Europa stellt das Pflaster für die berühmtesten Radrennen der Welt. Hier kämpfen sich Profis in legendären Rennen über die steilsten Alpenpässe, rattern über Kopfsteinpflaster und rasen in berühmte Täler hinab. Doch die Straßen gehören längst nicht mehr den Profis allein. Neben den Rennradfahrern, die stets mit leichtestem Gepäck Tagestouren abspulen, gibt es auch eine lebendige Bikepacking-Szene sowie ambitionierte Moutainbiker, die den Asphalt meiden und die holprigen Strecken durch Wälder und über Bergflanken suchen.

In Velo Veritas – für jede Glaubensrichtung ein Geläuf
Mit dem Velo meint der Schweizer das Straßenrad. Die Asphaltstraßen gehen im Wallis bis auf 2.600 Meter hoch. Das sind perfekte Bedingungen für Rennradfahrer. Zudem stehen die Schweizer Autofahrer in dem Ruf höflich zu sein. Sie lassen den Radfahrern auf den gut gepflegten Straßen, die selten mal ein Schlagloch aufweisen, viel Platz.



Die Mountainbiker trifft man auf ausgeschilderten Strecken entlang der Bergflanken. Oft teilen sie sich die Wege mit den Wanderern. Wo immer möglich werden Wanderer und Mountainbiker separiert. In vielen Kantonen in der Schweiz gibt es bereits spezialisierte Mountainbike-Parks. Überall sonst gilt die Koexistenz-Regel. Biker sollen das Tempo reduzieren, wenn Wanderer in Sicht sind und ihnen auch den Vortritt lassen.

Zur Biker-Etiquette gehört es auch, auf den Erhalt der Wanderwege zu achten und auf Bremsmanöver zu verzichten, bei denen das Hinterrad blockiert. Denn die Bremsspuren setzen besonders den Natur- und Kieswegen zu. Des weiteren wünscht man sich von den Bikern, nur auf beschilderten Wegen zu fahren und nicht über Wiesen oder offenes Gelände. Im Rahmen eines Ehrenkodex sollen Biker auch Rücksicht auf Tiere nehmen und Weidegatter schließen. Diese Wunschliste für ein friedliches Miteinander am Berg geht nicht immer in Erfüllung. Eine Tour über Mountainbiker Strecken im Wallis war bei unserem Aufenthalt nicht mehr möglich. Der erste Schneefall Ende September hat unserem Team nur noch Touren mit dem Rennrad erlaubt.
Tipps vom Fahrradcoach
Bike Guide Roland Holzer ist ein Velo-Allounder. Der Radexperte aus dem pittoresken Albinen ist mehr als nur ein Begleiter in unbekanntem Terrain. Roland Holzer betreibt in Albinen Rolis Mobile Bikestation. Er vermietet Rennräder, Bikes und E-Bikes, bietet einen Radtransport für die individuelle Tourenplanung an. Von Reparaturen bis zur Tourbegleitung dreht sich alles um das Velo. Roland Holzer gibt auch Tipps rund um die Fahrtechnik. Besonders für Anfänger im Berg ist es spannend, noch viel Wissenswertes rund um das Rennradfahren mit auf den Weg zu bekommen.

Tipps für die perfekte Radeinstellung und in welchem Verhältnis Sattel zu Lenker stehen sollten, werden vom Bike Guide vor Beginn der Tagesetappe gegeben. Die Tour startet recht beschaulich im Rhonetal bei Turtmann. Die ersten ernstzunehmenden Steigungen sind noch nicht in Sicht, der Radweg ist breit und so gibt es eine Praxislektion zum Fahren mit Klickpedalen. Ein echter Guide wäre kein Guide, wenn er den Tourteilnehmern nicht auch etwas über die Landschaft erzählt, an der man vorbeiradelt. So führt die Tour auch durch Leuk. Von weitem ist auch das alte Bischofsschloss von 1254 zu sehen, für dessen umfassende Restaurierung der weltberühmte Tessiner Star-Architekt Mario Botta beauftragt wurde. Hinter Leuk beginnt das Schutzgebiet Pfynwald, ein regionaler Naturpark, mit einem der größten zusammenhängenden Föhrenwälder der Alpen und einem bedeutenden Auenschutzgebiet.

Bevor es dann in die Steigung über Varen hoch nach Albinen geht, versorgt Roland Holzer seine Tourteilnehmer, die sonst überwiegend im flachen Rheinland unterwegs sind, noch mit ein paar Verhaltensregeln am Berg. Wenn man am Berg aus dem Sattel geht, dann sollte man gleich zwei Gänge höher schalten, rät Roland Holzer, denn sonst tritt man in eine Art Mulde und verschwendet Energie. Bei längeren Etappen geht es für Holzer nicht um das Thema Schnelligkeit, vielmehr sagt er, sei es wichtig, auch mal die Art der Belastung zu wechseln. Im Touren-Gedächtnis bleibt auf jeden Fall Roland’s Radregel: „Solange man noch reden kann, strengt man sich nicht genug an,“ aber die Worte „Ich will nicht mehr“ zählen für ihn nicht dazu!

Traumhafte Infrastruktur für Rennradfahrer und Biker
Stark nachgefragt wird in den letzten Jahren das Mountainbike. In den jeweiligen Regionen arbeiten zertifizierte Bike Guides. Ihre Adressen erfährt man im lokalen Tourismusbüro. Darüber hinaus gibt es Kartenmaterial zu ausgewiesenen Touren für das Rennrad und viele Tipps zu Loops und Trails für Mountainbiker. Im Tessin und im Wallis sind die Rahmenbedingungen für Touren richtig gut.

Die Tourismusbüros geben Übersichten mit zertifizierten Bikerhotels und bikerfreundlichen Unterkünften. Die Annehmlichkeiten gehen von separaten und abschließbaren Fahrradräumen sowie Werkzeug für die Wartung, über E-Bike-Ladestationen bis zu Wäscheservice für Biker und spezielle Menüs für die energiehungrigen und ausgepowerten Gäste. Mancherorts wird am Abreisetag nach dem Check-out und der letzten kleinen Tour nochmal die Möglichkeit einräumt, eine Dusche zu nehmen.
Die Walliser Stube Godswärgisstubu in Albinen
Wen die eigenen Tour in das pittoreske Dorf Albinen verschlägt, dem sei die Einkehr in der Walliser Stube Godswärgisstubu empfohlen. Es gibt Mittgastisch und ein mehrgängiges Abendmenü. Am Herd steht Roger Haudenschild. Neben dem selbstgebackenen Ur-Dinkelbrot kann man im Godwärgisstubu vor allem sehr regional und sehr saisonal essen, denn viele Zutaten stammen aus den Gärten im Dorf oder von den Wiesen. Im urigen Speiseraum voller Erinnerungstücke aus alten Zeiten fühlen sich nicht nur ausgepowerte Radfahrer wohl. Eine Reservierung ist empfehlenswert, denn gekocht wird hier nur, wenn sich Gäste angesagt haben.

Weiterführende Informationen
- Das Kanton Wallis hat eine eigene Internetpräsenz rund um den Fahrradtourismus
- Routenplanung für Rennrad (Velo) und Biker
- Albinen gehört seit 2020 zu den schönsten Dörfern der Schweiz
Die Recherchereise wurde vor Ort teilweise von Schweiz Tourismus unterstützt