Im Bush geboren und dort für immer zu Hause
Sab Lord lernen wir auf einer ungepflasterten Landepiste im Arnhemland kennen. Nach einstündigem Flug mit der zweimotorigen Cessna 310 aus Darwin angekommen verbringen wir die nächsten drei Tage mit ihm im Busch. Wir sind eine vierköpfige Gruppe und gespannt auf die Geheimnisse aus erster Hand.
Es gibt außer den Aborigines nur wenige Leute, die so innig mit dem Leben und der urwüchsigen Natur des Northern Territory verbunden sind, wie Sab Lord. Er wuchs, weil seine Eltern noch kein Haus hatten, unter freiem Himmel auf, freundete sich mit gleichaltrigen Aborigines an, lernte ihre Sprache und half schon früh auf der Büffelfarm seines Vaters aus. In die Schule kam er erst mit 13 Jahren. Im fernen Sidney war ihm alles fremd und er hat auch erst im Internat gelernt, wie man sich die Schuhe bindet. Geprägt durch solche Extreme kann er sich heute perfekt in seine Kunden, die aus aller Welt kommen, hineinversetzen. Wer heute bei Sab eine Tour bucht, gelangt mit ihm nicht nur zu den besten Flecken, die das australische Outback zu bieten hat. Seine rauhe vom Rugby geprägte aber zugleich humorvolle und herzliche Art, lässt schnell Vertrauen wachsen und die Neugier nimmt zu, je mehr er erzählt. Beiläufig zeigt er auf ein Pflanze. Es ist eine Schraubenpalme, die in Australien Pandanus genannt wird. Erst im Lauf des Tages, erfassen wir die Bedeutung der kurzen Lektion.
Aber zunächst bekommen wir in der Davidson’s Arnhemland Safaris Lodge unsere Zimmer für die Nacht und eine Einweisung in die wichtigsten Grundlagen für das Leben im Busch. Konsequenter Sonnenschutz und Insektenschutz ab der Dämmerung sind Pflicht. Jeder füllt seine Wasserflasche auf, denn bei den Wanderungen in der Sonne, braucht der Körper pro Stunde einen Liter Wasser.
An der Landkarte der Lodge versuchen wir uns zu orientieren. Ein Foto an der Wand erinnert an Max Davidson, der dieses Anwesen gestaltet und hier bis zu seinem Tod gelebt hat. Max hat ähnlich wie Sab viele große Felsmalereien gefunden und wurde von den traditionellen Landeigentümern akzeptiert und geachtet. Aber das Land auf dem die luxuriöse Lodge steht, ist gepachtet und der Vertrag muss alle zehn Jahre verlängert werden.
Ob die Nachkommen von Big Charly die Lodge demnächst weiter an Max Davidsons Töchter verpachten, bleibt abzuwarten. Zurzeit wird die Lodge von Guides wie Sab Lord für ihre kleinen anspruchsvollen Gruppen gebucht und entsprechend individuell gerprägt ist der Stil bei Unterkünften und Mahlzeiten. Es ist zu befürchten, dass hier aber das Lebenswerk desjenigen, der hier den Wundern der Vergangenheit auf der Spur gewesen ist, in Vergessenheit gerät. Auch wenn wegen der Abgeschiedenheit hier bestimmt kein Massentourismus mit den üblichen Begleiterscheinungen Einzug halten wird, befürchtet Sab, dass die Vollauslastung Vorrang haben könnte und wenn ein Generalunternehmer den Zuschlag bekommen würde, nur noch Angebote für große Gruppen gemacht werden.
Unsere erste längere Wanderung mit Sab Lord führt uns zu einem Felsmassiv, in dem sich ein Höhlensystem mit vielen Wandmalereien und Kultstätten befindet. Nicht alles darf fotografiert werden und besonders Begräbniststätten sind absolut tabu. Die Höhlen bieten den Menschen bis heute vor allem in der Regenzeit Schutz. Wir betreten also einen Raum, der vergleichbar ist mit der Privatspäre, die eine Wohnung bietet. So verstehen wir allmählich, warum ein Besuch dieser Stätten nur wenigen Guides gestattet wird, die den traditionellen Eigentümern bekannt sind und für die Unversehrtheit haftbar gemacht werden können.
Da Sab zusammen mit den Kindern der Aborigines aufgewachsen ist, die bei seinem Vater auf der Büffelfarm beschäftigt waren, hat er die Sprache der Bininj gesprochen, die heute als fast ausgestorben gilt. So kennt er bestens die Formen der mündlichen Überlieferung, die davon lebt, dass die Dinge immer wieder neu erzählt werden. Er selbst ist auch ein großartiger Erzähler.
Auf der Weiterfahrt macht plötzlich der Keilriemen des Autos Probleme. Aber wie für alles, hat Sab auch dafür eine Lösung.
Wir gelangen an ein Gewässer und steigen in ein einsam auf uns wartendes Boot. Es ist ein Billabong. Billabong wird in Australien ein Fluss genannt, der nur während der Regenzeit fließt, der aber in der Trockenheit nur noch aus unzusammenhängenden teilweise aber immer noch großen Wasserflächen besteht. Auf einem solchen Billabong zelebriert Sab den perfekten Sonnenuntergang und scheint dafür die ganze Natur unter Vertrag genommen zu haben.
Zum Dinner in der Davidsons’s Arnhemland Safaris kommen wir nach einer rasanten Nachtfahrt durch den Busch gerade noch rechtzeitig. Zeit für ein Bad im Pool bleibt nicht mehr.
Am nächsten Tag sehen wir noch weitere Felsmalereien aber auch Gegenstände des täglichen Lebens, die griffbereit in Felsspalten liegen, als ob es Regalbretter wären. Dominosteine, Speerspitzen, Zimmermannswerkzeuge aber auch einen Faustkeil, der obwohl uralt immer noch ergonomisch gut in der Hand liegt. Ein Wunder, dass alles noch so gut erhalten und noch nicht abhanden gekommen ist. Sab hat in diese Richtung schon einige Erfahrungen gemacht und bittet jeden, über die entsprechenden Orte Stillschweigen zu halten.
Pünktlich nach dem Frühstück müssen wir aufbrechen, denn der East Alligator River ist nur wenige Stunden am Tag mit dem Auto passierbar und oft werden Menschen Opfer der zahlreichen Salzwasserkrokodile. (Australia’s most dangerous water crossing)
Reisehinweise: Australien für europäische Touristen
Die Recherchereise wurde vom Tourismusbüro des Northern Territory unterstützt