Schummeleien in der Fastenzeit

Von wegen am Aschermittwoch ist alles vorbei! Die 40 Tage Fastenzeit bis Ostern haben die Menschen schon immer zum Schummeln verführt. Die Tricks erfanden nicht die einfachen Leute. Es waren die Mönche in den Klöstern, denen die verschärfte Enthaltsamkeit zu weit ging. Aus den klösterlichen Schummeleien und den strengen Fastenregeln von einst entwickelten sich Traditionen, die wir heute noch feiern. Dazu gehören Fettgebackenes wie Krapfen, Berliner und Muzenmandeln im Karneval, denn auch Butter stand jahrhundertelang auf der Verbotsliste. Mardi Gras, der Fette Dienstag, lässt grüßen. Aber hinter dicken Klostermauern war man besonders kreativ!

Die Altenburg mit ihrem markanten Turm steht auf einem Bergkegel am Rande der Steigerwaldhöhe. Die Burg war von 1305 bis 1553 Residenz der Bamberger Fürstbischöfe / © Foto: Georg Berg
Die Altenburg mit ihrem markanten Turm steht auf einem Bergkegel am Rande der Steigerwaldhöhe. Die Burg war von 1305 bis 1553 Residenz der Bamberger Fürstbischöfe / © Foto: Georg Berg

Der Trick mit dem Fastenbier

Bierbrauen gehörte im Mittelalter zu den Kernkompetenzen der Klöster. Für die Fastenzeit brauten die Mönche gerne einen besonderen Sud. Der Anstich der vollmundigen Fastenbiere erfolgte direkt am Aschermittwoch. Das Fastenbier war besonders gehaltvoll, um den Mangel an fester Nahrung auszugleichen. Die Legitimation für dieses nahrhafte Spezialbier bezogen die Mönche aus einer raffinierten Auslegung der Fastenregeln. Rom hatte verkündet: Was flüssig ist, bricht das Fasten nicht. Man durfte also das Wenige, was man sonst aß, auch trinken.

Blick in den Sudkessel der Heller Brauerei Schlenkerla. Sie ist eine von nur noch zwei Brauereien, die Rauchbier produzieren / © Foto: Georg Berg
Blick in den Sudkessel der Heller Brauerei Schlenkerla. Für die Fastenzeit wird hier noch jedes Jahr ein Spezialsud für das Aecht Schlenkerla Fastenbier angesetzt / © Foto: Georg Berg

Bleibt die Frage, wie die Mönche das Alkoholverbot umgingen. Es scheint, als habe man sich die Erlaubnis von ganz oben geholt. Der Papst wurde gefragt, ob Bier unter die Regel „Liquida non frangunt ieunum – Flüssiges bricht das Fasten nicht“ falle. Daraufhin bat der Papst um eine Probe des Getränks. Nun, der lange und ungekühlte Transportweg nach Rom machte aus dem Fastenbier ein scheußliches Gebräu, das dem Papst eines Fastengetränks würdig erschien. Ganze fünf Liter wurden den Mönchen pro Tag zugestanden. Das klingt eher nach Schlaraffenland als nach Verzicht. Bis heute brauen viele Brauereien mit klösterlichem Background ein spezielles Fastenbier für die Zeit des Verzichts bis Ostern. In der Bamberger Traditionsbrauerei Schlenkerla wird jedes Jahr ab Februar das Aecht Schlenkerla Fastenbier ausgeschenkt.

Die Stammwürze am Siedepunkt. Bald kann sie ins Kühlschiff abgelassen werden / © Foto: Georg Berg
Die Stammwürze am Siedepunkt. Hier wird entschieden, wie gehaltvoll ein Bier werden soll / © Foto: Georg Berg

Die Erfindung der Maultasche

Der kirchlich verordnete Verzicht hat eine lange Tradition. Im Jahr 590 verfügte Papst Gregor I., dass während der Fastenzeit keine warmblütigen Tiere auf den Teller kommen dürfen. Fische, Reptilien und sogar Insekten durften dagegen gegessen werden. Doch damit nicht genug: Später standen auch Butter, Eier, Käse und Milch auf der Verbotsliste. Cool, könnte man jetzt denken, die Menschheit auf dem Weg zum Veganismus. Angesichts der harten Lebensbedingungen jener Zeit war der Verzicht auf tierisches Eiweiß eine gesundheitlich problematische Essensregel.

Gemüse, Gewürze und Rauchbier aus Bamberg. Auch das Rauchbier kann als Würze eingesetzt werden. Grundzutaten für den ersten Gang des Mittelalter-Menüs im Gasthof Schlenkerla „Ein spise von bonen und spec vigen“. / © Foto: Georg Berg
Gemüse, Gewürze und Bier aus Bamberg. Das Bier wird hier als Würzmittel eingesetzt. Grundzutaten für das Gericht „Ein spise von bonen und spec vigen“ aus dem Mittelalter-Menü im Gasthof Schlenkerla / © Foto: Georg Berg

Erst um 1500 wurden die strengen Fastengesetze gelockert. Doch Not macht gottlob erfinderisch. So soll der Legende nach die berühmte schwäbische Maultasche aus dem Gewissenskonflikt eines Mönchs entstanden sein, der in der Fastenzeit ein Stück Fleisch erwischt hatte und dessen Verzehr er vor dem Herrgott verheimlichen wollte. Der Mönch versteckte das Herrgottsbescheißerle oder auch Pfaffentäuscher in vielen Kräutern und Zwiebeln und wickelte es zur Sicherheit noch in einen Teigmantel. Eine schöne Geschichte, die sich gut erzählen lässt, aber historisch nicht belegt ist. Wahrscheinlicher ist, dass der Fastentrick in Wirklichkeit aus Italien stammt. Dort entwickelte sich die erste Haute Cuisine Europas. Einwanderer aus dem Süden könnten den Anstoß für den schwäbischen Klassiker gegeben haben.

Pfaffentäuscher heißt das Gericht, dessen dekorierter Teller Objekt der Lebensmittelfotografie ist / © Foto: Georg Berg
Pfaffentäuscher die Schummelei aus dem Mittelalter schafft es auch heute noch in die gehobene Küche / © Foto: Georg Berg

Wie so manche heute noch bekannte Speise früher wohl geschmeckt haben mag? Sicher ist, Bier hatte lange und ausnahmslos ein strenges Raucharoma. Erst die industrielle Malztrocknung verbannte den Rauch aus dem Bier. Interessant ist auch ein Blick auf die Speisen im Mittelalter. Schnell wird klar, die Küche von Adel und Klerus strotzte vor erlesenen Gewürzen. Der Braukunst, wie sie einst die Mönche im Kloster betrieben haben, kommt man in Deutschland vermutlich in der Oberpfalz noch am nächsten. Hier lebt bis heute die Zoigl-Kultur. Im Kommun-Brauhaus in Falkenberg wird noch in einem offenen Sudkessel gebraut und das Bier zur Gärung in Felsenkellern gelagert.


Das Teaserfoto ist übrigens nicht manipuliert

Die Aktion, mit der die listigen Mönche damals vom Papst die Zulassung des Bieres als Fastengetränk erwirkten, haben wir mit einem realen Foto aus dem Jahr 2011 illustriert, das surrealer wirkt als alle Darstellungen, die Bildgeneratoren mit Hilfe künstlicher Intelligenz aus dem entsprechenden Briefing generieren.

Engel mit Bierkasten vor dem Papst. Eine lebende Statue schreitet mit einem Bierkasten, den sie als als Podest verwenden wird, durch das römische Tor vor dem Kölner Dom. Im Hintergrund winkt in Überlebensgröße Papst Benedikt VI von einem Plakat / © Foto: Georg Berg
Engel mit Bierkasten vor dem Papst. Eine lebende Statue schreitet mit einem Bierkasten, den sie als als Podest verwenden wird, durch das römische Tor vor dem Kölner Dom. Im Hintergrund winkt in Überlebensgröße Papst Benedikt VI von einem Plakat / © Foto: Georg Berg
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