Die einen träumen von der Liebe, die anderen vom großen Geschäft. Für beide scheint der Titlis ein Volltreffer zu sein. Trotz einer gigantischen Baustelle strömen indische Touristen weiter auf den 3.238 Meter hohen Gipfel in der Zentralschweiz. Die Liebe der Inder zur Schweiz begann in den 1990er Jahren, als Shah Rukh Khan, der König der Romantik, durch die Alpen tanzte. Wohlhabende Inder folgten ihm und schoben Orte wie Engelberg und Lauterbrunnen zwischen Rom und Paris in ihre Reiserouten.

Als während der Corona-Pandemie die asiatischen Gäste ausblieben, zeigte sich, was Tourismusmanager längst wussten: Ohne Besucher aus Indien, China und Korea läuft nichts. Dann würde es im Tal nahe dem Vierwaldstättersee wieder still. Attraktionen wie der Titlis Cliff Walk, Europas höchstgelegene Hängebrücke, der Ice Flyer oder die Gletschergrotte lohnen sich nur, wenn täglich Busse voller Touristen die Talstation in Engelberg erreichen. Schon die Fahrt mit der drehenden Titlis Rotair ist ein Erlebnis.

2023 begannen die Bauarbeiten für das Projekt TITLIS 3020, entworfen vom Basler Architekturbüro Herzog & de Meuron. Eine Baustelle dieser Dimension wird es in den Alpen wohl nicht mehr geben. Umweltschützer protestierten gegen die massiven Eingriffe in die Gletscherlandschaft, doch das Projekt erhielt grünes Licht. „Leere Gipfel schaffen keine Arbeitsplätze“, lautete das Argument. Ziel ist es, den Gipfelbereich zu modernisieren und zukunftsfähig zu machen. Geplant sind eine neue Bergstation auf 3.020 Metern, eine erweiterte Pendelbahn und Shops für Luxusartikel.

Set-Jetter der Liebe
Seit Beginn des indischen Set-Jettings zu Bollywood-Drehorten wie Madly in Love oder Chori Chori Chupke Chupke entstehen skurrile Szenen in Schweizer Bergdörfern. Doch auf dem Titlis, eingerahmt von Baukränen und Betonmischern, kippt der charmante Culture Clash ins Absurde. Staunend beobachtet man, wie indische Gäste vor einem Pappaufsteller ihrer Superstars Schlange stehen – begleitet vom Dröhnen der Presslufthämmer und den Kommandos der Bauarbeiter. Lieblos platzierte man Shah Rukh Khan und Kajol vor einen Baucontainer. Dass die beiden 1995 für Dilwale Dulhania Le Jayenge im Berner Oberland tanzten und nicht auf dem Titlis, stört die Bollywood-Fans hier oben nicht. Romantik sucht man vergeblich – doch die Pose sitzt.

Bollywood-Romantik trifft Schweizer Perfektion
Engelberg investiert weiter, um asiatische Gäste, von denen die wenigsten Ski fahren, zu unterhalten. Auf dem Titlis können sie durch eine Gletschereishöhle wandern oder auf der höchsten Hängebrücke Europas, dem Titlis Cliff Walk, ihre Schwindelfreiheit testen. Die meisten stürmen jedoch den Souvenirshop. Bald können sie hier oben auch noch eine Luxusuhr kaufen, bevor die Reise weitergeht.

Licht am Ende des Tunnels
Trotz Bauarbeiten bleibt der Gipfel zugänglich, auch wenn Aussichtspunkte und Plattformen zeitweise gesperrt oder umgeleitet werden. Bauarbeiter rangieren große Bauteile, und der Lärm dringt bis ins Gipfelrestaurant. Die indischen Gäste stört das wenig. Sie genießen weiterhin Currys und Fladenbrote und posieren im Fotostudio mit Alphorn und Tracht. 2026 eröffnet der neue Aussichtsturm Titlis Tower, bereits 2025 stieg der Fahrpreis hoch zum Gipfel auf 102 CHF. Die Modernisierung der Titlis Peak Station soll im Winter 2028/29 abgeschlossen sein. Dann endet die Neugestaltung einer der in Asien bekanntesten Alpenattraktionen.

Madly in love with nature
Der Titlis bleibt eine maßgeschneiderte Attraktion für asiatische Gäste. Das muss man nicht mögen, doch Engelberg hat sich mit der Erschließung neuer Reisemärkte vor über 20 Jahren neu erfunden. Wer alpine Natur und Kuhglockengeläut sucht, findet im Engelbergertal viele Alternativen. Die Brunnihütte auf 1860 Metern liegt auf der sonnigen Seite des Tals, und die Führenalp, erreichbar mit einer kleinen Seilbahn, bietet zahllose Wanderwege und bewirtschaftete Almhütten wie die Hobielalm. Wem Wandern nicht reicht, der kann sich am Klettersteig Zittergrad oder auf ausgewiesenen Mountainbikestrecken den Adrenalinkick holen. Und Familien kommen bei der Fahrt mit einem Buiräbähnli, deutlich günstiger davon, als in der Titlis Rotair. In den kleinen Bauernbahnen sitzt man allein und bringt die Seilbahn sogar selbst in Gang.

Die Recherchereise wurde von Engelberg-Titlis Tourismus unterstützt