Architektonisches Highlight in Tbilisi

Die Wohnanlage Tbilisi Skybridge in der georgischen Hauptstadt Tbilisi ist weltweit bekannt für ihre atemberaubenden Verbindungsbrücken in schwindelerregender Höhe. Einheimische schätzen sie vor allem als schnellsten Fußweg zwischen den Stadtteilen Saburtalo und Nutsubidze.

Brücken in schwindelerregender Höhe sind das Markenzeichen der Tbilisi Skybridge / © Foto: Georg Berg
Brücken in schwindelerregender Höhe sind das Markenzeichen der Tbilisi Skybridge / © Foto: Georg Berg

An heißen Sommertagen kann der Aufstieg über die öffentlichen Serpentinenstraßen sehr anstrengend sein. Ortskundige nutzen daher das erste Gebäude in Saburtalo, fahren für 20 Tetris (7 Euro Cent) in die 14. Etage und gelangen über offene Brücken zwischen den drei Gebäuden bis zum Ausgang in Nutsubidze. Dadurch sparen sie 20 Minuten! Die Brücken befinden sich im tiefsten Gebäude auf der 14. Etage und in den anderen auf der 12. bzw.10 Etage.

Die Stadtteile Saburtalo und Nutsubidze von Tbilisi liegen am Hang und sind durch den Gebäudekomplex der Skybridges bestens miteinander verbunden / © Foto: Georg Berg
Die Stadtteile Saburtalo und Nutsubidze von Tbilisi liegen am Hang und sind durch den Gebäudekomplex der Skybridges bestens miteinander verbunden / © Foto: Georg Berg
Der obere Zugang vom Stadtteil Nutsubidze aus zu den Tbilisi Skybridges. Unter der letzten Brücke befinden sich die Überreste eines terrassenförmig angelegten Gemüsegartens  / © Foto: Georg Berg
Der obere Zugang vom Stadtteil Nutsubidze aus zu den Tbilisi Skybridges. Unter der letzten Brücke befinden sich die Überreste eines terrassenförmig angelegten Gemüsegartens / © Foto: Georg Berg

Beliebte Architektur seit 50 Jahren

Die Architektur der Wohnanlage war vor 50 Jahren wegweisend. Sie vereint Wohnsiedlung und Durchgangsstraße und stellt eine Verschmelzung von privatem und öffentlichem Raum dar – ein Motiv, das sich überall in Tiflis wiederholt. Trotz der Entfernung von 11 Kilometern zum historischen Stadtzentrum ziehen die Brücken des Gebäudekomplexes immer wieder Besucher an.

Die meisten Appartments in den ursprünglich zu Sowjetzeiten gebauten Wohnblocks sind jetzt beliebte Eigentumswohnungen der langjährigen Besitzer / © Foto: Georg Berg
Die meisten Appartments in den ursprünglich zu Sowjetzeiten gebauten Wohnblocks sind jetzt beliebte Eigentumswohnungen der langjährigen Besitzer / © Foto: Georg Berg

Der Bau, ursprünglich als Residential Complex “Shatili” von den Architekten Otar ‚Toni‘ Kalandarishvili und Gaioz ‚Gizo‘ Potskhishvili im Jahr 1974 entworfen, galt damals als hochmodern. Er unterschied sich vom üblichen sowjetischen Brutalismus und verwendete georgische Gestaltungselemente. Die Fassadenelemente aus Mahagoniholz und in Hufeisenform sind eine Anspielung auf die geschnitzten Balkone und Shushabandi-Glasgalerien in der Altstadt von Tbilisi. Ursprünglich war sogar geplant, die Warmwasserversorgung aus den natürlichen heißen Schwefelquellen, nach denen Tbilisi benannt ist (georgisch tbili = warm), zu nutzen.

Viele der als Glückssymbol geplanten hufeisenförmigen Fenster wurden teilweise mit Beton gefüllt und durch rechteckige Kunststofffenster ersetzt / © Foto: Georg Berg
Viele der als Glückssymbol geplanten hufeisenförmigen Fenster wurden teilweise mit Beton gefüllt und durch rechteckige Kunststofffenster ersetzt / © Foto: Georg Berg

Im Laufe der Zeit haben die meisten Bewohner ihre Wohnung umgestaltet, indem sie halblegale Anbauten angebracht und Balkone mit Ziegeln aufgefüllt haben, um zusätzlichen Raum zu schaffen. Das Ergebnis ist ein buntes Durcheinander, wobei die Fassade jeder Wohnung etwas über die Familie verrät, die darin wohnt.

Ungewöhnliche Aufzugsregelung für ein harmonisches Zusammenleben

Die Bewohner der Wohnanlage können friedlich mit Touristen und Passanten zusammenleben, da der öffentliche Aufzug nur mit einer Münze pro Person gestartet wird und nur zwei Haltestellen hat: im Erdgeschoss und auf der 14. Etage, wo sich die Verbindungsbrücken zwischen den Gebäuden befinden. Das Treppenhaus ist zwar nicht verschlossen aber keine Alternative, weil die Tür zu den Brücken auf der 14. Etage nur mit einer Chipkarte für Bewohner geöffnet werden kann.

Vor Mzias Büro ist ein Spielplatz für Katzen. Die Frau betreut seit Jahrzehnten den öffentlichen Aufzug der Tbilisi Skybridge / © Foto: Georg Berg
Vor Mzias Büro ist ein Spielplatz für Katzen. Die Frau betreut seit Jahrzehnten den öffentlichen Aufzug der Tbilisi Skybridge / © Foto: Georg Berg

Wir haben uns selbstständig mit der Metro auf den Weg gemacht und sind am Station Square in die Saburtalo-Linie umgestiegen. Vom U-Bahnhof State University ist es nicht mehr weit und man kann zwischen den normalen Plattenbauten bald das Ziel erkennen. Glücklicherweise kam Demetre, ein Schüler, der fließend Englisch sprach, auf uns zu, als wir die Skybridge-Häuser erreichten, und erklärte uns alles. Für 10 Lari (3,50 Euro) bot er sogar an, uns exklusiv durch das Gebäude zu führen und alle benötigten Münzen bereitzustellen. Er ging zu Mzia, einer Frau, die neben dem Aufzug wohnt und sich seit langer Zeit um den reibungslosen Betrieb kümmert. Bei ihr tauschte er die 20 Tetri-Münzen für die Hin- und Rückfahrt. Denn der Aufzug funktioniert nur mit diesen selten gewordenen Münzen. Als Tourist hat man kaum mit den kleinen Tetri-Münzen zu tun, da man bereits mit den georgischen Lari-Scheinen zu kämpfen hat.

Die Funktionsweise des Aufzugs erschließt sich aus den Anleitungen in Georgischer und Kyrillischer Schrift nicht wirklich. Nur gut, wenn man ortskundige Führer hat / © Foto: Georg Berg
Die Funktionsweise des Aufzugs erschließt sich aus den Anleitungen in Georgischer und Kyrillischer Schrift nicht wirklich. Nur gut, wenn man ortskundige Führer hat / © Foto: Georg Berg
Die glaslosen Fenster im Aufzugschacht wurden einfach aus dem Beton ausgeschnitten / © Foto: Georg Berg
Die glaslosen Fenster im Aufzugschacht wurden einfach aus dem Beton ausgeschnitten / © Foto: Georg Berg

Besonders sicher in einem Erdbebengebiet

Die Brücken sind alt und etwas wackelig. Tbilisi liegt zudem in einem Gebiet mit häufigen Erdbeben. Trotz einiger Löcher im Beton unter unseren Füßen und einer leichten Bewegung an einem windigen Tag sind sie sicher. Hunderte von Menschen überqueren sie jeden Tag und durch den Verbund mit Stahlträgern haben sie sogar einen Vorteil gegenüber einzeln stehenden Gebäuden.

Die Gitterträger sind zwar schon in die Jahre gekommen und rostig, aber stabile Zäune sichern immerhin gegen die oft scharfen Seitenwinde / © Foto: Georg Berg
Die Gitterträger sind zwar schon in die Jahre gekommen und rostig, aber stabile Zäune sichern immerhin gegen die oft scharfen Seitenwinde / © Foto: Georg Berg

Wie findet man die Skybridge?

Wer keine geführte Tour machen möchte, kann es wie wir auf eigene Faust versuchen und den Aufzug im ersten Haus (mit der Mahagoni-Fassade) nehmen. Man sollte passendes Kleingeld für den Rückweg dabei haben, da im Haus kein Geld gewechselt wird.

In Begleitung eines Bewohners hat man aus einem leerstehenden Appartment einen guten Blick auf die Himmelsbrücken / © Foto: Georg Berg
In Begleitung eines Bewohners hat man aus einem leerstehenden Appartment einen guten Blick auf die Himmelsbrücken / © Foto: Georg Berg
Very instagramable: Schattenspiel der rostigen Gitterträger in zugiger Höhe / © Foto: Georg Berg
Very instagramable: Schattenspiel der rostigen Gitterträger in zugiger Höhe / © Foto: Georg Berg

Brücken in Georgien

Auf unserer Reise durch Georgien haben wir festgestellt, dass Brücken in der georgischen Architektur eine wichtige Rolle spielen – sowohl als funktionales Gestaltungselement zur Verbindung von Gebäuden als auch als architektonische Wahrzeichen. Das Tbilisi Architecture Archive listet die Skybridge noch unter dem ursprünglichen Namen Residential Complex “Shatili”.

Von den vielen Wehrdörfern, die wir auf unserer Wanderung durch Tuschetien und Chewsuretien gesehen haben, ist nur eines nie erobert worden. Die Verteidiger konnten sich ständig über Dächer und Brücken zwischen den Häusern neu formieren. Mehr über Georgiens bewegte Geschichte erfahren Sie in einem anderen Beitrag.

Die Stadt Schatili liegt in einer strategisch wichtigen Lage in der historischen georgischen Provinz Chewsuretien. Sie ist oft belagert aber nie besiegt worden. Ein Geheimnis dieser Wehrhaftigkeit soll gewesen sein, dass alle Häuser zusätzlich  über Brücken miteinander verbunden waren / © Foto: Georg Berg
Die Stadt Schatili liegt in einer strategisch wichtigen Lage in der historischen georgischen Provinz Chewsuretien. Sie ist oft belagert aber nie besiegt worden. Ein Geheimnis dieser Wehrhaftigkeit soll gewesen sein, dass alle Häuser zusätzlich über Brücken miteinander verbunden waren / © Foto: Georg Berg
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