Sammlung Oskar Reinhart in Winterthur

Gib mir einen Korb! Das Picknick liegt seit Corona voll im Trend. Dabei ist die Idee vom Picknick im Grünen nicht gerade neu. Le Dejeuner sur l’herbe war in der französischen Kunst zur Zeit der Impressionisten ein beliebtes Motiv. Neu ist dagegen die Idee, die Museumsbesucher mit einem schön gepackten Picknickkorb thematisch verknüpft mit den Werken der Sammlung in den hauseigenen Garten einzuladen. Mit flauschiger Decke, Kissen und einem kulinarisch ansprechenden Korb, wählt man sich ein Plätzchen unter alten Obstbäumen. Gerade hat man noch die Werke von Manet, Renoir oder einem frühen Picasso bestaunt, lässt man nun den Blick über die wilde Blumenwiese schweifen und packt gespannt den Picknickkorb aus. Diese Idee wurde in der Sammlung Oskar Reinhart lange vor Corona geboren und entwickelt sich nun mit Corona zu einem wahren Besucher-Liebling.

Bestens gewappnet für ein Picknick im Park. Angela Berg macht sich auf den Weg - den historischen Weg - auf dem Oskar Reinhart durch seinen Garten spazierte. Heute sind dort an drei Stellen Plätze unter alten Obstbäumen freigemäht / © Foto: Georg Berg
Bestens gewappnet für ein Picknick im Park. Angela Berg macht sich auf den Weg – den historischen Weg – auf dem Oskar Reinhart durch seinen Garten spazierte. Heute sind dort an drei Stellen Plätze unter alten Obstbäumen freigemäht / © Foto: Georg Berg

Kunst statt Kolonialwaren

Der Schweizer Kunstsammler Oskar Reinhart genoss nachmittags gerne einen Kaffee in seinem Garten. Kein Wunder, seine Familie beherrschte Ende des 19. Jahrhunderts mit dem Handel von Kolonialwaren zeitweise 80 Prozent des weltweiten Kaffeehandels. Später waren sie große Player im Baumwollhandel. So konnte sich der junge Oskar Reinhart mit Anfang zwanzig schon auf den Berufswunsch Kunstsammler festlegen. Ganz aus dem Familienunternehmen zurückziehen durfte er sich aber erst mit 39 Jahren. So erwarb er 1924 die Villa am Römerholz in Winterthur und machte sie zu seinem Wohnsitz und dem ersten Aufbewahrungsort seiner Sammlung.

Die Portraits Anna und Johannes Cuspinian von Lukas Cranach d.Ä. in der Villa am Römerholz, erbaut 1915 im Stil einer Direktoren-Villa. Ausdrucksstark sind ebenfalls die Parkettarbeiten / © Foto: Georg Berg
Die Portraits Anna und Johannes Cuspinian von Lukas Cranach d.Ä. in der Villa am Römerholz, erbaut 1915 im Stil einer Direktoren-Villa. Ausdrucksstark sind ebenfalls die Parkettarbeiten / © Foto: Georg Berg

Der Schatz im Römerholz

Einmal angekommen in der erhöht gelegenen Villa am Stadtrand von Winterthur, hat man beim Gang durch die Ausstellungsräume schnell das Gefühl, einen wahren Geheimtipp entdeckt zu haben. Alle Zweifel, die sich auf der halbstündigen Zugfahrt aus Zürich kommend noch eingestellt hatten, sind verflogen. Dieser Ausflug lohnt! Oskar Reinharts großes Interesse als Sammler galt den Impressionisten. Die meisten Werke erwarb er in den 1920er und 1930er Jahren. Hoch ist die Dichte der Renoirs, Manets und Cezannes in den wunderschön vertäfelten und mit atemberaubenden Parkettarbeiten ausgestatteten Räumen. Es gab eine Zeit, so erzählt die stellvertretende Museumsleiterin Katja Baumhoff, in der kam auf 1.000 Einwohner von Winterthur ein Renoir.

Der Galeriebau der Sammlung Oskar Reinhart. Hier treten alte Meister in den Dialog mit französischen Impressionisten. Die Hängung entspricht den Vorgaben ihres Sammlers / © Foto: Georg Berg
Der Galeriebau der Sammlung Oskar Reinhart. Hier treten alte Meister in den Dialog mit französischen Impressionisten. Die Hängung entspricht den Vorgaben ihres Sammlers / © Foto: Georg Berg

Aber Reinhart sammelte auch Alte Meister wie Cranach, Bassano und Goya. In ihren Werken sah er eine Verbindung zu der malerisch-ästhetischen Qualität der Impressionisten. Sein Ehrgeiz war es, stets nur die besten zu seiner Zeit erreichbaren Meisterwerke zu erwerben. Seine kaufmännische Grundausbildung half, das hoch gesteckte Ziel auch umzusetzen. Reinhart trug Werkgruppen europäischer Kunst zusammen, die weltweit zu den Besten gehören.

Katja Baumhoff, stellv. Leiterin der Sammlung Oskar Reinhart, erklärt, wie die Idee zu den Picknick-Körben entstanden ist / © Foto: Georg Berg
Katja Baumhoff, stellv. Leiterin der Sammlung Oskar Reinhart, erklärt, wie die Idee zu den Picknick-Körben entstanden ist / © Foto: Georg Berg
Picknick-Gespräch (3’03“) Angela Berg und Katja Baumhoff, stellv. Leiterin und wissenschaftliche Mitarbeiterin der Sammlung Oskar Reinhart in Winterthur

Gib mir einen Korb! Picknicken liegt im Trend

Mit einem Picknickkorb á la Claude Monet, bestückt mit Baguette, Käse, Saisonfrüchten, kalter Gurkensuppe sowie Kaffee und Gebäck lässt es sich gut aushalten unter dem alten Apfelbaum. Katja Baumhoff erzählt, dass die Idee zum Picknick im Park keineswegs aufgrund von Corona-Kalamitäten ersonnen wurde. Sie passte einfach zum Haus: Weil der Garten ein Lieblingsplatz von Oskar Reinhart war, weil die Sammlung mit den Bildern der Impressionisten dieses Gefühl vorlebt und weil die Villa mit Garten auch als Gesamtkunstwerk zu verstehen ist und man daher den Garten für Besucher stärker öffnen wollte.

Hier wartet ein echter Claude Monet! Ein Picknick Korb mit Baguette, Käse, einer kalten Gurkensuppe, Obst, Gebäck und Kaffee trägt den Namen des französischen Malers. Ganz im Sinne der französischen Kunst des Dejeuner de l’herbe geht es auch in der Villa am Römerholz raus ins Grüne / © Foto: Georg Berg
Hier wartet ein echter Claude Monet! Ein Picknick Korb mit Baguette, Käse, einer kalten Gurkensuppe, Obst, Gebäck und Kaffee trägt den Namen des französischen Malers. Ganz im Sinne der französischen Kunst des Dejeuner de l’herbe geht es auch in der Villa am Römerholz raus ins Grüne / © Foto: Georg Berg

Als Picknicker kann man sich zu zweit oder als Gruppe kulinarisch der Kunst nähern. Während Claude Monet, wie beschrieben, typisch französisch daherkommt, ist der Picknickkorb des Pieter Bruegel mit gekochten Eiern, Speck, Salami und Bier weitaus herzhafter. Pablo Picasso fährt Oliven, Gazpacho, Manchego und Chorizo auf, während Pierre-Auguste Renoir einen klassischen Kaffee mit Kuchen im Gepäck hat. Auf Wunsch können die Körbe mit Wein oder Prosecco aufgerüstet werden. Die Sammlung Oskar Reinhart hat seit Beginn der Corona Epidemie mehr als 100 % Steigerung bei den Picknick-Buchungen, die mindestens 24 Stunden vor dem Arrangement im Park vom Besucher gebucht werden müssen.

Social Distancing unter alten Meistern

In den Ausstellungsräumen der Sammlung Oskar Reinhart wird mittlerweile das dritte Sicherheitskonzept gefahren. Katja Baumhoff ist froh, dass sie im Haus von der 2-Meter-Regelung auf 1,50 Meter gehen konnten. Trotzdem bedeutet dies für manchen kleineren Zwischenraum, dass der Besucher hier mit den Impressionisten alleine ist.

Mancher Raum der Sammlung Oskar Reinhart lässt nach dem Sicherheitskonzept aufgrund der Corona-Pandemie nur einen Besucher zu / © Foto: Georg Berg
Mancher Raum der Sammlung Oskar Reinhart lässt nach dem Sicherheitskonzept aufgrund der Corona-Pandemie nur einen Besucher zu / © Foto: Georg Berg

Reisebeschränkungen auch für Kunstwerke

Zuerst verfügte Oskar Reinhart, dass die Kunstwerke seiner Sammlung nicht an andere Kunsthäuser verliehen werden sollen. Doch mehr als 50 Jahre nach seinem Tod öffnet sich das Haus für Leihgaben. Allerdings verschieben sich weltweit derzeit die geplanten Kunstausstellungen. Wertvolle Kunst reist niemals allein. Lockdowns und Reisewarnungen machen es fast unmöglich, umfangreiche Werkschauen zu organisieren. So wurde die große Retrospektive zu Goya in der Fondation Beyeler in Basel auf Oktober 2021 verschoben und somit auch die Reise des Stilllebens mit drei Lachsscheiben von Winterthur nach Basel.

Das Stilleben mit drei Lachsscheiben hat Francisco de Goya vor über 200 Jahren gemalt. Perspektive und Lichteffekte sind bemerkenswert / © Foto: Georg Berg
Das Stilleben mit drei Lachsscheiben hat Francisco de Goya vor über 200 Jahren gemalt. Perspektive und Lichteffekte sind bemerkenswert / © Foto: Georg Berg

Statt die Werke von Goya zu zeigen, wurde in der Fondation Beyeler in Basel die überaus erfolgreiche Ausstellung mit Werken des amerikanischen Malers Edward Hopper bis Ende September 2020 verlängert. Auch hier sind Corona-Kuriositäten zu beobachten. Während die Kunst sich präsentiert, maskiert sich ihr Betrachter.

Kuriose Situationen im Museum der Fondation Beyerler: Maskerade rund um Edward Hopper / © Foto: Georg Berg
Kuriose Situationen im Museum der Fondation Beyerler: Maskerade rund um Edward Hopper / © Foto: Georg Berg

Weiterführende Informationen

Die Sammlung Oskar Reinhart in der Villa am Römerholz https://www.roemerholz.ch
Das Museum ist von Zürich aus gut mit dem Zug erreichbar. Vom Bahnhof Winterthur bestehen Verbindungen mit dem öffentlichen Bus oder dem Museums-Shuttle. Fußweg ab Bahnhof in rund 20 Minuten Gehzeit.

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Kosten für Eintrittsgelder und Picknick wurden uns nicht berechnet

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