Im August 2015 schloss das alte Hotel Okura, eine Design-Ikone aus den 1960er Jahren seine Türen. Vor dem Beginn der Abriss-Arbeiten des 12-stöckigen Kulthotels, gegen den weltweit Unterschriften von treuen Gästen und Design-Experten gesammelt wurden, gab es eine Woche, in der geschichtsträchtiges Interieur abgetragen und eingelagert wurde. Eine Maßnahme, um den Spagat zwischen Erneuerung und Bewahrung ohne unnötige Zerrungen zu schaffen. Ob er gelungen ist, können eigentlich nur die beurteilen, die auch das alte Haus gekannt haben.
Okura Prestige und Okura Heritage – Reminiszenz an vergangene Tage
Ist es nun ein großer Wurf oder der verzweifelte Versuch, zwei Welten gerecht zu werden?
Das Symbol der japanischen Nachkriegsarchitektur ist vor den Olympischen Spielen durch einen schlichten 41-stöckigen Glasbau ersetzt worden. Mitte September 2019 fand die Neueröffnung statt. In der Woche nach dem Re-Opening hatten wir Gelegenheit zu einem Aufenthalt im 5-Sternehotel Okura Prestige. Bei dem Rundgang durch das neue Flagship-Haus der Okura Hotelgruppe sehen wir die ersten Gäste-Reaktionen auf die beiden Hotel-Gebäude. Das Okura Heritage hat 6 Sterne und ist 75 Meter hoch. Das Okura Prestige hat 5 Sterne, ist 188 Meter hoch und verfügt erst ab Stockwerk 28 über Zimmer für Hotelgäste.
„Sorry Sir“ – auch Cary Grant bekam kein Zimmer
Zwischen dem alten Kulthotel und dem erdbebensicheren Neubau gibt es einige Parallelen. Beide Hotels wurden mit Blick auf die Olympischen Spiele fertig gestellt. Wie schon 1964 ist Tokio 2020 wieder Gastgeber der Sommerspiele. Schon jetzt ist das Hotel für die Zeit der Wettkämpfe ausgebucht. Der Hollywoodfilm „Walk, don’t Run“ beginnt im Hotel Okura. Cary Grant bemüht sich vergebens um ein Zimmer. „Sorry Sir, Olympic you know“.
Das alte Hotel Okura war Schaukasten feinster japanischer Handwerkskunst gepaart mit moderner und leichter Architektur. Um das Ambiente des alten Okura in den modernen Glasquader zu retten, beauftragte man den Sohn des damaligen Star-Architekten. Yoshio Taniguchi hat auch den Neubau des MOMA – Museum of Modern Art in New York entworfen. Im Neubau des Okura blieb er den Entwürfen seines Vaters Yoshiro Taniguchi treu. Alle Schlüsselelemente finden sich wieder. Besonders prägnant sind die berühmten Leuchten und die luftig angeordneten Sitzgruppen in Form einer Pflaumenblüte im rechten Teil der weitläufigen Lobby.
The Okura – japanische Gastfreundschaft und moderner Luxus
Tokio ist eine Mega-City, Baugrund rar und teuer. Eine Renovierung kam sowohl aus wirtschaftlichen als auch aus statischen Gründen nicht in Frage. Um das Hotel wieder wettbewerbsfähig zu machen, mussten die Zimmer vergrößert werden. Dies lies sich nicht mit einer erdbebensicheren Bauweise vereinbaren und wurde zum Todesstoß für die in aller Welt so beliebte Design-Ikone.
Beim Neubau wurde nun auch der wertvolle Luftraum besser genutzt. Steht man in der Bar im 41. Stock und blickt in die unmittelbare Nachbarschaft, so wird schnell klar, dass Abriss und Neubau derzeit intensiv praktiziert werden. Auch der Südflügel des Hotel Okura, ein Bau aus den 70er Jahren auf der gegenüberliegenden Straßenseite soll nach dem Olympischen Spielen einem Neubau weichen. Die durchschnittliche Größe der Zimmer ist auf rund 48 Quadratmeter gewachsen. Dafür ist die Anzahl der Zimmer im Vergleich zum alten Hotel Okura von rund 800 auf 508 Zimmer geschrumpft.
The Okura – mehr als ein Hotel
Geld verdient wird im neuen Hotel Okura mit einem erweiterten Geschäftsmodell.
Das Hotel hat zwar die Zahl der Zimmer reduziert, dabei aber die Zimmerpreise erhöht. Die Lobby heißt intern Lobby Prestige Tower im 5. Stock, sie liegt faktisch aber ebenerdig. Denn es wurde nicht nur in die Höhe, sondern auch in die Tiefe gebaut. Der Heian Room, ein Banquette-Saal ist für Empfänge und Veranstaltungen von bis zu 2.000 Gästen ausgelegt, er ist der Größte in ganz Tokio und liegt im Tiefgeschoss. Genau wie 18 weitere Funktionsräume für Konferenzen und Hochzeitsfeiern.
Für den Hotelgast sind die Etagen ab Stockwerk 26 interessant. Dort finden global Reisende ihren gewohnten Luxus in Form von Schwimmbad, Spa und Fitnessräumen mit Blick auf die Stadt. Ab Stockwerk 28 beginnen die Gästezimmer. Auch hier können Gäste auf der ganzen Breite eines Zimmers auf die Skyline schauen. Die Welt darunter ist eine reine Arbeitswelt. Denn fast die Hälfte des Okura Prestige Towers vermietet der Eigner als Büroräume.
Die Lobby lebt – alte Atmosphäre hinter neuer Fassade?
Der Spagat scheint gelungen. In der Lobby fühlt man sich in die 60er Jahre versetzt. Wir erleben das neue und alte Herzstück des Hotels in diesen ersten Tagen nach der Eröffnung aber auch ein wenig museal. Gäste inspizieren Holzarbeiten, Wandflächen und riesige Blumengestecke im Flüsterton. Etwas lebhafter wird es bei einem Abendkonzert, für das die Pflaumenblüten-Arrangements an die Seite geschoben werden. Einen kleinen Lebensimpuls aus der quirligen und beständig rauschenden Mega-City Tokio würde man sich für diesen Ort wünschen.
Die Kosten der Halbpension wurden vom Hotel nicht berechnet