Naturschutz als Erfolgsmodell

Das Betäubungsgewehr liegt bereits griffbereit, als der Geländewagen von den öffentlichen Wegen ins Majete Wildlife Reserve abbiegt. Plötzlich wird es holprig. Der Geländewagen rumpelt die steilen und steinigen Passagen hinunter in ein ausgetrocknetes Flussbett, um wenige Meter später ebenso steil und mit aufheulendem Motor wieder aus dem Flussbett herauszufahren. Noch heult nur der Motor, aber an diesem Abend soll Löwin Sheerie ein neues Funkhalsband bekommen. Dazu nähert sich das Team von African Park, Tierärztin Dagmar Mayer und Monitoring Manager Craig Thomas, dem ungefähren Aufenthaltsort der Löwin. Die, so weiß man aus dem Kontrollraum, an diesem Abend mit einem ihrer Söhne unterwegs ist.

Die deutsche Tierärztin Dagmar Mayer erklärt auf der Fahrt im Majete Wildlife Reserve den geplanten Einsatz. Eine Löwin soll ein neues Funkhalsband bekommen / © Foto: Georg Berg
Die deutsche Tierärztin Dagmar Mayer erklärt auf der Fahrt im Majete Wildlife Reserve den geplanten Einsatz. Eine Löwin soll ein neues Funkhalsband bekommen / © Foto: Georg Berg

Um die Löwin auf Sichtweite zu bringen, bedarf es einiger Anstrengungen. Die Rufe eines sterbenden Beutetiers werden simuliert und ein großer Batzen Fleisch wird an einer gut sichtbaren Stelle befestigt, damit die Tierärztin, wenn alles gut geht, den Betäubungsschuss abgeben kann. Da Löwen Nachtjäger sind, beginnt dieser Einsatz des Überwachungsteams am späten Nachmittag. Bis sich die Löwin Sheerie dem Team tatsächlich nähert, ist es bereits stockdunkel. Die Szene wirkt fast surreal. Zu den elenden Klängen eines sterbenden jungen Büffels funkelt ein fantastischer afrikanischer Sternenhimmel. Aus den Funksprüchen der Ranger geht hervor, dass sich neben den Löwen auch ein Rudel Hyänen den beiden Autos nähert. Eine bizarre Situation, die für das Monitoring-Team von African Parks zum Alltag gehört.

Die Scheinwerfer des Geländewagens beleuchten den Baum, an dem ein Köder für das Anlocken der Löwin fixiert wurde / © Foto: Georg Berg
Die Scheinwerfer des Geländewagens beleuchten den Baum, an dem ein Köder für das Anlocken der Löwin fixiert wurde / © Foto: Georg Berg

Jubiläum in Majete

2023 feiert das Majete Wildlife Reserve sein 20-jähriges Jubiläum der Zusammenarbeit zwischen African Parks und dem Malawi Government Department of National Parks and Wildlife (DNPW). Als das Gebiet 2003 übernommen wurde, war es fast leer gejagt. Bis auf ein paar Antilopen gab es keine Wildtiere mehr und entsprechend lag auch der Tourismus am Boden. Schlechte Zeiten für den Artenschutz und für die Menschen in den Dörfern rund um Majete. Zwanzig Jahre später ist das Majete Wildlife Reserve ein Vorzeigeprojekt in Malawi.

Giraffen in der Abenddämmerung im Majete Wildlife Reserve, Malawi / © Foto: Georg Berg
Giraffen in der Abenddämmerung im Majete Wildlife Reserve, Malawi / © Foto: Georg Berg

Nach der erfolgreichen Wiederansiedlung von Wildtieren war Majete lange Zeit der einzige Ort in Malawi, an dem die Big Five beobachtet werden konnten. Heute leben 12.000 große Wildtiere im Park, darunter Nashörner, Elefanten, Leoparden, Geparden, Löwen, Büffel und Giraffen. Im Jahr 2021 wird mit der Wiederansiedlung des Wildhundes, dem letzten in der Region ausgerotteten Raubtier, ein wichtiger Meilenstein erreicht. Einer der größten Erfolge der mehr als 40 Ranger im Park ist jedoch, dass die Wilderei auf Nashörner, Elefanten und andere bedrohte Tierarten seit 2003 durchgängig gestoppt werden konnte.

Park Manager John Adendorff, Majete Wildlife Reserve, erklärt anhand von konfiszierten Waffen die Praktiken der Wilderer / © Foto: Georg Berg
Park Manager John Adendorff, Majete Wildlife Reserve, erklärt anhand von konfiszierten Waffen die Praktiken der Wilderer / © Foto: Georg Berg

Strategien gegen Wilderei

John Adendorff ist Parkmanager im Majete Wildlife Reserve. Der Südafrikaner führt uns zu einer hohen Säule aus Metallschlingen. Hunderte dieser tückischen Fallen sind wie ein Mahnmal auf dem Verwaltungsgelände von African Parks aufgestapelt. Daneben eine Collage aus beschlagnahmten Gewehren. Heute, erzählt Adendorff, arbeiten mehr als 170 Festangestellte für den Park. Die ersten Jahre waren geprägt von Aufräumarbeiten. Die Wilderei hatte massive Spuren hinterlassen. Nicht nur, dass es keine Wildtiere mehr gab, im Busch hingen auch noch Tausende von Drahtschlingen. Diese selbstgebauten Fallen aus den Drähten alter Fahrradbremsen oder Zäune sollen Antilopen, Kudus oder Zebras fangen. John Adendorff zeigt, wie diese Schlingfallen funktionieren. Sie werden von den Wilderern oft nachts in großer Eile senkrecht zwischen Büsche und Sträucher gehängt.

Majete Wildlife Reserve, Park Manager John Adendorff zeigt Journalistin Angela Berg, wie Wilderer Metallschlingen verlegen / © Foto: Georg Berg
Majete Wildlife Reserve, Park Manager John Adendorff zeigt Journalistin Angela Berg, wie Wilderer Metallschlingen verlegen / © Foto: Georg Berg

Kabelschlingen ziehen sich um Hals, Bauch oder Bein von Löwen, Hyänen oder Geparden. Aber auch Elefanten, Nashörner und Giraffen erleiden folgenschwere Beinverletzungen. Und immer wieder verlieren Menschenaffen Gliedmaßen oder verenden qualvoll in den Schlingfallen. Drahtschlingen töten wahllos und Wilderer finden ihre ausgelegten Fallen oft nicht mehr. Ein Verlust, der vermutlich einkalkuliert wird und zu noch mehr Schlingfallen führt. Buschfleisch ist für die Landbevölkerung oft die einzige tierische Proteinquelle. Zudem ist der Verkauf von Buschfleisch eine gute Einnahmequelle und die Nachfrage aus den Städten steigt, da das Fleisch dort als Delikatesse gilt und entsprechend lukrative Preise erzielt. Damit der Kampf gegen die Wilderei nicht zur Sisyphusarbeit wird, sind die Maßnahmen gegen die Wilderei vielschichtig und setzen auch bei den Menschen an.

Eine Gruppe aus Rangern, Monitoring Managern und der Tierärztin Dagmar Mayer bei der Auswahl eines Ortes zum Auslegen eines Köders / © Foto: Georg Berg
Langfristig angelegter Naturschutz schafft Arbeitsplätze. Hier eine Gruppe aus Rangern, Monitoring Managern und der Tierärztin Dagmar Mayer bei der Auswahl eines Ortes zum Auslegen eines Köders / © Foto: Georg Berg

Die ländliche Bevölkerung Malawis braucht alternative Einkommensquellen, z.B. durch ertragreichere, nachhaltige landwirtschaftliche Anbaumethoden und neue Marktzugänge. Die lokalen Gemeinden müssen in die Lösungsfindung einbezogen werden und bereits in den Schulen muss Aufklärungsarbeit über die verheerenden Folgen der Wilderei, insbesondere der Schlingfallen, geleistet werden. Auf all diesen Ebenen arbeitet das Team von African Parks und bildet darüber hinaus Wildhüter aus. Die Ranger stammen aus den lokalen Gemeinden, was wiederum neue Einkommensmöglichkeiten schafft. Teilweise waren sie in ihrem früheren Leben selbst Fallensteller und kennen das Gebiet und die Methoden genau. Wer wüsste also besser, wie die brutale Jagd mit Schlingen gestoppt werden kann, als ehemalige Wilderer.

Ranger von African Parks im Geländewagen. Mit dem Betäubungsgewehr soll eine Löwin narkotisiert werden / © Foto: Georg Berg
Ranger von African Parks im Geländewagen. Mit dem Betäubungsgewehr soll eine Löwin narkotisiert werden / © Foto: Georg Berg

In den vergangenen Jahren hat African Parks eine Reihe von Community-Projekten ins Leben gerufen, erklärt John Adendorff. Eines davon ist Honey with Heart. Rund 800 Imker in den umliegenden Gemeinden ernten inzwischen zwei Tonnen Honig im Jahr, der professionell vermarktet wird und so zum Familieneinkommen beiträgt. Aber auch Fischfarmen wurden angelegt, Männer und Frauen in intelligenter Landwirtschaft und Bewässerung geschult, in Gesundheitseinrichtungen und Bildung investiert. Viele Nationalparks und Wildreservate bieten Touristen inzwischen Besuche in den Dorfgemeinschaften an, um auf das Engagement und die Notwendigkeit des Miteinanders aller Beteiligten, auch der Touristen, aufmerksam zu machen.

Fleisch eines Wasserbocks wurde als Köder an einen Baum gebunden. Das Monitoring Team kontrolliert die Stelle bevor sie sich in den Fahrzeugen zurückzieht / © Foto: Georg Berg
Fleisch eines Wasserbocks wurde als Köder an einen Baum gebunden. Das Monitoring Team kontrolliert die Stelle bevor sie sich in den Fahrzeugen zurückzieht / © Foto: Georg Berg

Lockruf für Löwen

Tierärztin Dagmar Mayer bringt an diesem Abend ihr Betäubungsgewehr zum Anschlag, doch in letzter Sekunde entschließt sich die Löwin, das Weite zu suchen. Der Lockruf des sterbenden Büffels hatte sie bis an den Baum mit dem Fleischköder geführt. Doch sie ist wachsam und stört sich an den Hyänen, die im hohen Gras lauern.

Büffelschrei beim Lion Call im Majete Nationalpark

Durch das Monitoring der im Park lebenden Großkatzen wissen die wissenschaftlichen Mitarbeiter viel über jedes einzelne Tier. Sheerie war 2012 eine der ersten Löwinnen im Majete Park. Mittlerweile ist sie eine ältere Dame und scheut den Konflikt mit den Hyänen. Das neue Funkhalsband muss also warten, die Aktion wird abgebrochen und die Hyänen erfreuen sich an der abgestaubten Beute.

Rotlichtlampe leuchtet in Richtung eines Hyänen Rudels. Am Ende des Weges sieht man die Augen einer Hyäne leuchten / © Foto: Georg Berg
Rotlichtlampe leuchtet in Richtung eines Hyänen Rudels. Am Ende des Weges sieht man die Augen einer Hyäne leuchten / © Foto: Georg Berg

Der Naturschutz in den Wildtierreservaten ist äußerst vielfältig und aufwändig. Auch weil es, wie Dagmar Mayer auf der Rückfahrt erzählt, viele vom Aussterben bedrohte Tierarten gibt, die nur in den geschützten Räumen der Nationalparks eine Überlebenschance haben. Als Beispiel nennt sie das Schuppentier Pangolin, das in Asien und Afrika vom Aussterben bedroht ist. Die Schuppen des Pangolins werden in der Traditionellen Chinesischen Medizin (TCM) verwendet. Entsprechend gierig und rücksichtslos ist die Jagd auf das scheue Schuppentier. Das Majete Wildlife Reserve engagiert sich auch hier und päppelt Tiere auf, die auf dem illegalen Wildtiermarkt gerettet wurden, um sie im Park wieder anzusiedeln.

Büscheleule im Majete Wildlife Reserve, Malawi / © Foto: Georg Berg
Büscheleule im Majete Wildlife Reserve, Malawi / © Foto: Georg Berg

Tourismus und langfristiger Artenschutz

Neben allem Engagement für den Tierschutz und dem ständigen Kampf gegen die Wilderei ist ein nachhaltiger Tourismus für den Erhalt der Schutzgebiete von großer Bedeutung. Durch die Entwicklung des Tourismus und die Vermarktung der Parks sollen sich die Schutzgebiete eines Tages finanziell selbst tragen und damit auch das Wohlergehen der Menschen in der Umgebung des Reservats verbessern. Im Majete Wildlife Reserve können Besucher täglich morgens und nachmittags Game Drives, Geparden Tracking Walks oder einen Besuch in einer Dorfgemeinschaft buchen. Außerdem bleiben 100 Prozent der Einnahmen aus Übernachtungen in der Thawale Lodge im Park.

Die Wasserstelle an der Thawale Lodge im Majete Wildllife Reserve wird von einer Elefantenherde mit Jungtieren aufgesucht / © Foto: Georg Berg
Die Wasserstelle an der Thawale Lodge im Majete Wildllife Reserve wird von einer Elefantenherde mit Jungtieren aufgesucht / © Foto: Georg Berg

Malawi als Reiseziel in Afrika

Die Übersicht aller Tellerrand-Stories über Malawi, gibt es auf der Länderseite Malawi. Der Binnenstaat in Südostafrika, der sich auch das Warme Herz Afrika’s nennt, gilt noch als Geheimtipp für Afrika-Reisende. Im regionalen Vergleich ist Malawi ein sicheres und friedliches Land. Das Land wird landschaftlich geprägt vom Malawisee, dem zehntgrößten See der Welt. In den insgesamt fünf Nationalparks wird seit einigen Jahren ein erfolgreiches Tiermanagement betrieben und die Artenvielfalt hat enorm zugenommen. Der Liwonde Nationalpark und das Majete Wildlife Reserve stehen seit 20 Jahren unter den Verwaltung von African Parks. Die Thawale Lodge bietet Unterkünfte mitten im Park. Gleichwohl leidet die Bevölkerung Malawis unter Armut. Ein kontrolliert wachsender Tourismus schafft auch im ländlichen Raum Einkommensmöglichkeiten und verbessert die Lebensgrundlage von Familien. Der nachhaltige Anbau von Tee und Kaffee wie auf Satemwa Estate oder der Wiederaufbau der Bananenzucht im Land, schaffen ebenfalls wichtige Arbeitsplätze. Er ist keine Kulturpflanze in Malawi wie Mais, aber Kult ist er schon. Wissenswertes über den Baobob-Tree. Mehr Informationen über den Tourismus in Malawi.

Die Recherchereise wurde in Malawi vom Ministerium für Tourismus unterstützt

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