Der Renthof Kassel, 1298 als Karmeliterkloster gegründet, hat die Wirren vieler Jahrhunderte überstanden. Er hat als Hofschule, Ritterakademie und kurzzeitig als Universität und später als Gerichts- und Verwaltungssitz gedient. Der Namen bezieht sich auf die damalige Rente, den Abgaben im Grundherrschaftssystem. Der Renthof und die zum Gebäudekomplex zugehörige Alte Brüderkirche liegen nah an der Fulda und sind so etwas wie die Keimzelle des alten Kassels. Hier und dort blitzen in der Stadt, die seit dem Zweiten Weltkrieg große städtebauliche Narben trägt, noch historische Bauten aus der spröden Nachkriegsbebauung heraus. Den Kirchturm der Alten Brüderkirche, die bereits vor 15 Jahren entweiht worden ist und seitdem für Veranstaltungen zur Verfügung steht, sieht man schon von weitem. Im Documenta-Jahr 2017 öffnet für Reisende und auch für die Kasselaner nun ein Haus seine Türen, wie es die Stadt zuvor noch nicht gesehen hat.
Im Juni 2017 eröffnet der Renthof Kassel nach drei Jahren Umbauphase, als Hotel, Restaurant und Event-Location. Von einem Soft-Opening mit genügend Einarbeitungszeit für das ganze Team, wie sich das Hotel-Direktorin Undine Bay im optimalen Fall gewünscht hat, kann da keine Rede mehr sein. Das Renthof-Team muss sich vom ersten Tag an großen Herausforderungen stellen. Bundespräsident Steinmeier und sein griechischer Amtskollege Pavlopoulos haben die Documenta 14 eröffnet und waren dazu auch Gäste im Renthof. Auch können endlich die bereits gebuchten Hochzeitsfeiern und Tagungstermine stattfinden.
Das Wetter ist gut, die Documenta-Gäste haben die Stadt erobert und die Kasselaner sind neugierig auf ihr neues „altes“ Gebäude. Beste Bedingungen, die dafür sorgen, dass der vormals verschlossene Innenhof, der frühere Kreuzgang des Klosters, nun mit rund 50 Sitzplätzen zum beliebten und belebten Treffpunkt wird.
Der neue Renthof Kassel in Zahlen
Das Hotel bietet 55 Zimmer. Darunter auch Superior-Doppelzimmer, Suiten und ein Familienzimmer. Das Restaurant hat rund 100 Sitzplätze. Im Sommer ist der mittelalterliche Innenhof der Publikumsmagnet. Für Tagungsgäste gibt es als Rückzugsmöglichkeit für Meetings die Bibliothek für bis zu 20 Personen und einen Konferenzraum für bis zu 100 Personen.
Die Alte Brüderkirche ermöglicht dann noch die ganz große Nummer. Für 300 Gäste können hier Bankette, Hochzeiten und Empfänge ausgerichtet werden. Stets mit der Möglichkeit, während und nach getaner Arbeit oder Feier noch das Ambiente im Hof, Restaurant oder an der Bar zu genießen. Sogar eine Komplettbuchung ist möglich. Dann können im Areal des Renthofs bis zu 600 Personen feiern und bis zu 100 Personen nächtigen.
Die Alte Brüderkirche ist das älteste Gebäude Kassels. Und so ist das heutige Zentrum mit dem Fridericianum fußläufig in nur 10 Minuten erreichbar. Ein schöner Spaziergang entlang der Fulda bis zur Orangerie in der Karlsaue dauert eine Viertelstunde. Dies soweit die Fakten zum Renthof. Aber ein Ort mit Geschichte bietet viele Themen und verlangt einen Blick in die Tiefe.
Die Verwandlung zum Hotel – Jeder Bogen ein Geschenk
Hinter dem ungewöhnlichen Hotelprojekt stehen das Unternehmerpaar Uwe Kleinkauf und Kirstin Homburg-Kleinkauf sowie Rainer Holzhauer. In Kassel ist Rainer Holzhauer als Gastronom in 6. Generation bekannt. Holzhauer ist außerdem bereits Pächter der zum Ensemble gehörenden Alten Bruderkirche. Als 2014 der Renthof zum Verkauf steht, sieht er darin die Chance den bis dahin unzugänglichen Innenhof als Eventlocation zu nutzen. Das Konzept für Hotel, Restaurant und Veranstaltungsort ist dann gemeinsam mit dem Ehepaar Kleinkauf entstanden. Unter mehreren Bewerbern hat sich das Trio bei der Stadt Kassel mit ihrem Konzept durchgesetzt.
Kirstin Homburg-Kleinkauf, die selber Architektin ist, spricht sehr gelassen von der abenteuerlichen Bauphase. Sie hat im Verlauf der Renovierung gelernt, jeden Torbogen, jeden verborgenen Durchgang und jede Tonnendecke als Geschenk zu betrachten. Auch wenn dies jedes Mal Bauverzögerung und Kostensteigerung bedeutet hat. Die Bauherren sehen darin auch eine Chance, dem Renthof mehr Individualität zu verleihen. Welches Hotel hat schon ein mittelalterliches Plumpsklo im Treppenhaus oder imposante Mauerbögen als Spirituosenregal?
Herausfordernde Schieflage
Der Charme der alten Mauern wird schon im Treppenhaus und in den Fluren versprüht. Was die Handwerker zuerst verflucht haben, so Kirstin Kleinkauf, wird später ihr ganzer Stolz. Rechte Winkel sind die Ausnahme. Alles ist hier schief und krumm. Maßanfertigung, statt Massenware sind gefordert. Das 300 Jahre alte spätbarocke Treppenhaus wird bewusst in der vorgefundenen Schiefheit erhalten. Es knarrt freundlich und auf den Absätzen kann man Halt machen und sich die Fassadenschichten der vergangenen Jahrhunderte anschauen. Kleine Einblicke aus Zeiten der Großbaustelle, bei der jeder Schritt auch mit der Denkmalbehörde abgestimmt wurde.
Gastfreundschaft und Service
„Der Renthof Kassel ist ein privat geführtes Haus, in dem Gastfreundschaft und Service in ungezwungener Atmosphäre groß geschrieben werden. Wir verzichten bewusst auf eine Sterneklassifizierung“, erläutert Hoteldirektorin Bay. Es gibt weder Minibar, Kofferablage noch Bademantel. Dafür sehr individuelle Zimmer.
Jeder Raum ist geprägt von Fundstücken, die sich bei der Renovierung gezeigt haben. So sind ganze Zimmerwände in rohem Stein belassen. In den Maisonette-Suiten trifft man auf abenteuerliche Balkenverläufe. Besonders im Gebälk der Maisonetten entstehen kleine Rückzugsräume mit gemütlichen Sitzecken und Blick auf die Alte Brüderkirche.
Das Herzstück des Hauses: Bar und Restaurant
Fundstücke mit Symbolkraft
Wer sich pudelwohl fühlt, hat keinen Grund zur Klage heißt es. Der Pudel ist zum Symbol und Maskottchen für den Renthof geworden. Dieser Hund ist auch das erste Stück, dass Rainer Holzhauer und Kirstin Kleinkauf für die Innenausstattung erworben haben. Der Pudel schafft den Sprung als Star auf die Theke der gleichnamigen Bar. Diese wird aber auch von den beiden Mauerbögen dominiert, in denen sich nun Spirituosen und Barequipment imposant in Szene setzen.
Doch der Vierbeiner lässt nicht locker. Er ist nun mal die erste große Hundeliebe von Gastronom Holzhauer und somit ist er auch auf dem Porzellan des Restaurants vertreten. Weitere Pudel sollen folgen. Eine Pudel-Bibliothek, so verrät Kirstin Kleinkauf im Gespräch, konnte gerade noch verhindert werden.
Offenes Haus – Offene Küche
Sie ist der Eyecatcher im Raum, die offene Küche im Restaurant Renthof. Türkise Fliesen, glänzende Messingverkleidung und eine abgerundete Glasfront zum Restaurant. Die offene Küche erinnert an Edward Hoppers berühmtes Bild Nachtschwärmer.
Gastronom Rainer Holzhauer ist sich mit seinem Chefkoch Philipp Hühner einig. „Wir bieten im Renthof eine Küche, die auf Regionalität und Frische setzt.“ Holzhauer ist gelernter Koch. Nach seiner Ausbildung hat er auch die Arbeit in den Brigaden der französischen Spitzengastronomie kennengelernt. „Diesem Dogma wollen wir uns nicht unterwerfen, sagt er. Wir legen Wert auf frische Produkte, arbeiten wo es geht mit Bioprodukten und uns bekannten Lieferanten. Wir sind offen und möchten Gäste von 18 bis 80 Jahren ansprechen.“
An langen Tafeln tafeln – das Fo(u)r Friends Menü
Schon in den wenigen Wochen, die der Renthof Kassel auf Hochtouren läuft, hat sich ein Angebot als Liebling der Gäste hervorgetan. Das Menü für Freunde kann ab vier Personen bestellt und untereinander geteilt werden. Die Küche stellt dann ein Menü aus vielen Gemüsebeilagen, Fleisch und auch Fisch zusammen. Das Essen kommt in Töpfen und Schüsseln daher. Wird auf die Tafel gestellt und untereinander geteilt.
Philipp Hühner stellt fest, dass das For Friends Menü gerade zur Documenta-Zeit ideal für Gäste und die Koch-Crew ist. Größere Gruppen mit einem engen Zeitfenster können entspannt tafeln und die Küche kann schneller liefern. Es werden Fisch, Fleisch und Vegetarisches mit sechs Beilagen serviert. Darunter knusprige Süßkartoffel, Brokkoli und Möhren mit Vanille. Auf Wunsch auch als Menü mit Suppe und Dessert.
Chefkoch Hühner ist sehr zufrieden mit dem Verlauf der ersten Wochen. Sein Team hat sich im Documenta-Modus eingespielt. Für die Zeit nach der Kunstschau wird es eine neue Menükarte geben mit ersten herbstlichen Noten. Den Schritt nach Kassel zurückzukehren bereut er keineswegs. Ihm war klar, dass etwas Ähnliches wie der Renthof in Kassel kein zweites Mal eröffnet wird.
Hoteldirektorin Undine Bay und das Eigentümer-Trio Kleinkauf und Holzhauer blicken nach dem gelungenen Start zuversichtlich in die Zukunft. „Das Projekt, das in den drei Jahren der Umbauphase viel Zeit und Kraft abverlangt hat, soll jetzt ohne uns laufen lernen, sagt Uwe Kleinkauf und fügt noch an: „Wir sind aber auch sehr gerne hier.“
Hier geht es zur ausführlichen Reportage über die Documenta 14 in Kassel
Die Kosten der Halbpension wurden vom Hotel nicht berechnet