Wenn es neben der üppig grünen Hügellandschaft der Oberpfalz etwas regional Typisches gibt, dann ist es der Zoigl. Thomas Kellermann, Spitzenkoch auf Burg Wernberg in der Nähe von Weiden, legte uns im Rahmen unseres Aufenthaltes im inzwischen geschlossenen Hotel Burg Wernberg, den Besuch einer Zoigl-Wirtschaft sehr ans Herz. Damals lebte er seit zehn Jahren in der Oberpfalz und hat den Zoigl selbst auch oft besucht und dabei gelegentlich von einem eigenen Biergarten geträumt. Was Oberpfälzer und Ortskundige so selbstverständlich aussprechen, kommt einem Fremden wie die (hier nicht weit entfernten) böhmischen Dörfer vor. Zoigl? Zoigl-Wirtschaft?
Zoigl ist ein untergäriges Bier, das hell oder dunkel gebraut wird. Es kommt aus der nördlichen Oberpfalz und wird von Privatpersonen gemeinsam gebraut.
Nun, die Neugier, der Zoigl-Kalender und der Zufall führen uns in das alte Pfarrhaus in Altenstadt an der Waldnaab zu Anni und Rudi Loistl. Dort erfahren wir von den Gästen und den Wirtsleuten viel über die mehr als 600 Jahre alte Brautradition und in Null-Komma-Nichts geht uns Zoigl wie selbstverständlich über die Lippen.
Ein Stern als Bieranzeiger
Wenn der private Ausschank für eine Woche an der Reihe ist, baumelt an der Stange vom Hausgiebel oder über der Eingangstür der sechszackige hölzerne Zoiglstern. Er gleicht dem Davidstern, ist das alte Handwerkszeichen der Brauer und symbolisiert die drei beteiligten Elemente Feuer, Wasser und Luft sowie die seit dem Mittelalter bekannten Zutaten Wasser, Malz und Hopfen. Die Hefe als Brauzusatz fehlte damals noch. Seit Jahrhunderten zeigt der Stern den Weg zum Bier. Aus dem Zeiger ist mundartlich der Zeigel und später der Zoigl geworden.
Das süffige Zoiglbier ist ein untergäriges, ungefiltertes Traditionsbier aus der nördlichen Oberpfalz. Windischeschenbach mit rund 5.700 Einwohnern gilt als das Zentrum des Zoigl. Seit dem Jahr 1455 ist hier das Braurecht verbürgt, das an Haus und Grundstück verankert und im Grundbuch vermerkt ist. Der Fürst erteilte einigen Bürgern einst das Braurecht. Es stammt aus einer Zeit, als das Trinkwasser oft verunreinigt war, und es für die Gesundheit zuträglicher war, Bier zu trinken. Auch heute noch betreiben einige Privatbrauer in der Region ein Kommunbrauhaus. Für die Nutzung und vor allem den Erhalt dieser kulturellen Besonderheit zahlen sie als Mitgliedsbeitrag ein Kesselgeld. Von den 38 Anteilshabern brauen aber nur noch zehn aktiv. Ein Jahr im Voraus legen die Wirte einvernehmlich fest, wer an welchem Wochenende öffnen darf. So entsteht der Zoigl-Kalender, der vielfach im Internet und auch als App zu finden ist.
Von Nürnberg und Regensburg rüber kommen die Gäste
Rudi Loistl braut sein Bier nach eigener Rezeptur. Seit 30 Jahren ist er Hobbybierbrauer. Seit 2005 schenkt er sein Bier im alten Pfarrhaus aus. Nur im Finanzamt hat er noch länger gearbeitet – ganze 46 Jahre. Doch das ist nun vorbei und er kann seine ganze Energie in die Braukunst und das alte Anwesen stecken. Allein der Dachstuhl, so betont er im Gespräch, stammt aus dem Jahre 1733. „60 Jahre vor der Französischen Revolution.“
Ein Besuch in der Braugasse 1 – Wo sonst!
Gibt es eine bessere Adresse für ein Brauhaus? 38 eingetragene Bierbrauer gibt es in Windischeschenbach. Davon sind derzeit noch zehn aktiv dabei. Sie tragen sich in das Sudbuch ein. Wer dort drinsteht, hat das Recht auf die Nutzung des Kommunbrauhauses. Das aus Gerste erzeugte Malz, rund 500 kg, bringt jeder Brauer selbst mit. Es wird im Brauhaus geschrotet. Rudi Loistl setzt für sein Braumalz auf eine eigene Mischung aus Pilsener Malz, das eher herbe Noten hat und Münchener Malz, das süßlicher schmeckt.
Jetzt fehlt noch das frische Quellwasser. Das Schrot wird im Maischbottich mit Wasser vermischt und durch erhitzen lösen sich die Stoffe aus dem Malz, die später zu Bier vergoren werden. Windisch-Eschenbach hat weiches kalkarmes Trinkwasser. Das vor allem, so ist Rudi Loistl überzeugt, sorgt später für den guten Geschmack des Bieres.
Die Maische wird nach einiger Zeit von den festen Bestandteilen befreit und in den Sudkessel geleitet. Zwei Raummeter Holz sorgen für acht Stunden Feuerung. Und der Hopfen aus Holedau, der hier dazugegeben wird, sorgt für die nötige Bitterkeit. Die Kochtemperatur der jetzt Würze genannten Flüssigkeit liegt bei 80 Grad.
Besonders beeindruckend ist das kupferne Kühlschiff unter dem aufwändig renovierten Dach des Kommunbrauhauses. Bis zu 4.000 Liter können in das Kühlschiff geleitet werden. Rudi Loistl, der uns in der trockenen Phase zwischen den Sudansätzen durch das Brauhaus führt: „Bis hierin ist es nicht mehr als ein heißer Hopfentee, der Dampf ablassen muss.“ Die Würze kühlt über Nacht ab und wird am nächsten Tag von ihm im eigenen Tankwagen abgeholt. Jeder Bierbrauer hat seinen eigenen Bierkeller. In dem entsteht aus dem Hopfentee erst unter der Zugabe von Hefe das Bier. Dauer und Temperatur der Gärung sind die Stellschrauben jedes Bürgerbrauers. Sie sorgen dafür, dass sich die Zoigl-Biere geschmacklich unterscheiden.
Wen immer es zu welcher Gelegenheit in die Oberpfalz verschlägt, sei es zum Wandern entlang der pittoresken Waldnaab oder als Fahrradtourist auf dem Paneuropa Radweg, als Städtetourist aus Regensburg oder Amberg, diese alte Brautradition, die seit Jahrhunderten von den Oberpfälzern aufrecht erhalten wird, ist ein ganz besonderer Kulturschatz und der Besuch absolut lohnenswert.
Mittlerweile gibt es auch in der virtuellen Welt Zeiger, die den Weg zum Bier weisen. Die Zoigl-App oder der Zoigl-Kalender zeigen dem Bierfreund die Öffnungszeiten der Zoigl-Stuben an. Auch hier gibt es ein Sterne-System, mit bis zu fünf Sternen. Die Kriterien für viele Sterne sind zum einen, ob der Biersud vom Kommunbrauer stammt, eine eigene Hausgärung betrieben wird, höchstens alle drei Wochen geöffnet ist und ob es nur zoigltypische Brotzeiten gibt. Ein weiterer Hinweis für Besucher ist das Logo Echter Zoigl vom Kommunbrauer.
Die Burg Wernberg ist im Mittelalter als Arbeitsburg konzipiert worden, denn nach dem Geleitrecht mussten an diesem bedeutenden Verkehrsknotenpunkt die Händler Abgaben für eine sichere Reise entrichten. Fast zeitgleich ist das Braurecht entstanden, das in der Zoigl-Tradition immer noch gültig ist.
Die Reportage im denkmalsgeschützten Kommunbrauhaus von Falkenberg verschafft einen wirklichen Einblick in den traditionellen Brauprozess weil hier noch in offenen Kesseln gearbeitet wird.