Im Dorf Borschemich wohnt seit ein paar Wochen keiner mehr. Wir sind in einer Geisterstadt, die in jedem zufällig vorbeikommenden Freizeitradler einen Schauer über den Rücken laufen lässt. Viele Häuser stehen noch und man ahnt, dass hier noch vor kurzem normaler Alltag herrschte. Aber jetzt ist die Bushaltestelle ist verwaist, auf dem Friedhof sind viele Gräber frisch geöffnet und vor einigen Türe stehen noch die Mülltonnen. Bei allen Häusern, die noch stehen, sind Fenster und Türen zugemauert.
Am Dorfplatz werden Biertische und Bänke aufgebaut. Einige Frauen laden einen einen riesigen Topf mit heißer Erbsensuppe aus dem Kofferraum. Der Dorfplatz füllt sich und man spürt, dass gleich etwas besonderes stattfinden könnte. Jeder Fremde ist willkommen und spätestens die Ansprache des Dorfvorstehers machte auch den unvorbereiteten Zufallsgästen klar, um was es ging.
Am 27. Februar 2016 haben sich die ehemaligen Dorfbewohner von Borschemich versammelt, um die alte Dorflinde zu fällen. Nach der Kirche und dem Haus Paland, die von RWE dem Erdboden gleich gemacht wurden, verschwindet damit das letzte Wahrzeichen des Dorfes, dessen Einwohner gegen ihren Willen dem Braunkohletagebau weichen mussten. Die Linde hatte 329 Jahre lang Kriege und schwere Zeiten überdauert und war für viele der Ort des ersten Kusses. Der Dorftrutz sollte nun nicht durch fremde Hände fallen. Nach der gemeinschaftlichen Veranstaltung konnten die Teilnehmer Erinnerungen oder ein Stück Holz mitnehmen.
„Noch immer grüßt vom trauten Platz im Dorf,
der wunderliche Schatz, die alte knorrige Linde.
Und wieget leise ihr mächtig Haupt,
und wer nicht an ihr Alter glaubt,
der schau die Runen ihrer Rinde.
Sie trägt den alten Faltenrock
und immer jugentliches Blattgelock
im Zauber der Frühlingssäfte.“Aber mancher Zahn der Zeit nagte an ihr.
Einige hundert Jahre brauste der Sturm.
Oftmals wurde sie beschnitten,
aber sie steht noch fest verwurzelt im Heimatboden!
Die Linde steht wie eh und je! Noch!!!!Doch des Dorfes Wahrzeichen
durchziehen trutzige Kräfte –Drum Vorsicht!
Gedicht (leicht abgewandelt vorgetragen) aus der Festschrift des Musikvereins Borschemich (1966)
Wenn die Linde nun fallen muss.
dann in Gottes Namen! -Amen-
Mit dem gemeinsam gesungenen Lied „Am Brunnen vor dem Tore, da stand ein Lindenbaum“ geht man wieder auseinander.