred Huber, um die Tiere im kleinen Melkstall der Alm zu beschäftigen, während er sie anbindet und den ersten beiden das Melkgeschirr anlegt. Geschmeidig bewegt sich Manfred Huber zwischen den Kühen, drückt sie resolut zur Seite, wenn er Platz braucht. Die Melkanlage dröhnt, doch die Tiere bleiben gelassen. Sind die ersten fünf Tiere angebunden, öffnet er die Stalltür erneut und die übrigen drängen sich hinein und gehen an ihren Stammplatz.
Als Nächtler auf der Filzmoosalm
Im Almjargon heißen die Übernachtungsgäste Nächtler. Die Zeit der Bettenlager ist auf der Filzmoosalm vorbei. Fremde Gruppen werden nicht mehr zusammengelegt. Die renovierten Zimmer im ersten Stock liegen direkt über dem Kuhstall. Mensch und Tier lebten früher immer unter einem Dach. Hier auf der Alm ist das zweimal am Tag so, wenn die Pinzgauer in ihren Melkstall stürmen. Gäste sind eingeladen, beim Melken zuzuschauen. Es ist ein tägliches Ritual, das nicht nur Kinder fasziniert. Am zweiten Tag auf der Alm schaffe ich es nicht rechtzeitig aus dem Bett, um Manfred zur Nachtweide zu begleiten. Doch ich höre, wie das Läuten der Kuhglocken näher kommt, die Tiere um das Haus herumgehen und als sich die Stalltür öffnet, dröhnen für einen kurzen Moment unter mir die Schritte der Pinzgauer. Dann wird es ruhig und ich weiß, jetzt machen sie sich zufrieden über ihr Kraftfutter her. Auch an diesem Tag werden die Kühe rund 100 Liter beste Almmilch geben. Und auch an diesem Tag ist das Melken nur der Anfang einer langen Arbeitskette. Doch guter Käse und beste Butter fangen genau hier an, bei Kühen, die sich frei bewegen, frische Kräuter fressen und respektvoll behandelt werden.
Kühe, Käse, Kinder
Täglich verarbeitet Bettina Huber rund 100 Liter Milch zu Almspezialitäten. Bettina wird nicht müde, Neues auszuprobieren. Seit sie auf dem Prommegghof eine moderne Molkerei eingerichtet hat, stellt sie sogar Speiseeis und Ofencamembert her. Beides steht seit 2024 auf der Speisekarte der Filzmoosalm. Genau wie ihr prämierter Sauerkäse, der Tauern-Schnittkäse, Topfen, Joghurt, Trinkmolke und Buttermilch. Auf jeder Jausenplatte liegt ein Stück goldgelbe Almbutter, die Wurstwaren sind vom Pinzgauer Rind und die hausgemachten Kaspressknödel in Bouillon sind zum niederknien köstlich. Diese Fülle an Almspezialitäten wird den ganzen Almsommer von Juni bis September den einkehrenden Wanderern und Bikern serviert. Bettina und Manfred werden von jungen Sennerinnen und Sennern unterstützt. Sie stecken oft zwischen zwei Lebensabschnitten, wie Schule und Studium oder Studium und erstem Job. Ein Sommer auf der Alm, zwischen Kuhstall, Küche und den drei kleinen Töchtern der Hubers, ist wie einmal tief Luft holen, bevor es mit dem eigenen Lebensplan weitergeht.
Alles in Butter
Der alte Käsekessel im Vorkaser auf der Filzmoosalm ist nur noch Dekoration. Bettina und Manfred Huber sind 2018 mit der Übernahme des Promegghof all in gegangen. Bettina ist gelernte Friseurin und Manfred hatte bereits als Kommunikationstechniker gearbeitet, als sie sich entschieden, in die Landwirtschaft auf den Hof ihrer Eltern zu wechseln. Sie bauten einen hochmodernen Laufstall für ihre Pinzgauer und für die Milchverarbeitung gleich eine professionelle Molkerei. Einige Fortbildungskurse und misslungene Käselaibe später nahm die Produktion auf dem Promegghof Fahrt auf. Der Tauern-Schnittkäse reift im Kühlraum in großen Mengen, die goldgelbe Almbutter ist bei Hoteliers und auf der Alm sehr gefragt, ihr Sauerkäse wurde bereits zum Almwegschmankerl des Jahres 2022 gekürt und für ihr Speiseeis kommen Gäste immer wieder auf die Filzmoosalm zurück.
Ab auf die Alm
Weitwandern liegt seit einigen Jahren stark im Trend. Im Salzburger Pongau gibt es mit dem Almenweg die gemütliche Variante. Hier geht es von Alm zu Alm, moderat im Tempo, mit beeindruckender Landschaft und der Stille der Berge. Die 25 Etappen können einzeln oder am Stück erwandert werden. Aufstiege sind aus vielen Orten im Pongau möglich und am Wegesrand laden die traditionsreichen Almhütten mit ihrem guten Essen ein. Auch die Zeiten der Bettenlager sind auf dem Salzburger Almenweg vorbei und wer mag, bucht ein Komplett-Paket für mehrere Alm-Übernachtungen. Auf der Filzmoosalm sind Übernachtungen per E-Mail Reservierung möglich. Die vielen Almspezialitäten von Bettina Huber gibt es den Almsommer über ohne Anmeldung, aber nicht ohne Anstrengung. Die Alm ist zu Fuß und mit dem Fahrrad erreichbar. Übernachtungsgäste können nach Absprache auch mit dem Auto hochfahren.
Im Salzburgerland können grüne Wiesen sogar einen Hauch Hollywood versprühen. In Werfen, 40 Kilometer südlich von Salzburg gehen Filmtouristen aus aller Welt den Sound of Music-Trail. Ihr Ziel ist eine Wiese an der Aussichtsanhöhe Gschwandtanger, wo eine berühmte Szene des Ocsar-prämierten Musikfilms spielt.
Die Recherche wurde unterstützt vom Tourismusverband Großarltal und SalzburgerLand