Wann ist ein Schloss ein Schloss?

Ein Schloss zeichnet sich durch seine imposante Größe aus. Ein Schloss diente oft als Adelsresidenz und Verteidigungsanlage. Windsor Castle ist das älteste und bis heute durchgängig bewohnte Schloss der Welt. Schloss Neuschwanstein in Bayern ist, Disney sei Dank, wohl das berühmteste Schloss der Welt, war es doch Vorbild für das Dornröschenschloss im gleichnamigen Zeichentrickfilm. Potsdam bei Berlin ist ein echtes Schloss-Paradies. Friedrich II, im Volksmund auch der Alte Fritz genannt, gestaltete Potsdam ab 1740 zur Residenzstadt um. Während seiner 46-jährigen Regentschaft entstanden zahlreiche repräsentative Bauten und Gärten. Heute bilden die Schloss- und Parkanlagen Sanssouci, Neuer Garten, der Park Babelsberg sowie Park Sacrow die Potsdamer Kulturlandschaften und sind zusammen das größte deutsche Unesco-Welterbe.

Der Name „Sanssouci“ - ohne Sorge - ist Wunsch und Leitmotiv König Friedrich II, auch Friedrich der Große oder volkstümlich der Alte Fritz genannt. Schloss Sanssouci ist sein Refugium auf dem Weinberg / © Foto: Georg Berg
Der Name „Sanssouci“ – ohne Sorge – ist Wunsch und Leitmotiv von König Friedrich II. Schloss Sanssouci war sein Refugium auf einem Weinberg / © Foto: Georg Berg

Kleine Schlösserkunde

Nicht ganz so viele Jahre wie Dornröschen schlief, aber doch ziemlich lange, glaubte ich, Schloss Sanssouci sei das wichtigste aller Schlösser in Potsdam. Doch das war ein Irrtum. In Potsdam gibt es ein Schloss, das in die Weltgeschichte eingegangen ist, ein Schloss, das sich das deutsche Versailles nennen könnte und es gibt sogar ein Schloss, das gar keines ist. Im Größenvergleich mit anderen Schlössern ist Schloss Sanssouci mit seinen wenigen luxuriösen Appartments eher eine Edeldatsche. Dennoch war dieses Schloss der bevorzugte Rückzugsort Friedrich II. Hier verbrachte er die Sommermonate. Das Neue Palais, in dem spätere Generationen von Hohenzollern lebten, war zu dieser Zeit noch nicht gebaut. Doch der Reihe nach.

Schlosspark Sanssouci mit (eingehausten) Statuen, Terrassen und Springbrunnen / © Foto: Georg Berg
Schlosspark Sanssouci im Winterschlaf mit (eingehausten) Statuen, Weinterrassen und Springbrunnen / © Foto: Georg Berg

Barocker Schein am Alten Markt

Hinter den scheinbar historischen Mauern des alten Potsdamer Stadtschlosses, in dem Friedrich II die Wintermonate verbrachte, verbirgt sich heute das hochmoderne Gebäude des Brandenburger Landtags. Das ursprüngliche Schloss wurde im Krieg stark beschädigt und in der DDR-Zeit abgerissen. Um das Erscheinungsbild der historischen Mitte von Potsdam wiederherzustellen, entschied man sich für einen Neubau im alten Stil. Hinter der barocken dreigeschossigen Fassade verbirgt sich ein fünfstöckiges Verwaltungs- und Parlamentsgebäude. Ein Tipp für den Stadtrundgang: Die Cafeteria in der 5. Etage ist für alle zugänglich und von der Terrasse aus hat man einen guten Blick auf den Innenhof und die große Kuppel der Kirche St. Nikolai am Alten Markt.

Sieht aus wie ein Schloss, ist aber keins und das steht auch dran. Hinter scheinbar historischen Mauern des alten Potsdamer Stadtschlosses verbirgt sich das hochmoderne Gebäude des Brandenburger Landtags / © Foto: Georg Berg
Sieht aus wie ein Schloss, ist aber keins und das steht auch dran / © Foto: Georg Berg

In Anspielung auf René Magrittes Ölbild einer Pfeife mit der verneinende Bildunterschrift „Ceci n’est pas une pipe“ steht auf der Fassade des Landtags Brandenburg auf französisch „Ceci n’est pas un chateau“ und weist wie schon bei Magritte auf die Unzuverlässigkeit der Wahrnehmung hin.

Im Innenhof des Brandenburger Landtags, ein Nachbau des alten Potsdamer Stadtschlosses, das im 2. Weltkrieg schwer beschädigt wurde und dessen Ruinen in der DDR-Zeit abgerissen wurden und Blick auf die Kirche St.Nikolai am Alten Markt / © Foto: Georg Berg
Blick von der Cafeteria auf den Innenhof des Brandenburger Landtags, der ein Nachbau des alten Potsdamer Stadtschlosses ist / © Foto: Georg Berg

Das Neue Palais

Das Neue Palais in Potsdam ist das Schloss an der Westseite von Park Sanssouci. Der Bau wurde 1763 unter Friedrich dem Großen begonnen und 1769 fertiggestellt. Es gilt als das letzte bedeutende Barockschloss in Preußen und als eines der Hauptwerke des Friderizianischen Rokokos. Friedrich plante das Schloss nicht als königliche Residenz, sondern als Unterkunft für Gäste seines Hofes. Über 100 Jahre später wählte Kaiser Wilhelm II. das Neue Palais von 1888 bis 1918 als seinen Hauptwohnsitz. Aufgrund seiner beeindruckenden Größe und der Bedeutung seiner Kunstsammlungen könnte man das Neue Palais auch als das Versailles Deutschlands bezeichnen.

Das Neue Palais ist das Schloss an der Westseite von Park Sanssouci in Potsdam. Der Bau wurde 1763  unter Friedrich dem Großen begonnen und 1769 fertiggestellt. Es gilt als letzte bedeutende Schlossanlage des Barock in Preußen und als eines der Hauptwerke des Friderizianischen Rokokos. Friedrich hatte es nicht als königliche Residenz geplant, sondern als Schloss für Gäste seines Hofes. Kaiser Wilhelm II. machte das Neue Palais von 1888 bis 1918 zu seinem Hauptwohnsitz / © Foto: Georg Berg
Das Neue Palais ist das Schloss an der Westseite von Park Sanssouci in Potsdam / © Foto: Georg Berg

Potsdamer Konferenz auf Schloss Cecilienhof

Der letzte Schlossbau der Hohenzollern ist Schloss Cecilienhof. Wie es in Königshäusern üblich ist, benötigt jeder Prinz sein eigenes Schloss. So wurde für Kronprinz Wilhelm und seine Gemahlin Cecilie mit Schloss Cecilienhof eine standesgemäße Unterkunft gebaut. Kaiser Wilhelm II ließ den Gebäudekomplex zwischen 1913 und 1917 im englischen Tudorstil bauen. Im Vergleich zu den barocken Vorgängern wirkt das Haus geradezu gemütlich. Die vielen Kamine auf den Dächern lassen aber auf ein luxuriöses und komfortables Inneres schließen. Ähnlich wie beim Potsdamer Stadtschloss trifft auf Cecilienhof Magrittes „Unzuverlässigkeit der Wahrnehmung“ zu. Denn, wer würde schon vermuten, dass sich hinter der Backstein- und Holzfassade ganze 176 Zimmer verbergen? Bis 1945 war Cecilienhof Wohnsitz des letzten deutschen Kronprinzenpaares Wilhelm und Cecilie von Preußen.

Schloss Cecilienhof ist ein Gebäude­ensemble, das in den Jahren 1913–1917 nach Plänen des Architekten Paul Schultze-Naumburg im englischen Tudorstil erbaut wurde. Es liegt im nördlichen Teil des Neuen Gartens in Potsdam und ist der letzte Schlossbau der Hohenzollern. Er wurde unter Kaiser Wilhelm II. für seinen Sohn Kronprinz Wilhelm und dessen Gemahlin Cecilie errichtet. Schloss Cecilienhof war Schauplatz der Potsdamer Konferenz vom 17. Juli bis 2. August 1945 / © Foto: Georg Berg
Schloss Cecilienhof ist ein Gebäude­ensemble, das in den Jahren 1913–1917 nach Plänen des Architekten Paul Schultze-Naumburg im englischen Tudorstil erbaut wurde / © Foto: Georg Berg


In die Weltgeschichte eingegangen ist Schloss Cecilienhof allerdings nicht als letzter Hohenzollern-Wohnsitz, sondern als Schauplatz, der das Ende des Zweiten Weltkrieges markiert. Vom 17. Juli bis 2. August 1945 fand hier das Gipfeltreffen der Siegermächte statt, an dem die sogenannten Großen Drei teilnahmen: der amerikanische Präsident Harry S. Truman, die britische Premierminister Winston Churchill und der sowjetische Staatschef Joseph Stalin. Die Potsdamer Konferenz zählt zu den bedeutendsten historischen Ereignisse des 20. Jahrhunderts. Sie markiert nicht nur das Ende des Zweiten Weltkrieges, sondern auch den Beginn des Kalten Krieges. Das Potsdamer Abkommen, das im Schloss Cecilienhof verabschiedete wurde, legte den Grundstein für eine Neuordnung Deutschlands, Europas und der Welt nach dem Zweiten Weltkrieg. Von 1961 bis 1989 verliefen die Mauer und weitere Grenzanlagen der DDR direkt hinter dem Garten des Schlosses. Zur DDR-Zeit wurde das Schloss als Hotel und für repräsentative Zwecke genutzt. Durch eine geschickte Begrünung vor der Mauer schuf man eine trügerische Idylle.

Ab November 2024 wird Schloss Cecilienhof für längere Zeit geschlossen sein. Der Eingangsbereich sowie bisher ungenutzte Zimmer sollen für einen Hotelbetrieb renoviert werden. Zur Zeit werden auch Führungen angeboten, die über die Renovierung informieren.

Schlösser, wohin man auch schaut. Im Park Sanssouci befinden sich 12 Schlösser und viele Gärten, zusammen bilden sie die Potsdamer Kulturlandschaft und sind das größte Unesco Welterbe Deutschlands. Hier Schloss Babelsberg am Ufer der Havel im Neugotischen Stil, gebaut 1833 / © Foto: Georg Berg
Schlösser, wohin man auch schaut. Hier Schloss Babelsberg am Ufer der Havel im Neugotischen Stil, gebaut 1833 / © Foto: Georg Berg

Wie ein Blick durchs Schlüsselloch

Zur Kunst einer guten Stadtplanung gehört es, Sichtachsen zu schaffen, an deren Ende dem Betrachter etwas Imposantes präsentiert wird. So kennen wir es von den großen Boulevards europäischer Städte. Im 19. Jahrhundert wurden die Parkanlagen von Sanssouci in Teilen von ihrer strengen barocken Ordnung befreit. Was bis heute erhalten geblieben ist, sind zahlreiche überraschende Sichtachsen, die oft auf ein Schloss in der Potsdamer Kulturlandschaft ausgerichtet sind. Verantwortlich für viele dieser gelenkten Blicke ist Peter Joseph Lenné. Er gilt als der bedeutendste Gartenarchitekt des 19. Jahrhunderts und arbeitete für drei aufeinanderfolgende preußische Regenten, bevor er von seinem ewigen Rivalen, dem Fürsten von Pückler-Muskau vom Sockel gestoßen wurde. Bis heute werden unsere Blicke gelenkt, genau wie Lenné es einst geplant hatte. Dafür werden auch heute noch Bäume beschnitten, um beispielsweise am Ufer des Heiligen Sees einen Blick wie durch ein Schlüsselloch auf das Marmorpalais zu ermöglichen.

Blick über die Havel zum Marmorpalais. König Friedrich Wilhelm II. ließ das mit schlesischem Marmor verkleidete Bauwerk 1787–1793 als Sommerresidenz errichten. Sein Architekt Carl von Gontard schuf damit das erste und einzige preußische Königsschloss im Stil des Frühklassizismus / © Foto: Georg Berg
Blick über den Heiliger See zum Marmorpalais. Eine von vielen Sichtachsen im Park, durch die man von Schloss zu Schloss blicken kann / © Foto: Georg Berg

Potsdam ist nicht nur für seine Schlösser und Parkanlagen bekannt, sondern auch als deutsche Hauptstadt des Films. Im Jahr 1911, kurz vor dem Baubeginn des letzten Schlosses der Hohenzollern, wurde eine alte Fabrikhalle für Kunstblumen zum Drehort für den ersten Film in Potsdam-Babelsberg. Die Monarchie dankte 1918 ab, doch Leinwandköniginnen gibt es in der Traumfabrik von Potsdam-Babelsberg bis heute.

Die Recherche wurde unterstützt von der PMSG Potsdam Marketing und Service GmbH

Unsere Arbeitsweise zeichnet sich durch selbst erlebte, gut recherchierte Textarbeit und professionelle, lebendige Fotografie aus. Für alle Geschichten gilt, dass Reiseeindrücke und Fotos am selben Ort entstehen. So ergänzen und stützen die Fotos das Gelesene und tragen es weiter.

Nie mehr neue Tellerrand-Stories verpassen! Mithilfe eines Feed-Readers lassen sich die Information über neue Blogartikel in Echtzeit abonnieren Mithilfe eines Feed-Readers lassen sich alle Geschichten über den Tellerrand in Echtzeit abonnieren.

Permalink der Originalversion: https://tellerrandstories.de/potsdam-schloss-garten
Optimiert durch Optimole