Auf den Spuren von Caspar David Friedrich – das klingt nach einer etwas behäbigen Reiseempfehlung. Doch für das Jahr 2024 hat Sachsen die Spuren, die der bedeutendste Maler der Romantik in Dresden und Umgebung hinterlassen hat, zu einem fulminanten und abwechslungsreichen Kulturprogramm geschnürt. 2024 jährt sich zum 250. Mal der Geburtstag des Malers, der für seine Landschaftsbilder wie Kreidefelsen auf Rügen, Der Wanderer über dem Nebelmeer oder Zwei Männer in Betrachtung des Mondes weltberühmt wurde. In Dresden und Umgebung verbrachte er die längste und produktivste Zeit seines Lebens. Seine Werke sind Sehnsuchtsbilder, die die Menschen bis heute berühren. In den sozialen Medien werden seine Bilder geliked und geteilt. Dabei war Friedrich ein Slow Traveller und auch ein langsamer Maler. Die flüchtige Betrachtung seiner Bilder auf Instagram & Co. hätte ihm vermutlich nicht gefallen. Andererseits würde er sich über seine heutige Berühmtheit verwundert die Augen reiben. Denn Caspar David Friedrich starb krank, verarmt und beinahe vergessen. Seine Bilder erzählen von einer schicksalhaften Verbindung zwischen Mensch und Natur und sie verraten auch etwas über das Leben des Malers und die Zeit, in der er lebte.
Begegnungen mit CDF
Die Stadt Dresden und die Sächsische Schweiz bieten 2024 die Möglichkeit, Caspar David Friedrich, kurz CDF, auf vielfältige Weise zu begegnen und sich ein Bild vom Menschen und Künstler, seinen Inspirationsquellen und einer Zeit im Umbruch zu machen. Die Sonderausstellung Wo alles begann der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden im Albertinum und im Kupferstich-Kabinett im Residenzschloss ist der kulturelle Höhepunkt des Jubiläumsjahres. Flankiert wird das Ganze von Führungen und Workshops. Auf kuratierten Wanderwegen begegnet man den Motiven seiner Skizzen. Eine Felsformation im Elbsandsteingebirge, eine von Wind und Wetter verkrüppelte Kiefer, ein Felsblock, eine Klosterruine und vieles mehr hat CDF auf langen Wanderungen skizziert und oft erst Jahre später in seinem kargen Atelier bei Nordlicht in Gemälde integriert.
Radikal subjektiv und präzise zugleich
Als Caspar David Friedrich 1798 von Kopenhagen nach Dresden kommt, findet er eine lebendige Kunstszene vor. Er gilt, wie man heute sagen würde, als gut vernetzt und bleibt doch ein Einzelgänger. Im Laufe der Jahre grenzt er sich immer mehr von seinen Kollegen ab. Traditionen und Vorbilder verlieren für ihn an Bedeutung. Er kommt aus der Mode, seine Bilder gelten als langweilig, als Dozent an der Dresdner Kunstakademie fasst er nie Fuß. Die Studenten finden ihn schwer verständlich und schreiben sich lieber bei anderen Lehrern ein. 1817 kritisiert sogar der einflussreiche Goethe Friedrich und die Malerei der Romantik. Doch er bleibt seiner Devise treu, dass der Künstler nur aus sich selbst heraus Bedeutendes schaffen kann. So hört CDF beim Malen in sich hinein, sieht die Bilder vor seinem inneren Auge und malt Landschaften, die es so gar nicht gibt, die aber aufgrund seiner Skizzen eine enorme Genauigkeit besitzen. Aus diesem Zusammenspiel von Subjektivität und Präzision gewinnen Werke wie der Wanderer über dem Nebelmeer, das Große Gehege oder die Böhmische Landschaft mit Milleschauer Berg ihre besondere Ausstrahlung.
Fast ein Geheimtipp. Eliasfriedhof in Dresden
1840 stirbt Caspar David Friedrich im Alter von 65 Jahren, nach zwei Schlaganfällen fast vollständig gelähmt, in Dresden. Sein Grab befindet sich auf dem Trinitatisfriedhof. Zum Jubiläumsjahr soll es neu gestaltet werden. Das ist auch dringend nötig. Bislang sieht sein Grab so aus, wie sein Leben endete. Armselig und vergessen. Der weitaus interessantere Friedhof in Bezug auf Caspar David Friedrich ist der Eliasfriedhof. Das umfangreiche und gut erhaltene Werk des Malers umfasst 150 Gemälde, aber auch 1.000 Zeichnungen, Aquarelle, Radierungen und Holzschnitte. Auf dem Eliasfriedhof stehen Grabsteine nach Entwürfen von Caspar David Friedrich. Es sind Auftragsarbeiten, die er als aus der Mode gekommener Künstler annehmen musste.
Auf dem Eliasfriedhof in Dresden scheint die Zeit stehen geblieben zu sein. Seit der Schließung des barocken Camposanto 1876 wurden hier kaum Veränderungen vorgenommen. Grabsteine in großer Formenvielfalt erzählen von 200 Jahren Geschichte der Residenzstadt Dresden. Der Friedhof ist für die Öffentlichkeit nicht zugänglich. Der Förderverein bietet jedoch regelmäßig Führungen an. Insgesamt vier Grabsteine nach Entwürfen von Caspar David Friedrich sind hier erhalten.
Albertinum und Kupferstich-Kabinett
2024 wird in ganz Deutschland ein Festivaljahr zu Ehren von Caspar David Friedrich stattfinden. Der Zyklus spannt sich von der Hamburger Kunsthalle über die Nationalgalerie Berlin bis zu den Staatlichen Kunstsammlungen Dresden. Im Jahr 2025 folgt eine große Retrospektive im Metropolitan Museum in New York. Das Albertinum besitzt zahlreiche Meisterwerke des Romantikers, die in der Dauerausstellung ihren Platz haben. Für das Jubiläumsjahr werden die Gemälde aus dem eigenen Bestand in der Restaurierungswerkstatt auf ihren Zustand hin untersucht. Auf Leihgaben aus den USA oder Museen in Deutschland und Europa wird verzichtet. Der Aufwand wäre zu groß, auch mit Blick auf die Transportkosten und den ökologischen Fußabdruck. Für die rund 200 Jahre alten Bilder ist jede Reise ein Risiko. Die Kunst für kommende Generationen zu erhalten, steht über dem Wunsch, zu einem bestimmten Anlass eine große Show zu veranstalten.
Skizzen für das große Ganze
Um dem ganz eigenen Charakter von Friedrichs Bildern auf die Spur zu kommen, empfiehlt sich 2024 auch ein Besuch der Ausstellung im Kupferstich-Kabinett. Dort werden Zeichnungen und ein Skizzenbuch zu sehen sein, die aus konservatorischen Gründen nur für eine begrenzte Zeit dem Licht ausgesetzt werden können. Die Skizze ist der Teil von Friedrichs Werk, der zwischen Gemälde und Inspirationsquelle steht. Notizen und Markierungen auf den Skizzen verraten viel über seine Arbeitsweise.
Ist die Romantik wirklich romantisch?
Entgegen der landläufigen Meinung war die Epoche der Romantik nicht romantisch im heutigen Sinne. Die Romantiker hatten eine Vorliebe für das Dunkle und Abgründige, sahen sich in Opposition zum Bürgertum und verspotteten gern den Spießer. So leitet sich die Romantik vom Romanhaften ab und bezeichnet eine übertriebene, die Gefühle ansprechende Ausdrucksweise. Die Landschaft des Elbsandsteingebirges bot den Malern der Romantik eine eindrucksvolle Naturkulisse: düstere Klammen und bizarre Felsformationen bei Sonnenauf- und -untergang, mit Nebelschwaden und im Mondschein. Das alles ist auch 200 Jahre später noch zu bestaunen. Im Unterschied zu damals mit gut ausgebauten Wanderwegen, Einkehrmöglichkeiten und Fährverbindungen über die Elbe.
Malerweg und Caspar-David-Friedrich-Weg
Caspar David Friedrich reiste gemächlich zu Fuß. Kutschenfahrten, so heißt es, seien ihm zu schnell gewesen. Ein Slow Traveller im grauen Reisemantel, der stundenlang an einem Ort verweilen konnte, um detaillierte Skizzen anzufertigen. Zurück in seinem kargen, nach Norden ausgerichteten Atelier, fügte er seine Studien zu Landschaften zusammen. Sie konnten Weite zeigen und in die Ferne blicken oder Finsternis und Abgründe darstellen. Wer also als moderner Reisender für sich entdecken möchte, was bis heute den Reiz der Bilder Caspar David Friedrichs ausmacht, dem wird im Jahr seines 250. Geburtstages viel geboten, um getreu dem Motto des Malers nicht nur dem Aufmerksamkeit zu schenken, „was er vor sich sieht, sondern auch dem, was er in sich sieht“.
Highlights 2024 Caspar David Friedrich in Dresden
- Sonderausstellung Wo alles begann im Albertinum vom 24.8.2024 bis 5.1.2025
- Sonderausstelllung Wo alles begann im Kupferstich-Kabinett, Residenzschloss vom 24.8. bis 17.11.2024
- Caspar-David-Friedrich-Weg. Rundweg ab Krippen entlang der Elbe über Kaiserkrone. Informationstafeln weisen auf Motive des Malers hin
- Eliasfriedhof in Dresden. Die Camposantoanlage ist nicht öffentlich zugänglich. Führungen organisiert der Förderverein Eliasfriedhof
- Kügelgenhaus. Museum der Dresdner Romantik. Ein authentischer Ort und Treffpunkt prominenter Künstler der Romantik
- Rundgang durch den Klosterpark Altzella, ein Inspirationsort für Caspar David Friedrich
Die Recherchereise wurde vor Ort unterstützt von der Tourismus Marketing Gesellschaft Sachsen und Dresden Marketing GmbH