Poitiers: Stadt, Land, Kino

Poitiers, eine der ältesten Städte Frankreichs, verbindet romanische und mittelalterliche Geschichte mit beeindruckender Architektur und jungem Studentenflair. Zwischen Paris und Bordeaux gelegen, bleibt die Stadt oft unbemerkt – zu Unrecht. Poitiers gehört auf jede Bucketlist: Geschichts- und Kulturfreunde begeistert die einstige Machtzentrale des Mittelalters mit ihren Kunstmuseen und der lebendigen Gastronomie. Von hier starten Ausflüge ins Umland, und wer lieber in die Zukunft blickt als durch die Vergangenheit spaziert, besucht die multimediale Erlebniswelt Futuroscope.

Übersichtstafel mit den wichtigsten Sehenswürdigkeiten von Poitiers, zu denen der Grafenpalast, die Kathedrale Saint-Pierre und die Kirche Notre-Dame-la-Grande zählen / © Foto: Georg Berg
Übersichtstafel mit den wichtigsten Sehenswürdigkeiten von Poitiers, zu denen der Grafenpalast, die Kathedrale Saint-Pierre und die Kirche Notre-Dame-la-Grande zählen / © Foto: Georg Berg

Alter Kern – Junges Herz

Poitiers ist auch eine der ältesten Universitätsstädte Frankreichs. Fast jeder zweite Bewohner ist jünger als 30 – das bringt Schwung und ein internationales Flair. In der historischen Altstadt pulsiert das Leben in Gastronomie und Handel.  So kann man im Palast der Grafen, den frei zugänglichen Saal der verlorenen Schritte durchschreiten, dabei dem Klang der eigenen Schritte lauschen und danach auf dem belebten und von Cafés gesäumten Place Jeanne d’Arc eine Pause einlegen.

Fußgängerzone in der Altstadt von Poitiers, Nouvelle-Aquitaine und Blick auf die Kathedrale Saint-Pierre, die mit 100 Meter Länge beeindruckend groß ist / © Foto: Georg Berg
Fußgängerzone in der Altstadt von Poitiers, Nouvelle-Aquitaine und Blick auf die Kathedrale Saint-Pierre, die mit 100 Meter Länge beeindruckend groß ist / © Foto: Georg Berg
Restauant Coul de Paille in einer Seitenstraße in der Altstadt von Poitiers. Das Restaurant hat in Poitiers Kultstatus / © Foto: Georg Berg
Restauant Chez Coul de Paille in einer Seitenstraße der Altstadt. Das Restaurant hat in Poitiers Kultstatus / © Foto: Georg Berg

Kult-Restaurant Chez Cul de Paille

Ohne Reservierung wird es schwierig, einen der Strohhocker im Chez Cul de Paille zu ergattern. Das Restaurant aus dem Jahr 1843 genießt in Poitiers Kultstatus. Seinen Namen, Strohhintern, verdankt es den Hockern mit Sitzflächen aus geflochtenem Stroh. Doch die eigentliche Attraktion sind die Kritzeleien an den Wänden. Bei näherem Hinsehen entpuppen sie sich als Signaturen berühmter Persönlichkeiten: Künstler, Sänger und Schauspieler wie Arletty, Georges Brassens, Claude François, Jean Marais, Charles Aznavour, Manitas de Plata, Jeanne Sourza, Yves Montand, Jacques Brel oder Coluche haben sich hier verewigt. Damit Gäste im Wirrwarr der Unterschriften den Überblick behalten, bietet das Chez Cul der Paille sogar einen Lageplan an.

Der urige Gastraum im Auberge-Retaurant Chez Cul de Paille in Poitiers besteht in seiner Form seit 1843. Typisch sind die mit zahlreichen Signaturen berühmter Persönlichkeiten bedeckten Wände, darunter französische Künstler, Sänger und Schauspieler wie Arletty, Georges Brassens, Claude François, Jean Marais, Charles Aznavour, Yves Montand, Jaques Brel, Coluche / © Foto: Georg Berg
Der urige Gastraum im Auberge-Restaurant Chez Cul de Paille besteht in seiner Form seit 1843 / © Foto: Georg Berg

Auf der Speisekarte stehen saisonale, kreative französische Gerichte mit kleinen Vorspeisen und Desserts zum Teilen. Die Hautgänge mit frischen und regionalen Zutaten wechseln regelmäßig. Zum Dessert gibt es hausgemachte Klassiker wie Mousse au Chocolat oder Tarte mit Fromage blanc und Limette. Im Cul de Paille können die Gäste in den Weinkeller steigen und sich aus den beschrifteten Regalen ihren Tischwein aussuchen. Den Wein bringt man mit an den Tisch, wo ihn das Personal öffnet.

Weinkeller zur Selbstbedienung im Auberge-Restaurant Chez Cul de Paille in Poitiers. Die Gäste gehen in den Kellerraum und suchen sich die Flasche Wein zum Essen aus. Preise stehen an den Weinkisten. Die Flasche nehmen die Gäste selber mit zum Tisch, wo die Flasche vom Personal geöffnet wird / © Foto: Georg Berg
Weinkeller zur Selbstbedienung im Auberge-Restaurant Chez Cul de Paille in Poitiers / © Foto: Georg Berg

Femme Fatale Eleonore von Aquitanien

Eleonore von Aquitanien machte Poitiers, die Hauptstadt von Aquitanien, zu einem Machtzentrum. Sie war die Femme Fatale des europäischen Mittelalters: Herzogin von Aquitanien aus eigenem Recht, Königin von Frankreich und später von England durch Heirat, Mutter der englischen Könige Richard Löwenherz und Johann Ohneland. Von Eleonore von Aquitanien, die als durchsetzungsstark galt und zeitlebens die Unabhängigkeit des Herzogtums Aquitanien verteidigte, erzählen in Poitiers vor allem die monumentalen Bauwerke. Besucher können eine Eleonore-von-Aquitanien-Tour buchen. Dieser Rundgang führt zu historischen und kulturellen Orten, die eng mit ihrem Leben verbunden sind: die Kathedrale Saint-Pierre, die Kirche Notre-Dame-la-Grande, der Grafenpalast, das Rathaus und der beeindruckende Salle des Pas Perdus. 

„Salle des Pas Perdus“ im Schloss von Poitiers (ehemals Grafenpalast, heute Palais de Justice) ist eine der größten und beeindruckendsten mittelalterlichen Profanhallen Europas. Er ist etwa 50 Meter lang und 17 Meter breit. Drei monumentale, reich verzierte Kamine dominieren eine Längsseite des Saals. / © Foto: Georg Berg
Salle des Pas Perdus im Schloss von Poitiers (ehemals Grafenpalast) ist eine der größten und beeindruckendsten mittelalterlichen Profanhallen Europas. Er ist etwa 50 Meter lang und 17 Meter breit. Drei monumentale, reich verzierte Kamine dominieren eine Längsseite des Saals / © Foto: Georg Berg

Baptisterium und Brutalismus

Das Baptisterium von Poitiers zählt zu den ältesten christlichen Bauwerken des Westens. Es entstand im 4. Jahrhundert und wurde bis ins 11. Jahrhundert mehrfach umgestaltet. 1834 entging es knapp dem Abriss und steht heute unter Denkmalschutz. Besonders eindrucksvoll sind die romanischen Wandmalereien im Taufraum und das alte achteckige Becken, das einst für Taufen durch Untertauchen diente. Im Laufe der Jahrhunderte wurde es auch zweckentfremdet und für das Gießen von Glocken genutzt.

Es ist das älteste christliche Bauwerk Frankreichs, das in Teilen aus dem 4. Jahrhundert stammt und im 6. Jahrhundert als Taufkirche (Baptisterium) umgestaltet wurde Das zentrale Element im Innern ist das älteste christliche Taufbecken Frankreichs, das für Erwachsenentaufen gestaltet wurde, bei denen der Täufling in das Wasser hinabstieg / © Foto: Georg Berg
Es ist das älteste christliche Bauwerk Frankreichs, das im 6. Jahrhundert als Taufkirche (Baptisterium) umgestaltet wurde / © Foto: Georg Berg

Das Musée Saint-Croix erhielt 1974 eine Auszeichnung für seine Brutalismus-Architektur, die mit dem Einsatz von Sichtbeton, klaren Linien und einfachen geometrischen Formen arbeitet. Das Museum zeigt eine breite Palette an Dauer- und Wechselausstellungen zu Kunst und Geschichte.  In der Abteilung für bildende Kunst finden sich Werke vom 14. bis zum 20. Jahrhundert, darunter Arbeiten von Camille Claudel, Auguste Rodin, Gustave Moreau und James Pradier.

Das Musée Saint-Croix erhielt 1974 eine Auszeichnung für seine Brutalismus-Architektur, die durch den Einsatz von Sichtbeton, klaren Linien und einfachen geometrischen Formen geprägt ist / © Foto: Georg Berg
Das Musée Saint-Croix in Poitiers in unmittelbarer Nähe zum Baptisterium / © Foto: Georg Berg

Blick in die Zukunft: Futuroscope

Seit 1987 zeigt das Futuroscope die Medientechnologien von morgen. Im Mittelpunkt stehen immersives Kino, Virtual-Reality-Erlebnisse, 4D-Abenteuer und modernste Spezialeffekte. Die Architektur und Attraktionen wirken futuristisch und experimentell. Jedes Kino steckt in einer individuellen, futuristischen Hülle. Innen tauchen Besucher in virtuelle Welten ein, oft mit wissenschaftlichem oder technischem Schwerpunkt. Der Park verbindet Unterhaltung mit Wissensvermittlung und hebt sich deutlich vom klassischen Freizeitpark ab. 2022 gewann das Futuroscope bei den internationalen ParkWorld Excellence Awards drei Preise.

Das Futuroscope bei Poitiers ist ein außergewöhnlicher Freizeitpark, der sich auf technische und mediale Innovationen sowie Fantasie-Welten spezialisiert hat. Seit seiner Eröffnung 1987 zeigt er die Medientechnologien der Zukunft. Im Zentrum stehen immersives Kino, Virtual-Reality-Erlebnisse, 4D-Abenteuer und modernste Spezialeffekte. Die Architektur und die Gestaltung der Attraktionen sind futuristisch und experimentell / © Foto: Georg Berg
Das Futuroscope bei Poitiers ist ein außergewöhnlicher Freizeitpark, der sich auf technische und mediale Innovationen sowie Fantasie-Welten spezialisiert hat / © Foto: Georg Berg

Ausflug nach Chauvigny

Gleich fünf Burgruinen bietet der kleine Ort Chauvigny etwa 25 Kilomenter östlich von Poitiers. Die mittelalterliche Skyline hat man bei einer Draisinen-Fahrt auf der alten Eisenbahnstrecke besonders gut im Blick. Die Oberstadt von Chauvigny bietet eine außergewöhnliche Dichte an Burgruinen, eingebettet in charmante Gassen. Die Ruinen dienen heute verschiedenen Zwecken, darunter Greifvogelshows und Escape-Games. Jedes Jahr Ende August findet in Chauvigny ein Mittelalterfest statt.

Bei einer Fahrt mit dem VeloRail auf einer alten Eisenbahnstrecke hat man die Skyline von Chauvigny mit fünf Burgruinen im Blick / © Foto: Georg Berg
Bei einer Fahrt mit dem VeloRail auf einer alten Eisenbahnstrecke hat man die Skyline von Chauvigny mit fünf Burgruinen im Blick / © Foto: Georg Berg

Idylle am Stadtrand: Hotel Domaine de l’Ecorcerie

Aus dem Haus ihrer Großeltern formten Axelle Favre, ihre Schwester und ihre Mutter das Boutiquehotel Domaine de L’Ecorcerie. Umgeben von Wiesen und Wald bietet es einen perfekten Rückzugsort. Von der Terrasse schweift der Blick über eine Koppel. Die Pferde stehen dicht aneinander unter einer großen Kiefer, ab und zu schnaufen sie, sonst herrscht Stille – wunderbar. Ebenso wunderbar ist das Frühstück aus regionalen Zutaten. Brot und Gebäck liefert eine Traditionsbäckerei aus dem nahen Saint Bernois, das Rührei wird frisch zubereitet, die Marmeladen sind hausgemacht. Axelle legt großen Wert auf Nachhaltigkeit – seit Kurzem trägt das Haus ein Ecolabel. „Wir fühlen uns nicht wie ein Hotel“, sagt sie, „und setzen uns auch gern zu unseren Gästen auf einen Drink. “

Hotel Domaine de L’Ecorcerie: Mutter Marie-Helene Boutaud (rechts) Tochter Axelle Favre (links) vor dem ehemaligen Familiensitz der Großeltern, der zu einem Boutitquehotel, nahe Poitiers umgebaut wurde / © Foto: Georg Berg
Hotel Domaine de L’Ecorcerie: Mutter Marie-Helene Boutaud mit Tochter Axelle Favre vor dem ehemaligen Familiensitz der Großeltern, der zu einem Boutitquehotel, nahe Poitiers umgebaut wurde / © Foto: Georg Berg

Highlights in Nouvelle-Aquitaine

Die Charente windet sich auf 380 Kilometern durch die französische Region Nouvelle-Aquitaine. Ihr Lauf führt vom bergigen Quellgebiet über sanfte Hügel und Weinberge bis zu den maritimen Auen an der Mündung. Ab Angoulême ist der Fluss bis zum Atlantik bei Rochefort schiffbar. Einst diente er als Hauptverkehrsweg für die Cognacproduktion. Heute laden Cognac-Häuser und Winzer zum Spiritourismus ein, während Radwege wie der Flow Vélo an malerischen Dörfern, alten Steinbrücken, einer seltenen Schwebefähre, Wassermühlen, Burgen und der Altstadt von Angoulême vorbeiführen. Die Charente gilt noch als Geheimtipp, gehört sie doch zu den ursprünglichsten Flusslandschaften Frankreichs: kaum Massentourismus, dafür viel Natur, Ruhe und Genuss. Die kleine Insel Aix war einst ein Bollwerk zum Schutz der Charente-Mündung vor feindlichen Flotten, heute beliebt für einen Tagesausflug ans Meer. Auch abseits der Charente gibt es in Nouvelle-Aquitaine viel zu entdecken. Die Stadt Poitiers auf halber Strecke zwischen Paris und Bordeaux war Machtzentrale des Mittelalters und bietet mit dem Freizeitpark Futuroscope immersives Kino.

Die Recherchereise wurde von Nouvelle-Aquitaine Tourismus und Visit Poitiers unterstützt

Reise Themen auf Tellerrand-Stories

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