Das beste und teuerste aller Salze – Fleur de Sel
Wer stellt das teuerste Salz der Welt her? Der Beruf des Salzbauern, des Paludiers, hat in der Guérande, dem südlichen Teil der Bretagne, eine lange Tradition. Seit mehr als 2.000 Jahren ringen die Salzbauern dem Ozean das kostbare bretonische Gold ab.
Schon lange bevor Vasco da Gama 1499 mit der ersten Ladung Gewürze aus Indien nach Portugal zurückkehrte, wurde mit dem Salz der Guérande erfolgreich Handel betrieben. Meersalz war Würzmittel, lebenswichtiges Mineral und wertvoller Konservierungsstoff. Auf diesen traditionsbehafteten lehmigen Böden im Guérande-Bassin nahe Nantes gewinnen auch Gilles Morel und Matthieu Le Chantoux ihre Salzsorten: Sel gris marin und Fleur de Sel. Onkel (Gilles) und auch der Neffe (Matthieu) sind Quereinsteiger. Gilles Morel war zuvor in der Muschelzucht der Betragne tätig und Matthieu Le Chantoux war als Banker viele Jahre im Ausland. Ein für mich bei unserem Besuch glücklicher Umstand, denn so konnte ich mich mit ihm auf Englisch unterhalten.
Wir sind an einem Sommertag in den Lagerräumen der jungen Firma in St Molf verabredet. Rund 300 Paludiers gibt es noch in der Gegend um die kleine Festungsstadt Guérande. Die allermeisten dieser Salzbauern sind einer Kooperative angeschlossen. Sie liefern ihre Salzernte der Zentrale und sind nicht in die weitere Vermarktung involviert.
Anders bei Morel et Le Chantoux: Von der Muskelarbeit auf den Salzfeldern bis zum Design der Produktetiketten liegt alles in den Händen der beiden Franzosen. Mit ihrer Salz-Manufaktur sind sie eine wahre Rarität. Denn unter den Paludiers der Guérande gibt es nur noch wenig mehr als zehn, die sich dem Salz von A – Z verschrieben haben.
Matthieu führt mich durch die Lagerhalle. In großen lebensmittelechten Kisten lagert die Salzernte verschiedener Jahrgänge nach Körnung sortiert. 50 Tonnen normales Salz und 800 Kilo Fleur de Sel ernten Gilles und Matthieu in jeder Saison aus ihren 46 gepachteten Becken. Auch draußen vor der Halle lagern unter grünen Planen jeweils rund 70 Tonnen Meersalz für ca. 2 – 3 Jahre. Verbliebene Feuchtigkeit sickert langsam nach unten ab. Drinnen im Lager wird dieses vorgetrocknete Salz kübelweise in einen Trichter geschüttet. Ein Sieb sortiert das Salz nach verschiedenen Korngrößen.
Es gibt das grobe Meersalz und das feine Meersalz. Beide Körnungssorten werden in 1 bis 25 kg Portionen abgepackt. Dieses Salz nennen die Franzosen Sel gris, graues Salz. Die Farbe entsteht durch den Kontakt mit dem Lehmboden in den Salzbassins und macht das Salz noch mineralstoffhaltiger. Es gibt weder Zusatzstoffe noch maschinelle Verarbeitung. Dieses Salz ist das Produkt aus dem Zusammenspiel von Wind, Sonne und Gezeiten mit handwerklicher Arbeit.
Da Gilles Morel und Matthieu Le Chantoux auch die Produktentwicklung leiten, erweitern sie ihr Sortiment kontinuierlich. Es gibt Sel gris mit Bio-Kräutern, mit Anis, mit Bärlauch oder mit Chili. Matthieu le Chantoux: „Die Leute möchten heutzutage wissen, wo ihre Lebensmittel herkommen. Unser Salz ist ein Naturprodukt im wahrsten Sinne des Wortes. Fügen wir dem Salz Gewürze hinzu, so verwenden wir auch hier nur Bioprodukte, deren Herkunft wir kennen.“
Den eleganten und scheuen Avocet, zu deutsch Säbelschnäbler, haben sie zu ihrem Wappentier gewählt. Mit seinem nach oben gebogenen Schnabel lebt er ganzjährig im Marschland der Bretagne. Er ziert jede Verpackung, denn für den Verkauf der Ware muss auch das Design stimmen. Das Auge entscheidet bei hochwertigen Lebensmitteln schließlich mit.
Der scheue Säbelschnäbler ist in den Marschgebieten zu Haus, in denen das Salz der Guérande gewonnen wird / © Foto: Georg Berg
Ein ausgeklügeltes Kanalsystem
Die Zeit für die Salz-Ernte ist kurz und liegt zwischen Juni und September. In diesen wenigen Monaten kommt es darauf an, das alte überlieferte Wissen auf die drei Elemente der Natur (Ozean, Sonne und Wind) anzuwenden. Das Spiel mit den Gezeiten ist fein austariert. Onkel und Neffe machen sich ein traditionell bewährtes System zu nutze. Matthieu le Chantoux: „Wir zwingen das Wasser zur Verdunstung und führen es durch ein Kanalsystem, bei dem vom Becken zu Becken der Salzgehalt des Wassers steigt, bis am Ende der Prozess der Kristallisation beginnt und sich der Zeitpunkt der Ernte nähert.“
Einmal im Monat wird das Wasserreservoir mit Meerwasser geflutet. Dies ist der Start einer von den Salzbauern geführten Wasserstrecke. Das Wasser soll sich ständig bewegen und dabei verdunsten. Täglich erfolgt dieser kontrollierte Meerwasserzufluss, vom großen Hauptbassin in die Reservebecken.
Solange bis das Wasser dann schließlich in die Oeillets gelangt ist, den Becken, in denen auch die Ernte von statten geht. Hier ist der Salzgehalt so hoch, dass es unwirtlich ist für Tiere und Pflanzen. Bei seiner Arbeit muss der Salzbauer immer 6 bis 12 Stunden vorausdenken. Denn das Wasser bewegt sich sehr langsam und die Rohre, die den Zufluss oder Abfluss regeln, müssen mit Bedacht und der eingeplanten Zeitverzögerung bedient werden. Ziel ist es, das Wasser durch die gesetzten Schikanen über eine möglichst große Oberfläche laufen zu lassen. Diese durchdachte und mit peniblem Zu- und Abflüssen gesteuerte Verdunstung wird in der Erntezeit öfter mal von Starkregen torpediert. Dann werden die Salzbauern um bis zu zwei Wochen in ihrer Erntearbeit zurückgeworfen.
Das Handwerkszeug des Paludiers
Las heißen die fünf Meter langen Werkzeuge, mit denen das Sel gris zusammengeschoben wird. Es sind elegante und kraftvolle Bewegungen. Die Kanten des Las unterscheiden sich, mit der einen Seite wird das Wasser geschoben, die andere Seite kann das Salz stapeln. So wachsen in den Becken nach und nach Salzkegel von bis zu 70 Kilo an. Im September, wenn die Sonne nicht mehr genug Kraft hat, endet die Erntesaison. Erst ab Februar beginnt die Vorbereitung der neuen Saison. Die Bassins müssen neu befestigt, abgedichtet und gepflegt werden.
Auf ins weiße Land
Guérande bedeutet Gwenn Rann – weißes Land. Wenn die Sonne in schrägem Winkel auf die Salzbecken fällt und sich der Wind aus Westen oder Osten erhebt und über das Land streicht, dann ist die Zeit der Ernte gekommen. Gegen 16.00 Uhr machen wir uns auf den Weg vom Salzlager der Firma zu den Salinen. Die wenigen Arbeitsgeräte, die benötigt werden, liegen immer vor Ort. Die tägliche Ernte beginnt mit dem kostbaren Fleur de Sel.
Die Krone der Schöpfung
Die Ernte der zarten Salzplatten erfordert Geschick und Übung, ist aber körperlich weit weniger anstrengend als das Hantieren mit dem fünf Meter langem Salzschieber, dem Las, mit dem das Sel gris, zusammengeschoben wird. Matthieu lässt mich ran an das bretonische Gold und ich schöpfe die feinen Kristalle mit einem rechteckigen und flachen Sieb von der Wasseroberfläche.
Das beste und teuerste aller Salze – Fleur de Sel
Von Feinschmeckern geschätzt, sind die an der Wasseroberfläche treibenden Salzflocken ein wunderbares Handsalz, das nie aufdringlich ist und ein Gericht abrunden kann. Viele schmeichelnde Bezeichnungen wurden ihm verliehen, von denen die der Salzblume noch am prosaischsten ist. Weißes Gold, bretonisches Gold oder auch Kaviar wird das Fleur de Sel gerne genannt. Dabei haben die Salzbauern in der Guérande das Fleur de Sel lange nicht zu schätzen gewusst. Sie ernteten nur das Sel gris, das durch die Mineralien in den Lehmböden der Salzbecken leicht gräulich getönte Salz.
Die Königin unter den Salzen, das feine Fleur de Sel wurde schlichtweg ignoriert. Auch die aus dieser Region stammende Bezeichnung Fleur del Sel haben sich die Salzbauern nicht schützen lassen. Heutzutage sind die zarten Salzblüten eine besondere Zutat für die Küche. Sie werden von Spitzenköchen wegen ihres milden und sich langsam entfaltenden Geschmacks geschätzt und haben längst in private Küchen Einzug gehalten. Fleur de Sel drängt sich nie auf, sondern bringt jedes Gericht besonders zur Geltung. Doch zurück zur Erntearbeit: Das Fleur de Sel schwimmt auf der Wasseroberfläche und sieht aus wie ein an den Badenwannenrand getriebener Schaumrest. Es braucht Sonne und den West- oder Ostwind, damit am späten Nachmittag dann das Fleur de Sel abgeschöpft werden kann.
Der knusprige Westwind und der feine Ostwind
Je nach dem, aus welcher Richtung der Wind über die 7 x 10 Meter großen Salzbecken weht, entstehen unterschiedliche kristalline Strukturen. So haben die beiden fachlichen Quereinsteiger eine interessante Beobachtung gemacht, die vielleicht nur gelingt, wenn man ein Projekt mit dem Blick von außen angeht. Das zarte Fleur de Sel wird vom Wind geformt. Weht am Nachmittag der Westwind vom Ozean über die 46 Salzbecken, so entstehen größere und knusprigere Kristalle. Die Luft vom Ozean ist feuchter, der Trocknungsprozess dauert länger. Der wärmere Ostwind dagegen sorgt bei einer schnelleren Trocknung für feinere Kristalle. Ein kleiner, aber feiner Unterschied, den die beiden Salzbauern auch auf der Verpackung ihres Fleur de Sel mit Vent d’Oest und Vent d’Est vermerken.
Es weht ein Wind von Westen, ich werde also das feinere Fleur de Sel ernten. Ich weiß schon jetzt, dass ich ab dem nächsten Kochen mit Fleur de Sel, an diese wunderbare Sommeratmosphäre in den Salinen der Guérande denken werde.
Die Ernte des Fleur de Sel kommt in einen kleinen Container. Hier gibt es zwei Salzberge, denn die körperlich leichtere Arbeit der Salzblütenernte übernehmen derzeit zwei Studentinnen. Einmal pro Woche ist dann Zahltag nach Gewicht.
Als die Sonne schon tiefer steht, verabschieden wir uns von Gilles und Matthieu. Wir stehen noch einen Moment auf einem Damm und betrachten die beiden Männer bei ihrer Arbeit. Gilles Morel zieht das lange Werkzeug mit kräftigen Bewegungen durch das Wasser. Er wandert von Becken zu Becken und bewegt sich dabei elegant wie ein Trapezkünstler auf dem Hochseil. Merci beaucoup Gilles et Matthieu!
Gastro-Tipp vom Paludier
Natürlich versteht der Produzent einer edlen Kochzutat auch etwas von gutem Essen. Eigentlich wollten wir in das Lieblingsrestaurant der überaus erfolgreichen und beliebten Romanfigur Kommissar George Dupin, das Le Grand Large in Le Croisic, aber die Entfernung war zu groß. Wir hätten es nicht pünktlich zu unserer Verabredung geschafft. Daher gab Matthieu mir einen Restaurant-Tipp aus der Gegend. Er empfahl uns das La Vigie in Piriac sur Mer. Ganz hervorragend war das kleine 3-Gang-Menü zur Mittagszeit mit Blick auf den Jachthafen.
Produkte von Morel & Le Chantoux gibt es in Deutschland bei: Peter sei selig – Genusspunkt Küche
Weitere Informationen über die beiden unabhängigen Salzbauern aus der Guérande gibt es in französischer, englischer und ungarischer Sprache unter Leseldeguerande
Der Beruf des Paludiers hat in der Guérande, dem südlichen Teil der Bretagne, eine lange Tradition. Seit mehr als 2.000 Jahren ringen die Salzbauern dem Ozean das kostbare bretonische Gold ab. Schon lange bevor Vasco da Gamma 1499 mit der ersten Ladung Gewürze aus Indien nach Portugal zurückkehrte, wurde mit dem Salz der Guérande erfolgreich Handel betrieben. Das Meersalz war Würzmittel, lebenswichtiges Mineral und wertvoller Konservierungsstoff.
Der Beruf des Paludiers
Rund 300 Paludiers gibt es noch im Guérande-Bassin rund um die kleine Festungsstadt Guérande nahe Nantes. Die allermeisten sind einer Kooperative angeschlossen. Sie liefern ihre Salzernte der Zentrale und sind in die weitere Vermarktung nicht involviert. Die Salzbauern Gilles Morel und Matthieu Le Chantoux, die wir an diesem Sommertag im Juli treffen, gehören zu den wenigen, die sich der Salzgewinnung von A – Z widmen.
Gwenn Rann. Im weißes Land.
Die Betronen nennen die Guérande Gwenn Rann, weißes Land. Die Erntezeit für das Meersalz ist kurz und liegt zwischen Juni und September. In diesen wenigen Monaten kommt es darauf an, das alte überlieferte Wissen auf die Elemente Wind, Sonne und Ozean anzuwenden. Es ist ein fein austariertes Spiel mit den Gezeiten.
Die Salzbauern zwingen das Wasser zur Verdunstung und führen es durch ein Kanalsystem, bei dem vom Becken zu Becken der Salzgehalt des Wassers steigt, bis am Ende der Prozess der Kristallisation beginnt und sich der Zeitpunkt der Ernte nähert.
Fleur de Sel und Sel gris
Von Feinschmeckern geschätzt wird das Fleur de Sel, ein Handsalz, das nie aufdringlich ist und ein Gericht abrunden kann. Viele schmeichelnde Namen wurden dem Fleur de Sel verliehen. Weißes Gold, bretonisches Gold oder auch Kaviar wird es gerne genannt. Dabei haben es die Salzbauern in der Guérande lange nicht zu schätzen gewusst. Sie ernteten nur das Sel gris, das durch die Mineralien in den Lehmböden der Salzbecken, leicht gräuliche, aber dadurch auch besonders mineralstoffhaltige Salz. Die Königin unter den Salzen, das feine Fleur de Sel wurde schlichtweg ignoriert. Auch die aus dieser Region stammende Bezeichnung Fleur del Sel haben die Salzbauern nicht schützen lassen. Heutzutage sind die zarten Salzblüten eine besondere Zutat, werden von Spitzenköchen wegen ihres milden und sich langsam entfaltenden Geschmacks geschätzt und haben längst Einzug in die privaten Küchen gehalten.
Spiel der Gezeiten
Einmal im Monat wird das Wasserreservoir mit Meerwasser geflutet. Dies ist der Start einer von den Salzbauern geführten Wasserstrecke. Das Wasser soll sich ständig bewegen und dabei verdunsten. Täglich erfolgt dieser kontrollierte Meerwasserzufluss, vom großen Hauptbassin in die Reservebecken. Bis das Wasser schließlich in die Oeillets gelangt, den Becken, in denen auch die Ernte von statten geht.
Fleur de Sel – die Krone der Schöpfung
Das Fleur de Sel schwimmt auf der Wasseroberfläche und sieht aus wie eine zerbrechliche erste Eisschicht. Es braucht Sonne und Wind, damit am späten Nachmittag dann das Fleur de Sel abgeschöpft werden kann. Die Ernte der zarten Salzplatten erfordert Geschick und Übung, ist aber körperlich weit weniger anstrengend als das Hantieren mit dem fünf Meter langem Salzschieber, dem Las, mit dem das Sel gris, zusammengeschoben wird.
Weitere Aspekte: Die vorausschauende Arbeit der Paludiers / Schikanen bauen – ein ausgeklügelste Kanalsystem / Wehe es regnet / Vom Ostwind und vom Westwind / Interview mit zwei unabhängigen Paludiers /