Seit über 1.000 Jahren werden in der Oberpfalz Teiche bewirtschaftet. Zisterziensermönche betrieben einst die Fischzucht im großen Stil, heute sind es vor allem die Fischerfamilien, die das Jahrhunderte alte Wissen weitergeben. Ihre Fischzucht ist ein Schlüsselfaktor für den Naturschutz. Die Karpfenzucht steht für Tradition, Naturerlebnis und Genuss. Auf einer Reise in den Landkreis Tirschenreuth lässt sich alles miteinander verbinden. Per Rad oder auf Wanderungen kann man das Naturschutzgebiet Waldnaabaue erkunden. Historische Orte wie das Kloster Waldsassen und der Fischhof in Tirschenreuth erzählen die Geschichte der Zisterziensermöche. Gasthöfe, Restaurants und Fischstuben bieten eine Vielzahl an Karpfengerichten und Teichwirte führen Besucher durch ihre Teichanlagen.
Von Himmelsteichen und Mönchen
Die Tirschenreuther Teichpfanne liegt inmitten einer Landschaft aus Wiesen, Wäldern und Mooren und ist eine der ältesten Kulturlandschaften Europas. Die kaolinreiche Erde in dieser Region bildet eine natürliche Teichfolie. Die fischreichen Flüße Waldnaab und Wondreb mäandern durch die Landschaft. Es sind ideale Bedingungen für die Teichwirtschaft. Teiche, die sich allein durch Regenwasser füllen, nennt man hier Himmelsteiche. Der senkrechte Ablauf, ein funktionales Gebilde aus Beton, wird Mönch genannt. Warum dieser Ablauf, der jeweils an der tiefsten Stelle des Teiches liegt, diesen Namen trägt, ist unbekannt. Möglicherweise ist es eine Reminiszenz an die Mönche, die im 12. Jahrhundert die professionelle Teichwirtschaft in der Region eingeführt haben.
Über Teichpfannen und Teichketten
Der Karpfen ist ein nachhaltiger Speisefisch und ein hochwertiges Naturprodukt. Er schwimmt drei Sommer lang in einem intakten Ökosystem und ernährt sich hauptsächlich von natürlicher Nahrung im Teich. Die Karpfensaison dauert von Anfang Oktober bis Ende April. Teichwirte wie Thomas Beer aus Mitterteich bieten Führungen durch ihre Teichanlagen an. Dabei informiert der Fischwirtschaftsmeister über den Ablauf des Fischereijahres, von der Laichzeit im Frühjahr, über die Aufzucht der Jungfische bis hin zum Abfischen im Herbst. Das Abfischen beginnt je nach Wetterlage Ende September oder Anfang Oktober. Wenn die Temperaturen noch warm sind, ist ein Umzug für die Tiere vom Teich in die Hälterungsbecken stressig. Je kühler es wird, desto entspannter gründelt der Karpfen am Teichgrund.
Das Abfischen der Teiche dauert mehrere Wochen und die Teichwirte sind oft auf die Hilfe von Feunden und Familie angewiesen. Obwohl das gemeinsame Abfischen wie ein großer Spaß aussieht, ist es harte Arbeit. Auch das Timing ist wichtig. Der Teichwirt lässt das Wasser über den Ablauf aus dem Teich abaufen. Handelt es sich um eine Teichkette, dann beginnt das Abfischen am untersten Teich, sodass das Wasser der höher gelegenen Teiche, in den tiefergelegenen und bereits leeren Teich fließt. Dadurch wird Wasser gespart. Heutzutage können Teichwirte nicht mehr sicher sein, dass ihre Teiche zuverlässig mit Regenwasser oder einem Bachzulauf gefüllt werden. Das Entleeren der Teiche kann mehrere Tage dauern und muss regelmäßig kontrolliert werden. Die Fische sammeln sich an der tiefsten Stelle in der Nähe der Ablaufstelle. Dort werden am Tag des Abfischens Transportbassins, Netze, Cacher und Traktoren in Position gebracht und die Helfer schlüpfen in ihre wasserdichten Wathosen.
Das Karpfen-Paradox
Die Teichwirtschaft findet im Einklang mit der Natur statt und leistet einen wertvollen Beitrag für die Artenvielfalt. Ein intaktes Ökosystem wie die Tirschenreuther Teichpfanne mit Wiesen, Wäldern, Mooren und den von Menschen angelegten Teichen hat auch zur Ansiedlung und Vermehrung von Tieren geführt, die nun wiederum die Teichwirtschaft bedrohen. Das reichhaltige Nahrungsangebot in den Karpfenteichen hat dazu geführt, dass der Bestand von Fischottern, Kormoranen und Reihern stark angestiegen ist. Gleichzeitig genießen alle drei einen strengen Schutzstatus. Ihre Jagd ist ganzjährig verboten. Auch der Biber fühlt sich in der Oberpfalz wohl. Er ist zwar Vegetarier, gräbt aber gerne Löcher in Dämme und verbaut mit seinem unermütlichen Gestaltungsdrang Zulaufrohre und Abflüsse. Teichwirte müssen sehr oft die Teichanlagen kontrollieren. Wenn ein bauwütiger Biber das unkontrollierte Auslaufen eines Teiches verursacht, bedeutet das einen Totalausfall für den Teichwirt. Fischotter, Kormarane und Reiher fressen Fische. Ein Fischotter kann bis zu 1,2 Kilo Fisch pro Tag verspeisen.
Ein Teichwirt, der die Karpfenlarven drei Jahre zuvor in den Teich gesetzt hat, weiß am Tag des Abfischens nie, wie viele seiner Fische es bis zum dritten Sommer geschafft haben. Durch die extensive Bewirtschaftung und die Zunahme natürlicher Fressfeinde nimmt der Fischbestand ab. Das führt zu immer höheren finanziellen Verlusten für die Teichwirte. Die Folge ist immer häufiger die Geschäftsaufgabe. Teichflächen werden trockengelegt und anderweitig genutzt. Diese Entwicklung kennt nur Verlierer. Wenn die Kulturlandschaft Teichwirtschaft verschwindet, verschwindet auch der Lebensraum vieler geschützer Pflanzen und Tiere.
Mönche mit Geschäftssinn
Dabei war die Kaprfenzucht einmal ein sehr profitables Geschäft. In einer Region, in der es immer etwas kälter war als anderswo und die Böden nicht den gewünschten landwirtschaftlichen Ertrag brachten, begannen Zisterziensermönche im 12. Jahrhundert mit der organisierten Fischzucht. Sie sahen im Karpfen eine ideale Fastenspeise und auch Einnahmequelle. Der Verzehr von vierbeinigen Tieren war den Mönchen an 150 Fastentagen im Jahr verboten. Fisch dagegen galt als Flussgemüse und war weniger anfällig für Missernten oder Krankheiten. Zudem konnte er zu einem hohen Preis verkauft werden. Ein Kilo Karpfen hatte damals den Wert von sechs Kilo Rindfleisch oder 24 Maß Bier. Im 13. und 14. Jahrhundert dominierte das Zisterzienserkloster Waldsassen die Teichwirtschaft an Waldnaab und Wondreb. Im Volksmund hieß es damals, das Kloster Waldsassen habe so viele Teiche, dass die Mönche an jedem Tag im Jahr einen anderen abfischen könnten.
Wegbereitend für den wirtschaftlichen Erfolg war ein bis heute herausragendes Bauwerk. Abt Hermann, der vierte Abt im Jahr 1133 gegründeten Kloster Waldsassen, ließ einen künstlichen Kanal bauen. Drei Sommer lang von 1216 bis 1219 kämpften sich bis zu 100 Fronbauern täglich mit nichts weiter als Hammer und Meißel durch Granit und Gneis. In diesen drei Jahren brachen sie 500 Kubikmeter Stein auf einer Länge von 80 Metern heraus. Das Ergebnis war ein künstlicher Ablauf für den Unteren Stadtteich im Jahr 1219. Dieses Meisterwerk mittelalterlicher Teichbaukunst befindet sich heute etwas versteckt unter einer Brücke am Ortsausgang von Tirschenreuth. Die 800 Jahre alte Abzugsanlage gilt als das älteste Baudenkmal des Klosters Waldsassen, das über Jahrhunderte die Hauptstadt der reichsunmittelbaren und damit sehr bedeutenden Zisterzienser-Abtei war.
Auf dem Trockenen
Im Jahr 1570 besaß das Kloster rund 160 Teiche für die Karpfenzucht sowie 14 Bäche, in denen Forellen gezüchtet wurden. Die Mönche ließen die Teiche sowohl auf eigenem als auch auf fremdem Grund bauen. Es entstanden Teichpfannen wie bei Tirschenreuth oder große Einzelteiche wie der Kornthaler Weiher. Das weltliche Verwaltungszentrum für die im großen Stil betriebene Fischzucht der Zisterzienser war der Fischhof Tirschenreuth. Dort koordinierte ein Fischmeister den Fischhandel. Mit der Säkularisierung im Jahr 1803 und der Aufhebung des Klosters Waldsassen löste sich in gewissem Sinne auch die Teichwirtschaft von der Religion. Fortan lag die Karpfenzucht in den Händen von Familien. Die großen Stadtteiche bei Tirschenreuth wurden trockengelegt und die imposante Fischhofbrücke stand 200 Jahren lang auf dem Trockenen. Seit 2012 fließt wieder ein Stadtteich um die barocke Brücke und im Museumsquartier der Stadt können Besucher viel über die Tradition der Karpfenzucht erfahren. Das Kloster Waldsassen und die berühmte Stiftsbibliothek stehen für die herausragende Rolle der Zisterziensermönche und die Spuren, die sie in der Region hinterlassen haben. Das Kloster Waldsassen ist auch Teil des transnationalen Kooperationsprojekt Cisterscapes, das über einen Fernwanderweg 17 ehemalige Wirkungsstätten der Zisterziensermöchen in fünf Ländern verbindet.
Karpfen kulinarisch
Die Karpfensaison erstreckt sich von Anfang Oktober bis Ende April und in dieser Zeit findet man Karpfen auf fast jeder Speisekarte in der Region Tirschenreuth. Frisch, regional und nachhaltig, sind gleich drei gute Gründe, sich kulinarisch dem Karpfen zuzuwenden. Karpfen aus traditioneller Teichwirtschaft ist eine echte Delikatesse und kann vielfältig zubereitet werden. Hier geht es zur Reportage Der Karpfen – ein unterschätzer Fisch.
Reise-Tipps Oberpfälzer Wald und Tirschenreuther Teichpfanne
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Fischhof Beer bietet Zimmer und Appartments sowie Führungen zu den Teichanlagen
Fischhof Bächer Restaurant und Fischladen sowie Fischzucht
Kloster Waldsassen und Transnationales Projekt Cisterscapes – Auf den Spuren der Zisterzienser
Die Recherche wurde von der Tourismusgemeinschaft Oberpfälzer Wald unterstützt