Street Art auf verwitterten Wänden

In Willemstad, der Hauptstadt Curaçaos, zeigt sich ein bemerkenswertes Phänomen: Statt verfallene Gebäude konventionell zu sanieren, nutzen Künstler  die Spuren der Verwitterung bewusst in ihrer Street Art. Diese kreative Strategie im Umgang mit städtischem Verfall übertrifft das übliche Shabby Chic.

"Sunflower Concert" von Aemy Niafeliz verbindet Musik und Natur vor dem Shabby Chic des verfallenden Curaçao-Barocks / © Foto: Georg Berg
Sunflower Concert von Aemy Niafeliz verbindet Musik und Natur vor dem Shabby Chic des verfallenden Curaçao-Barocks / © Foto: Georg Berg
Risse, abblätternder Putz und freiliegendes Mauerwerk werden nicht überdeckt, sondern als gestalterische Elemente in die Kunstwerke einbezogen. Die raue Textur der verfallenen Oberflächen wird zum integralen Bestandteil der künstlerischen Aussage / © Foto: Georg Berg
Risse, abblätternder Putz und freiliegendes Mauerwerk werden nicht überdeckt, sondern als gestalterische Elemente in die Kunstwerke einbezogen. Die raue Textur der verfallenen Oberflächen wird zum integralen Bestandteil der künstlerischen Aussage / © Foto: Georg Berg

UNESCO Weltkulturerbe verpflichtet

Die historische Innenstadt von Willemstad gehört seit 1997 zum UNESCO-Weltkulturerbe. Diese Anerkennung verdankt sie der einzigartigen karibischen Stadtkultur und der Mischung aus kolonialen und karibischen Architekturstilen. Gleichzeitig verpflichtet sie zu einem sensiblen Umgan mit moderner Street Art.

Auf einer Wand in der Hauptstadt Curaçaos zeigt ein Sittengemälde vier typische Szenen der Stadtgesellschaft aus der Zeit als Willemstadt ins UNESCO Weltkulturerbe aufgenommen wurde / © Foto: Georg Berg
Auf einer Wand in der Hauptstadt Curaçaos zeigt ein Sittengemälde vier typische Szenen der Stadtgesellschaft aus der Zeit als Willemstadt ins UNESCO Weltkulturerbe aufgenommen wurde / © Foto: Georg Berg

Motive aus Geschichte und Gegenwart

Die Street Art Curaçaos wurzelt tief in der Geschichte des Widerstands gegen Unterdrückung und Kolonialismus. Erinnerungen an die Sklaverei verwandeln den Verfall in Symbole kultureller Vitalität und zeigen Respekt vor der Geschichte. Auch zeitlose Themen und positive Entwicklungen finden ihren Ausdruck.

Eine mit Brettern verbarrikadierte Ladenfront dient als Malgrund für wechselnde Wandmalereien / © Foto: Georg Berg
Eine mit Brettern verbarrikadierte Ladenfront dient als Malgrund für wechselnde Wandmalereien / © Foto: Georg Berg
Konose Bo Mes I Lo So Konose Universo (Papiamento). Wenn du dich selbst erkennst, wirst du das Universum erkennen. Skulptur von Giovanni Abath, der sich in Anlehnung an seine Initialen auch 7.1 nennt / © Foto: Georg Berg
Konose Bo Mes I Lo So Konose Universo (Papiamento). Wenn du dich selbst erkennst, wirst du das Universum erkennen. Skulptur von Giovanni Abath, der sich in Anlehnung an seine Initialen auch 7.1 nennt / © Foto: Georg Berg
“Tula Wak” bedeutet sinngemäß “Tula lebt” und ist eine Hommage an den Freiheitskämpfer Tula, der 1795 den bedeutenden Sklavenaufstand auf Curaçao anführte. Der Künstler Jean Betancourt alias Mr. Garek wurde in Venezuela geboren / © Foto: Georg Berg
“Tula Wak” bedeutet sinngemäß “Tula lebt” und ist eine Hommage an den Freiheitskämpfer Tula, der 1795 den bedeutenden Sklavenaufstand auf Curaçao anführte. Der Künstler Jean Betancourt alias Mr. Garek wurde in Venezuela geboren / © Foto: Georg Berg
Bühne des jährlich stattfindenden Kaya Kaya Festivals im Stadtteil Otrabanda von Willemstad / © Foto: Georg Berg
Bühne des jährlich stattfindenden Kaya Kaya Festivals im Stadtteil Otrabanda von Willemstad / © Foto: Georg Berg
Installation von Omar Sling am Hendriksteeg. Der Künstler recycelt nicht nur tonnenweise hässliche Plastikflaschen, seine Installation spendet auch Schatten / © Foto: Georg Berg
Installation von Omar Sling am Hendriksteeg. Der Künstler recycelt nicht nur tonnenweise hässliche Plastikflaschen, seine Installation spendet auch Schatten / © Foto: Georg Berg
Lady Seù von Jeremy Striker thematisiert das Erntedankfest Seú aus der Zeit der versklavten Plantagenarbeiter. Der Headwrap Wettbewerb ‘Mara Lensu’ zeichnet bei dem Fest die kunstvollsten Kopftücher aus / © Foto: Georg Berg
Lady Seù von Jeremy Striker thematisiert das Erntedankfest Seú aus der Zeit der versklavten Plantagenarbeiter. Der Headwrap Wettbewerb Mara Lensu zeichnet bei dem Fest die kunstvollsten Kopftücher aus / © Foto: Georg Berg
Die kolumbianische Künstlerin Viviana Grondona und Merly Trappenberg aus Curaçao auf benachbarten Hausfassagen in Otrabanda. Merly Trappenberg ist vor allem für ihre Porträts von üppigen Damen bekannt / © Foto: Georg Berg
Die kolumbianische Künstlerin Viviana Grondona und Merly Trappenberg aus Curaçao auf benachbarten Hausfassagen in Otrabanda. Merly Trappenberg ist vor allem für ihre Porträts von üppigen Damen bekannt / © Foto: Georg Berg
Karettschildkröte und Flamingo als Mural von Wendy Ganzeboom auf einem Siedlungshaus in Curaçao / © Foto: Georg Berg
Karettschildkröte und Flamingo als Mural von Wendy Ganzeboom auf einem Siedlungshaus in Curaçao / © Foto: Georg Berg

Künstler geben Willemstadt eine aktuelle Identität

Francis Sling

In Willemstad sind die großformatigen Wandgemälde von Francis Sling unübersehbar. Nach seiner Zeit als Grafikdesigner in den Niederlanden kehrte er 2018 nach Curaçao zurück und wurde schnell zu einer zentralen Figur der Street Art-Szene.

Das Haus des Künstlers Francis Sling ist mit einem farbenprächtigen Motiv bemalt, das die Schönheit und das Chaos des Lebens miteinander verbindet. Es heißt „3 o'clock Romance“ und erzählt die Geschichte von zwei Vögeln, die sich auf einem Baumzweig begegnen / © Foto: Georg Berg
Das Haus des Künstlers Francis Sling ist mit einem farbenprächtigen Motiv bemalt, das die Schönheit und das Chaos des Lebens miteinander verbindet. Es heißt 3 o’clock Romance und erzählt die Geschichte von zwei Vögeln, die sich auf einem Baumzweig begegnen / © Foto: Georg Berg

Die Geschichte der beiden Vögel, die sich täglich am selben Ort treffen, spiegelt metaphorisch die Wiederbelebung des Viertels Scharloo wider. Künstler und Bewohner haben ihren Stadtteil revitalisiert und zu einem Ort der kulturellen Begegnung gemacht. Die Initiative Street Art Skalo hat Scharloo in ein lebendiges Projekt verwandelt.

Für das KayaKaya Festival 2024 schuf Francis Sling in Otrabanda das weithin sichtbare Wandbild Djosa, das die Frage nach Gott stellt. Seine Erklärung des Werks an der Nachbarwand ist auf Englisch, um ein internationales Publikum zu erreichen, während das Werk selbst die lokale Sprache nutzt. Die Mehrdeutigkeit der Schreibweise (Yo-Sa bzw. Djosa) spiegelt die Ungewissheit über das Wesen Gottes wider.

Riesiges Wandgemälde Djosa von Francis Sling in Willemstad. Der Künstler schreibt über das Werk auf eine andere Wand neben dem großen Bild: Yo-Sa ist halb Papiamento und halb Spanisch. Djosa ist die Frage, was Gott ist. Ist sie ein Mann oder ist er eine Frau. Existiert er oder ist es ein Mythos. Das ist eine lange Diskussion, die oft mit der Frage endet: „Ist es wichtig, was ich denke? Djosa ist poetisch, und wenn man die Sprache nicht spricht, ist es vielleicht unmöglich, sie zu verstehen / © Foto: Georg Berg
Riesiges Wandgemälde Djosa von Francis Sling in Willemstad. Der Künstler schreibt über das Werk auf eine andere Wand neben dem großen Bild: Yo-Sa ist halb Papiamento und halb Spanisch. Djosa ist die Frage, was Gott ist. Ist sie ein Mann oder ist er eine Frau. Existiert er oder ist es ein Mythos. Das ist eine lange Diskussion, die oft mit der Frage endet: Ist es wichtig, was ich denke? Djosa ist poetisch, und wenn man die Sprache nicht spricht, ist es vielleicht unmöglich, sie zu verstehen / © Foto: Georg Berg

Sander van Beusekom

Klare Linien und dynamische Kompositionen kennzeichnen den Stil des Künstlers BLEND, alias Sander van Beusekom. Er verbindet Kunst mit praktischen Funktionen. In Otrabanda werden einfache Treppenstufen aus dem richtigen Blickwinkel zur Identifikationsfläche des Viertels. Normalerweise tanzen Break-Dancer und Ballerinas nicht zusammen. Doch auf drei Häusern zeigt van Beusekom, wie ein Tanz zwischen einem Rapper und einer Ballerina entstehen kann. Der Titel des Triptychons: Das Leben ist ein schöner Kampf.

Life is a beautiful Struggle ist der Titel des Werkes, das der Künstler Sander van Beusekom als Tryptichon auf den Fassaden dreier Nachbarhäuser gestaltet hat / © Foto: Georg Berg
Life is a beautiful Struggle ist der Titel des Werkes, das der Künstler Sander van Beusekom als Tryptichon auf den Fassaden dreier Nachbarhäuser gestaltet hat / © Foto: Georg Berg
Aus dem richtigen Winkel betrachtet ergeben die von Sander van Beusekom gestalteten Treppenstufen ein Bild / © Foto: Georg Berg
Aus dem richtigen Winkel betrachtet ergeben die von Sander van Beusekom gestalteten Treppenstufen ein Bild / © Foto: Georg Berg

Vor den Tanks des Wasserwerks setzt van Beusekom die Tradition der Bildungsvermittlung durch Wandbilder fort. Ein von Aqualectra in Auftrag gegebenes Werk zeichnet die Geschichte der Trinkwasserversorgung Curaçaos nach. Es regt dazu an, Wasser als wertvolle Ressource zu schätzen und nachhaltig zu nutzen.

Die Geschichte der Trinkwasserversorgung auf Curaçao wird vor der alten Meerwasserentsalzungsanlage auf einem langen Wandbild erzählt / © Foto: Georg Berg
Die Geschichte der Trinkwasserversorgung auf Curaçao wird vor der alten Meerwasserentsalzungsanlage auf einem langen Wandbild erzählt / © Foto: Georg Berg

Jhomar Loaiza

Seit 2018 bereichert der venezolanische Künstler Jhomar Loaiza die Wände Curaçaos mit vielfältigen Motiven. Seine Werke verweisen auf die afrikanischen Wurzeln der karibischen Kultur und feiern die international erfolgreichen Baseball-Stars aus Curaçao.

Jhomar Loaiza verbindet tropische Vegetation der Karibik mit abstrakten Gestaltungselementen / © Foto: Georg Berg
Jhomar Loaiza verbindet tropische Vegetation der Karibik mit abstrakten Gestaltungselementen / © Foto: Georg Berg
Am Cricket-Stadion von Willemstad wurden die international erfolgreichen Cricketspieler der Insel vom Künstler Jhomar Loaiza als Wandbilder verewigt. Baseball ist nicht nur ein Sport, sondern auch ein wichtiger Bestandteil des kulturellen und sozialen Lebens in Curaçao / © Foto: Georg Berg
Am Cricket-Stadion von Willemstad wurden die international erfolgreichen Cricketspieler der Insel vom Künstler Jhomar Loaiza als Wandbilder verewigt. Baseball ist nicht nur ein Sport, sondern auch ein wichtiger Bestandteil des kulturellen und sozialen Lebens in Curaçao / © Foto: Georg Berg
Wandbild von Melvin House in Zusammenarbeit mit Jhomar Loaiza. Der Satz bedeutet: Wir können es schaffen oder wir können es nicht schaffen / © Foto: Georg Berg
Wandbild von Melvin House in Zusammenarbeit mit Jhomar Loaiza. Der Satz an der Wand bedeutet: Wir können es schaffen oder nicht / © Foto: Georg Berg
Neben der Bühne des KayaKaya Festivals haben drei große Künstler ihre Werke hinterlassen. Links: Hummingbird von Jhomar Loaiza, in der Mitte: Much’i Ser’i Trapi von Gerrick Marchena, Rechts: Tropical Wildlife von Nina Valkhoff / © Foto: Georg Berg
Neben der Bühne des KayaKaya Festivals haben drei große Künstler ihre Werke hinterlassen. Links: Hummingbird von Jhomar Loaiza, in der Mitte: Much’i Ser’i Trapi von Gerrick Marchena, Rechts: Tropical Wildlife von Nina Valkhoff / © Foto: Georg Berg
Beim Kaya Kaya Festival 2024 sprühte Luis Muños unter dem Viaduct der Arubastraat ein Wandbild von Poseidon im Meer / © Foto: Georg Berg
Beim Kaya Kaya Festival 2024 hat Luis Muños Poseidon im Meer als dreidimensionales Mural unter das Viaduct der Arubastraat gesprüht / © Foto: Georg Berg

Weitere Perspektiven auf Curaçao

Während Street Art auf verwitterten Wänden die Streetart-Szene Willemstads beleuchtet, porträtiert Swinging Old Lady von Curaçao die historische Königin Emma Brücke. Kulinarische Reise durch Curaçao erkundet die kreolisch-niederländische Fusionsküche und Curaçao: Insel voller Farben zeigt das charakteristische Farbspektrum der Karibikinsel.

Die Recherche wurde vom Curaçao Tourist Board unterstützt

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