Island, dort wo Wasabi wächst

„Finde den Fehler“ möchte man rufen, wenn man diese Headline liest. Wasabi, eine der anspruchvollsten Pflanzen überhaupt, die in Japan bei angenehmen 20 Grad in den Hügeln der Halbinsel Izu angebaut wird, wächst im rauen Klima Islands? Die Wasabi-Felder in Shizuoka sind terrassenartig angelegt, damit der Durst der Pflanze mit immer frischem Schmelzwasser des Mount Fuji bedient werden kann. Die Ernte ist mühsam und die Reifezeit dauert bis zu drei Jahre.

Wasabifelder in Izu (Japan) sind schmal und ziehen sich dem Flusslauf folgend die sanften Berghänge hinunter. Teilweise werden die Felder mit Netzen beschattet. Die Pflanzen wachsen sehr langsam und der Anbau von Wasabi ist sehr arbeitsintensiv / © Foto: Georg Berg
Wasabifelder in Izu (Japan) sind schmal und ziehen sich dem Flusslauf folgend die sanften Berghänge hinunter. Teilweise werden die Felder mit Netzen beschattet. Die Pflanzen wachsen sehr langsam und der Anbau von Wasabi ist sehr arbeitsintensiv / © Foto: Georg Berg

Im Jahr 2015 wählen zwei junge Ingenieure direkt nach ihrem Universitätsabschluss den kapriziösen japanischen Scharfmacher, um Islands erstes Exportgemüse zu schaffen. Die Geschäftsidee von Nordic Wasabi ist eine spannende Start-up Geschichte und im MIttelpunkt stehen dabei: Islands Geothermie, bestes Trinkwasser, geduldige Investoren und ein Produkt, das Küchenchefs weltweit beigeistert. Wir waren vor Ort und haben mit dem Gründer von Nordic Wasabi und dem isländischen Spitzenkoch Rúnar Pierre Heriveaux über echten Wasabi, die Möglichkeiten von Hightech-Gewächshäusern auf Basis von Geothermie und die Erfolge ihres Produktes in der internationalen Spitzengastronomie gesprochen.

Nordic Wasabi Gründer Ragnar Atli Tomason, links im Bild und Olli Hall zuständig für Marketing und Verkauf vor der Fotowand des ersten Wasabi-Gewächshauses in Island / © Foto: Georg Berg
Nordic Wasabi Gründer Ragnar Atli Tomason, links im Bild und Olli Hall, Marketing, vor der Fotowand des ersten Wasabi-Gewächshauses in Island / © Foto: Georg Berg

Geothermie für neue Food-Konzepte

Dank der heißen Quellen werden auf Island schon lange Erdbeeren, Tomaten oder Gurken in Gewächshäusern gezüchtet. Im Supermarkt sind sie auch als heimische Ware gekennzeichnet und mit Abstand das günstigste Gemüse, das es. zu kaufen gibt. Im Jahr 2015 gründen die Ingenieure Johann Hansen und Ragnar Tomasson das Startup Jurt Hydroponics . Sie denken damals über den Gurkenanbau hinaus und wollen die Ressourcen ihres Landes für die Produktion des ersten isländischen Exportgemüses nutzen. Geothermie und bestes Trinkwasser vulkanischen Ursprungs sind für sie die beiden Schlüsselfaktoren, um etwas Neues zu wagen. Ihre Wahl fällt auf eine sehr kapriziöse Pflanze.

Gemüse aus isländischen Treibhäusern, die mit Geothermie geheizt werden / © Foto: Georg Berg
Gemüse aus isländischen Treibhäusern, die mit Geothermie geheizt werden / © Foto: Georg Berg
Echter Wasabi wird mit leichtem Druck in kreisförmiger Bewegung auf einem oroshigane-Reibe gerieben. Das Reibefläche besteht aus getrockneter Haifischhaut / © Foto: Georg Berg
Echter Wasabi wird mit leichtem Druck in kreisförmiger Bewegung auf einem Oroshigane-Reibe gerieben. Das Reibefläche besteht aus getrockneter Haifischhaut / © Foto: Georg Berg

Grün wie die Nordlichter, die in den Wintermonaten über Islands Himmel tanzen, ist auch der frisch geriebenen echte Wasabi, der Spitzenköche weltweit begeistert. Wasabi hat seine Heimat in Japan. Dort wächst der japanische Meerrettich auf terrassenartigen Feldern, die Wurzeln stehen auf der Halbinsel Izu im fließenden Schmelzwasser des Mount Fuji. Die Ernte ist mühsam und die Reifezeit dauert bis zu drei Jahre. Hon-Wasabi, wie man den echten Wasabi nennt, ist ein knappes Gut. Er ist teuer, auch in Japan, nicht sehr lange haltbar und in Europa schwer zu bekommen. Und somit ist Wasabi für die Startup-Gründer Johan und Ragnar das perfekte Gemüse. Nordic Wasabi, soll ein Nischenprodukt für die Spitzengastronomie in Europa und die USA werden, bei dem kleine Produktionsmengen eine gute Gewinnmarge versprechen.

Die Wasabi-Pflanze ist mehrjährig. Während hier die Blüten verblüht herunterhängen, recken sich die grünen Blätter zum Licht. Im Gewächshaus braucht Wasabi bis zur Ernte nur 18 Monate. In seiner Heimat Japan dauert es fast doppelt so lang / © Foto: Georg Berg
Die Wasabi-Pflanze ist mehrjährig. Während hier die Blüten verblüht herunterhängen, recken sich die grünen Blätter zum Licht. Im Gewächshaus braucht Wasabi bis zur Ernte nur 18 Monate. In seiner Heimat Japan dauert es fast doppelt so lang / © Foto: Georg Berg

In Zusammenarbeit mit der Universität Reykjavik und in engem Austausch mit japanischen Institutionen gelingt es aus japanischem Pflanzen eine Sorte für die Bedingungen im Treibhaus zu züchten. Forschung und Vorbereitung dauern Jahre. Investoren müssen geduldig sein, denn auch im Gewächshaus benötigt ein Wasabi-Rhizom 1,5 Jahre bis zur Ernte. Heute wächst in dem hochmodernen Gewächshaus in Egilstadir Wasabi soweit das Auge reicht. Das ganze Jahr hindurch, auch im langen und kalten Winter Islands herrschen hier angenehme 20 Grad Celsius. Bewässerung und Beleuchtung werden voll automatisch aus Reykjavik gesteuert. Nur die Ernte, der Schnitt und die Verpackung sind Handarbeit.

Im hochmodernen Wasabi-Gewächshaus läuft vieles automatisiert. Doch die Ernte, der Schnitt und die Verpackung sind Handarbeit / © Foto: Georg Berg
Im hochmodernen Wasabi-Gewächshaus läuft vieles automatisiert. Doch die Ernte, der Schnitt und die Verpackung sind Handarbeit / © Foto: Georg Berg

Die weltweite Wasabi-Lüge

Wer glaubt Wasabi zu kennen geht in den allermeisten Fällen der Wasabi-Lüge auf den Leim. Mit großer Wahrscheinlichkeit handelt es sich, bei dem grünen Tupfen die zum Sushi gereicht werden, um ein Fake aus Meerrettich, Senf und Lebensmittelfarbe. Und wie schmeckt echter Wasabi? Vielfach wird sein Geschmack mit dem vom Meerrettich verglichen. Doch Wasabi ist weitaus komplexer. Frisch geriebener Wasabi hat zu Anfang einen recht harmlosen süßlichen Geschmack, doch dann bilden sich die flüchtigen Senföl-Gase, die wir auch aus dem Meerrettich kennen. Diese Senföl-Gase steigen in die Nase und sprechen die Schmerzrezeptoren in den Nasenschleimhäuten an. Meerrettich erzeugt zwar auch flüchtigen Senföle, doch ihm fehlen die frischen grasigen Geschmacksnoten vom Wasabi. Mit einer Reibe aus Edelstahl oder der traditionellen Oroshiki-Reibe aus Haifischhaut, wird Wasabi kurz vor dem Verzehr gerieben. Bei einem Treffen mit Nordic Wasabi Gründer Ragnar in Reykjavik mache ich einen Selbstversuch mit isländischem Wasabi.

Schärfe-Kick durch echten Wasabi.  Die Schärfe von frisch geriebenem Wasabi erreicht nach fünf Minuten ihre Spitze. Beim Selbstversuch schauen Olli Hall, Direktor Marketing und Verkauf bei Nordic Wasabi und Food-Redakteurin Angela Berg den amüsierten Unternehmensgründer von Nordic Wasabi, Ragnar Atli Tomason (nicht im Bild) an / © Foto: Georg Berg
Schärfe-Kick durch echten Wasabi. Die Schärfe von frisch geriebenem Wasabi erreicht nach fünf Minuten ihre Spitze / © Foto: Georg Berg

Der Geschmack von Wasabi

Die frisch geriebene Paste riecht frisch und grasig. Der erste Geschmackseindruck ist leicht süßlich und erinnert an grüne Banane, doch dann schießt der Schärfe-Kick hoch bis in die Stirnregion. Frisch gerieben erreicht Wasabi nach fünf Minuten den Höhepunkt. Ragnar Tomasson schwärmt davon, wie vielfältig Wasabi in der Küche zu verwenden ist, und dass er sich mit fast allem kombinieren lässt. Er vermittelt uns ein Treffen mit Chefkoch Rúnar Pierre Heriveaux aus dem Restaurant Öx in Reykjavik. Das Öx hat nur 17 Sitzplätze und buchen kann man hier den Chef’s Table mit bis zu 18 Gängen. Im Jahr 2022 erhielt das Öx zum ersten mal einen Michelin-Stern und kann die Auszeichnung seitdem erfolgreich halten. Sternekoch Heriveaux ist ein großer Freund isländischer Produkte. Für ihn ist es ein Glücksfall, dass eine aromatisch so komplexe Pflanze wie Wasabi nun zu den heimischen isländischen Produkten zählt.

Im Gespräch mit Rúnar Pierre Heriveaux, Sternekoch aus dem Restaurant Öx in Reykjavik, erfährt Foodjournalistin Angela Berg, warum er von 10 bis 12 zubereiteten Gängen rund die Hälfte mit Wasabi würzt / © Foto: Georg Berg
Im Gespräch mit Rúnar Pierre Heriveaux, Sternekoch aus dem Restaurant Öx in Reykjavik, erfährt Foodjournalistin Angela Berg, warum er von 10 bis 12 zubereiteten Gängen rund die Hälfte mit Wasabi würzt / © Foto: Georg Berg

The Future of Food

Island hat nur 360.000 Einwohner. Viele junge Isländer gehen für ein Studium in Ausland und kommen mit kreativen Ideen zur Nachhaltigkeit und Ressourcenschonung zurück in ihre Heimat. Mit großem Ideenreichtum werden neue Foodkonzepte, wie Nordic Wasabi entwickelt oder gleich ganze Industriezweige neu gedacht. Seit kurzem sorgt das Projekt 100 Percent Fish des Isländers Thor Sigfusson international für Aufsehen. Es geht dabei um nicht weniger als einen Beitrag gegen den Hunger in der Welt. Bislang wird die Hälfte eines jeden Fisches im Produktionsverlauf verschwendet. Mit der vollständigen Verwertung von Fisch und Meeresfrüchten könnte die Eiweißversorgung der Menschen enorm gesteigert werden. Die Isländer setzen sich dafür ein, aus jedem Fisch mehr Wert zu schaffen. Fisch ist nicht nur ein Filet, sondern aus Haut und Gräten werden Nahrungsergänzungsmittel, medizinische Pflaster, Schönheitsprodukte und sogar Mode oder Taschen und Lampenschirme hergestellt. In Island hat man inzwischen eine Verwertungsquote von 80 Prozent erreicht. Von Weißfischen wie Kabeljau landet dort inszwischen nichts mehr im Müll. Und auch gegen die Verschmutzung der Meere werden neue Konzepte entwickelt. Mikroplastik in den Meeren stammt in hohem Maße von Fischernetzen. Im Thinktank Icelandic Ocean Cluster, im Hafen von Reykjavik, gehört zu der Vision von 100 Percent Fish auch eine modernen Fangmethode, bei der die Fische nicht länger in Netze gehen, sondern mit Licht gefangen werden.

Das Walmuseum zeigt in einem eigenen Raum auch die Meeresverschmutzung durch Plastikmüll / © Foto: Georg Berg
Das Walmuseum zeigt in einem eigenen Raum auch die Meeresverschmutzung durch Plastikmüll / © Foto: Georg Berg

Wunderliche Island Geschichten

Magisch, mystisch, wunderlich. Auf unserer Reise durch Island haben wir überwältigende Natur erlebt, die Vorzüge der Geothermie genossen und so manch absonderliches Gericht oder vom erst 1989 legalisierten Bier probiert. In Island gibt es zwar Führungsschafe, aber unter gar keinen Umständen Ponys. Dafür haben die Nachfahren der Wikinger heute beheizte Bürgersteige, immer noch brodelnde Vulkane und viel Kreativität, die in den langen dunklen Monaten das beste Rezept gegen eine beginnende Winterdepression ist. In weiteren Episoden geht es um haarige Bierflaschen, versteinerte Trolle und Wunschsteine. Fermentierter, grausam stinkender Grönlandhai steht im Kontrast zum Roggenbrot, das in heißer Erde gebacken wird. Die regelmäßig vor Húsavík auftauchenden Wale sind ein beliebtes Fotomotiv beim Whale Watching.

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