Der bekannteste Senf der Welt

Burgund – unbekannter Nachbar

Wer kennt ihn nicht – den Dijon Senf? Wahrscheinlich jeder! Aber wo genau liegt Dijon? Dijon ist die Hauptstadt der ostfranzösischen Region Burgund. Von Deutschland aus mit dem Auto gut zu erreichen. Aber als Reiseziel sind bei uns Deutschen das Elsaß, die Normandie, die Provence oder die Bretagne präsent. Dabei hat das Burgund viel zu bieten und es sind nicht nur die berühmten Burgunder Weine, historischen Weingüter, die sanfte Hügellandschaft und die geschichtsträchtigen Städte, die eine Reise lohnenswert machen. Auf unserer kulinarischen Reise machen wir Station in der schönen Stadt Beaune.

Domaine des Vins. In der Altstadt von Beaune ist die Weinkultur allgegenwärtig / © Foto: Georg Berg
Domaine des Vins (Weingut). In der Altstadt von Beaune ist die Weinkultur allgegenwärtig / © Foto: Georg Berg

Wie der Dijon Senf seine Heimat verlor

Das kleine Vorderhaus an der Rue du Farbourg Bretonniere in Beaune macht nicht den Anschein, als würden rund 45.000 Besucher jährlich durch das Tor in den dahinterliegenden Hof schreiten. Wer aber weiß, dass er nun eine der ältesten Senf-Manufakturen Frankreichs betritt, dem fällt auch sofort der würdige Duft von gemahlener Senfsaat auf. Entlang der Hofeinfahrt sind die Wachstumsstadien der Senfpflanze an die Mauern gemalt. Das museumspädagogische Konzept der Moutarderie Edmond Fallot hat noch Steigerungspotenzial. Bei einem Besuch der laufenden Produktionsstätte wird der Besucher selbst ein wenig zum Senfkorn.

Hinter der unscheinbaren Fassade verbirgt sich eine große Tradition. Seit 1840 produziert die Nummer Vier der Senfproduzenten Frankreichs hinter diesen Mauern auf einem Grundstueck im Herzen von Beaune: La Moutarderie Edmond Fallot / © Foto: Georg Berg
Hinter der unscheinbaren Fassade verbirgt sich eine große Tradition. Seit 1840 produziert die Nummer Vier der französischen Senfproduzenten hinter diesen Mauern auf einem Grundstueck im Herzen von Beaune: La Moutarderie Edmond Fallot / © Foto: Georg Berg

Doch nicht nur die Produktion, auch die Geschichte des Dijon Senfs ist spannend. Erste Erwähnung findet Dijon Senf bereits im 13. Jahrhundert. Der Senf ist scharf und wird ausschließlich aus braunen oder schwarzen Senfkörnern hergestellt, die nicht entölt sind und kalt gemahlen werden. Dies verleiht dem Senf den intensiven Geschmack. Ein Rechtsstreit zwischen Senfproduzenten aus Paris und Dijon beendet 1937 per Richterspruch den regionalen Herkunftsschutz.

Ein Lieferfahrzeug aus vergangener Zeit steht im Hof der Moutarderie Edmond Fallot / © Foto: Georg Berg
Ein Lieferfahrzeug aus vergangener Zeit steht im Hof der Moutarderie Edmond Fallot / © Foto: Georg Berg

Die Bezeichnung Dijon-Senf ist fortan nicht mehr an den Ort, sondern nur noch an das Rezept gebunden. Die Globalisierung nimmt ihren Lauf. Große französische Marken wie Amora Maille werden vom Food-Giganten Unilever gekauft. Die letzte Senffabrik Dijons schließt 2009. Produktionsstätten werden nach Osteuropa verlegt und Senfkörner in Kanada eingekauft. Dijon steht nur noch auf dem Etikett und bedient die Kunden mit der Illusion von französischer Koch-Finesse.

Caroline Riboteau, zuständig für Führungen durch Museum und Produktionsbetrieb bei Edmond Fallot, erzählt Reporterin Angela Berg von den Anfängen der Senf-Manufaktur, die 1840 in Beaune nahe Dijon begann / © Foto: Georg Berg
Caroline Riboteau, zuständig für Führungen durch Museum und Produktionsbetrieb bei Edmond Fallot, erzählt Reporterin Angela Berg von den Anfängen der Senf-Manufaktur, die 1840 in Beaune nahe Dijon begann / © Foto: Georg Berg

Eine Klasse von Grundschülern zieht fröhlich plappernd an uns vorbei in das kleine Senf-Museum im Hinterhaus. Edmond Fallot ist der einzige noch in Familienbesitz befindliche verbliebene Senfbetrieb in Frankreich. Und hier sind wir auch schon mitten im Dilemma eines weltbekannten Produktes. Caroline Riboteau erklärt, dass jeder Hersteller auf der Welt Dijon-Senf vertreiben darf, solange er sich an das derzeit gültige Rezept hält. Die Franzosen verbrauchen mit 90.000 Tonnen im Jahr doppelt so viel Senf wie die Deutschen. Ein Franzose spricht sogar nur von Dijon, wenn er Senf meint und konsumiert dann doch zumeist ein rein ausländisches Produkt.

Die Rückeroberung der regionalen Identität

Neuer Anlauf für eine geschützte Herkunftsbezeichnung. Der Senf aus Burgund wird mit Aligoté, einem Weisswein aus dem Burgund, statt mit Essig produziert. Das macht ihn cremiger und feiner im Geschmack, aber auch weniger lange haltbar / © Foto: Georg Berg
Neuer Anlauf für eine geschützte Herkunftsbezeichnung. Der Senf aus Burgund wird mit Aligoté, einem Weißwein aus dem Burgund, statt mit Essig produziert. Das macht ihn cremiger und feiner im Geschmack, aber auch weniger lang haltbar / © Foto: Georg Berg

Seit einigen Jahren steuert die Moutarderie Edmond Fallot gegen die Globalisierung an. Fallot exportiert ebenfalls weltweit, ist in den USA und in Asien eine beliebte Marke, Spitzenköche schätzen die hohe Qualität und auch Paul Bocuse schwärmte einst von Fallots Können. Seit einigen Jahren arbeitet die Firma aber auch an der Rückeroberung einer regionalen Identität. 2019 wird das erste Jahr, in dem die Produktion zu 100 Prozent auf dunkle Senfkörner aus Frankreich zurückgreifen kann. Die Anbauflächen mussten über Jahre aufgebaut werden und ein Zukauf aus Kanada war bis 2018 unumgänglich, erklärt Caroline Riboteau.

Einträchtig nebeneinander stehen die Lagerbehälter für Dijon-Senf und Burgund-Senf. 24 Stunden ruht der fertige Senf hier, bevor er abgefüllt wird / © Foto: Georg Berg
Einträchtig nebeneinander stehen die Lagerbehälter für Dijon-Senf und Burgund-Senf. 24 Stunden ruht der fertige Senf hier, bevor er abgefüllt wird / © Foto: Georg Berg

Die Marke La Moutarde de Bourgogne der Senf aus Burgund ist auch zu 100 Prozent aus Burgund. Dieser Senf wird mit Aligoté, einem Weißwein aus dem Burgund, statt mit Essig produziert. Das macht ihn cremiger und feiner im Geschmack, aber auch weniger lang haltbar. Die Verwendung von Wein statt Essig ist auch eine Verbeugung vor dem Urrezept des frühen Dijon-Senfs. Dieser wurde mit Verjus, dem Saft aus unreif geernteten Trauben hergestellt. Doch diese Rezeptur wurde durch die große Reblausplage, die ganz Europa und insbesondere Frankreich Ende des 19. Jahrhunderts hart traf, beendet. Frankreich büsste in den Jahrzehnten von der Plage bis zu 75 Prozent seiner Weinproduktion ein. Trauben, so sie noch wuchsen, wurden nicht für Verjus verschwendet und so wurde der Senf Essig zugefügt. So bedeutete die Reblausplage nicht nur das Ende vieler Winzer, sondern beeinflusste auch die Herstellung der traditionellen Senfsorten aus dem Burgund.

25.000 Gläser werden in der Fabrik von Edmond Fallot täglich abgefüllt / © Foto: Georg Berg
25.000 Gläser werden in der Fabrik von Edmond Fallot täglich abgefüllt / © Foto: Georg Berg

Burgund hoch zwei – die Kombination der Spezialitäten

Das aktuelle Sortiment von Edmond Fallot umfasst auch viele aromatisierte Senfsorten. Besonders erwähnenswert sind zwei körnige Senfsorten, die jeweils noch eine weitere Burgund-Spezialität enthalten. Zum einen Cassis, die schwarzen Johannisbeeren und die Sorte Pain d’Epices, die Lebkuchengewürze geben dem Senf eine schöne Anis-Note.
Die edelste Verfeinerung von Senf ist allerdings die Zugabe von Trüffel aus dem Burgund. Der braune Burgundtrüffel wächst direkt vor den Toren der Stadt Beaune. Aus der sehr lokalen Kooperation zwischen Senf-Manufaktur und Trüffelspürhund wird Trüffelsenf, ein hochwertiges Produkt für Feinschmecker, hergestellt. Bei einem Besuch im Masion aux Mille Truffes, dem Haus der Tausend Trüffel, lernen wir Thierry Bezieux und Trüffelhund Elfe kennen.

Neben Weinbergen, Flüssen und Kanälen prägen auch die weißen Charolais Rinder das Landschaftsbild im Burgund / © Foto: Georg Berg
Neben Weinbergen, Flüssen und Kanälen prägen auch die weißen Charolais Rinder das Landschaftsbild im Burgund / © Foto: Georg Berg

Und was hat diese Kuh mit Senf zu tun? Erstens ist sie selbst eine Spezialität aus dem Burgund. Aus dem weißen Charolais-Rind wird das berühmte Boeuf Bourguignon, ein Schmorgericht mit Rindfleisch und Burgunderwein zubereitet. Viele weitere Gerichte mit dem Fleisch des Charolais Rinds findet man auf den Menükarten der Restaurants und Bistros, Zweitens fallen bei der Herstellung von feinem Senf, also dem Klassiker Dijon Senf und dem Burgunder Senf durch Aussieben Senfschalen als Abfall an. Diese Schalen sind noch höchst nahrhaft und werden gerne von der weißen Rinderrasse als Appetit anregendes Zusatzfutter aufgetischt.

Viele der aromatisierten Senfsorten enthalten noch die Senfschalen. Sie gehören zu den groben Senfsorten und sind mit weiteren Burgund-Spezialitäten wie Cassis, der schwarzen Johannisbeere oder mit Pain d’Epices, Lebkuchengewürzen, verfeinert / © Foto: Georg Berg
Viele der aromatisierten Senfsorten enthalten noch die Senfschalen. Sie gehören zu den groben Senfsorten und werden mit weiteren Burgunder-Spezialitäten wie Cassis, der schwarzen Johannisbeere oder mit Pain d’Epices, Lebkuchengewürzen, verfeinert / © Foto: Georg Berg
Verkostung der unterschiedlichen Senfsorten. Natürlich gibt es auch einen Verkaufsraum mit sämtlichen Produkten von Edmond Fallot und probieren ist höchst erwünscht. Insbesondere der feine und scharfe Dijon-Senf wird für Salatdressings und Saucen verwendet oder auch zu Käse gereicht / © Foto: Georg Berg
Verkostung der verschiedenen Senfsorten. Natürlich gibt es auch einen Verkaufsraum mit sämtlichen Produkten von Edmond Fallot und probieren ist höchst erwünscht. Insbesondere der feine und scharfe Dijon-Senf wird für Salatdressings und Saucen verwendet oder auch zu Käse gereicht / © Foto: Georg Berg

Gut essen gehen ist im Burgund keine große Herausforderung. Alles ist möglich, vom Sternerestaurant bis zur Gastro Bar mit regionaler Küche. Für eine kleine Stärkung vor der nächsten Weinverkostung ist das Maison du Colombier im Zentrum von Beaune perfekt geeignet. Chef Roland Chanliaud arbeitet viel mit regionalen Produkten, täglich wechselnder Karte und bezieht sich gerne mal auf die Rezeptvorlagen seiner Großmutter.

Das Maison du Colombier mitten im Zentrum von Beaune. Bei gutem Wetter mit Außengastronomie / © Foto: Georg Berg
Das Maison du Colombier mitten im Zentrum von Beaune. Bei gutem Wetter mit Außengastronomie / © Foto: Georg Berg

Unsere Arbeitsweise zeichnet sich durch selbst erlebte, gut recherchierte Textarbeit und professionelle, lebendige Fotografie aus. Für alle Geschichten gilt, dass Reiseeindrücke und Fotos am selben Ort entstehen. So ergänzen und stützen die Fotos das Gelesene und tragen es weiter.

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Die Recherchereise wurde vor Ort vom Tourismusbüro unterstützt.

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