Wenn ich vor wenigen Wochen meine Augen weiter geöffnet hätte, hätte ich als glücklicher Finder eines der größten Diamanten von Sierra Leone in die Geschichte eingehen können. Aber es kam anders.
Pastor Emmanuel Momoh aus Koidu hat einen Nebenjob. In der Ostprovinz Sierra Leones sucht er nach Diamanten und konnte bisher sein Gehalt damit nur geringfügig aufgebessern. Vor zwei Wochen aber traute er seinen Augen nicht. In der schlammigen Brühe des Woyie Flusses erkennt er einen größeren Brocken, der braun aussieht und uns an Bernstein erinnern würde.
Momohs Diamant ist mit seinen 706 Karat der nach dem 1972 gefundenen Stern von Sierra Leone zweitgrößte in Sierra Leone gefundene Diamant. Weltweit sind bislang nur neun größere Diamanten gefunden worden.
Hitliste der Großdiamanten
Spitzenreiter ist der 1905 in Südafrika gefundene 3107 Karat schwere Cullinan. Aus ihm wurden mehrere Schmuckdiamanten geschliffen, von denen zwei zu den englischen Kronjuwelen gehören.
An die zweite Stelle der funkelnden Hitliste hat es vor zwei Jahren ein Fund aus Botswana geschafft. Der Lesedi La Rona bringt 1111 Karat auf die Feinwaage. Er hat damit den drittplatzierten Diamant Excelsior überholt, der 995 Karat wiegt und 1893 in Südafrika gefunden wurde.
Auf der vierten Stelle der Weltbestenliste liegt der Stern von Sierra Leone, gefolgt von Incomparable, der 1980 im Kongo gefunden wurde und 890 Karat wiegt. In Indien wurde im Jahr 1650 der damals schwerste 797,5 Karat wiegende Diamant gefunden. Heute liegt der Großmogul auf Platz 6 der Top Ten.
Vor dem jüngsten Fund aus Sierra Leone liegen noch auf dem 7. Platz Golden Jubilee, 755 Karat (Südafrika 1985) gefolgt von Präsident Vargas, 726,8 Karat (Brasilien 1938) und Jonker, 726 Karat (Südafrika 1934).
Den jetzt jüngsten Großdiamanten hält Tage später der Präsident Sierra Leones, Ernest Bai Koroma, in der Hand und freut sich, dass der Pastor nicht wie viele andere versucht hat, den Edelstein über dunkle Kanäle zu verkaufen. So kann das arme Land, das am Anfang des Jahrhunderts wegen seiner Diamanten einen zehnjährigen Bürgerkrieg erlebt hat, endlich auch dringend benötigte Steuern einnehmen.
Pastor Emmanuel Momoh, der den Diamanten mit bloßen Händen aus dem Fluss geborgen hat, erhält einen Anteil des öffentlich bekannten Verkaufserlöses. Bei der Versteigerung, für die in Freetown, Sierra Leone der 5. April 2017 angesetzt ist, dürfte je nach Reinheit des Diamanten ein siebenstelliger Eurobetrag erlöst werden.
Diamonds are a girl’s best friend
Marilyn Monroe stellt Diamanten in ihrem Song freundlich dar. In Wirklichkeit sind sie aber häufig Gegenstand schmutziger Geschäfte.
Auf meiner Reise durch Sierra Leone sind mir in einigen Städten Läden der Diamantenhändler aufgefallen. Welche Geschäfte hinter diskreten Fassaden getätigt werden und welche heimlichen Wege die gefundenen Diamanten dann einschlagen, darüber kann man nur Vermutungen anstellen. Jedenfalls ist es gemäß dem Kimberley Prozess nur der Regierung von Sierra Leone erlaubt, Zertifikate für Rohdiamanten auszustellen. Damit soll der illegale Export unterbunden werden, der in der Vergangenheit Rebellenorganisationen finanziert hat. Der bekannte Hollywoodfilm Blutdiamanten mit Leonardo Di Caprio und Djimon Hounsou hat uns den Teil der Geschichte Sierra Leones drastisch vor Augen geführt. Als im Jahr 2002 der Bürgerkrieg zu Ende war, hatten mehr als 100.000 Menschen ihr Leben verloren und noch heute sind viele verstümmelt.
Strenge Gepäckkontrollen für Reisende
Wer aus Sierra Leone ausreist, muss sich auf detaillierte Gepäckkontrollen einstellen, bei denen akribisch nach Diamanten gesucht wird und das nicht nur im Handgepäck. Mir ist nach meiner Rückkunft erst am Brüsseler Flughafen aufgefallen, dass das Schloss eines Koffers aufgebrochen war und der Inhalt komplett durchsucht worden sein muss. Sogar der Gummiverschluss, mit dem die Aufladebuchse meiner Drohnenfernsteuerung verschlossen wird, ist herausgerissen worden. Vermutlich weil das ein beliebtes Versteck für Diamantenschmuggler ist.
Pastor Emmanuel Momoh jedenfalls möchte mit seiner Aktion, für die er in den sozialen Medien Sierra Leones viel Spott kassiert hat, auf die Verantwortung hinweisen: Der Finder und auch die Gesellschaft sollte etwas vom Erlös abbekommen.