Unser Reiseziel hat sich gut versteckt. Wir fahren durch die Bretagne auf der Landstraße von St. Malo Richtung Cancale. Das Navigationssystem zeigt nur noch 900 Meter bis zum Ziel an. Das Meer ist gerade nicht zu sehen und doch sollen „Les Maisons de Bricourt“ der Familie Roellinger ganz nah sein? Das erste und einzige Hinweisschild hängt unmittelbar an der Abzweigung, die zur Bucht von Mont St. Michel führt.
Die Straße führt geradewegs auf das Château de Richeux zu, einer Villa aus den 1920er Jahren, die heute Hotelzimmer sowie das Restaurant Le Coquillage beherbergt. Eines von vielen „Anwesen der Bricourt“, die die Familie Roellinger im Lauf der Zeit für Gäste erschlossen hat. Die neuesten Zugänge sind La Ferme du Vent und La Maison de Gwenn.
Beide Häuser liegen nur 500 Meter vom pittoresken Château de Richeux entfernt. Dazwischen nur Park, Obstbäume, ein Kräutergarten und das „Feld des Windes“. Wer sich hier aufhält, kommt in eine andere Welt – eine Welt im Einklang mit der Natur.
Hier geht es zur ausführlichen Reportage Hugo Roellingers Küche der Korsaren
Hugo Roellinger verspricht neue Lebensenergie
Stets vom Meerwind umweht war der alte, verfallene Bauernhof für Hugo Roellinger und seine Eltern Olivier und Jane schon immer ein magischer Ort. Nach 2,5 Jahren Bauzeit wurde das Ensemble im Juli 2016 eröffnet. Der Architekt Christoph Bachmann aus dem nahe gelegenen Dinard, hat in enger Abstimmung mit Familie Roellinger einen Ort neu erschaffen, an dem man – da ist sich Hugo Roellinger sicher – die Zeit und die Energie spüren kann.
Der Ort gibt Großstadtmenschen, deren Tage voll sind mit Meetings, Business-Essen und mobiler Dauerverfügbarkeit neue Energie. Im Ferme du Vent empfiehlt Hugo Roellinger aber auch das Handy auszuschalten und besser auf das Meer zu schauen.
Eine Auszeit im Windfang
Kled ist das bretonische Wort für Windfang. Bei einer Übernachtung im Ferme du Vent wird jede Gruppe in einem eigenen Kled, einem ganz privaten Refugium und Windschutz untergebracht. In den Gebäuden eines ehemaligen Bauernhofes lautet die Devise Leben im Einklang mit der Natur – wenigsten für ein paar Tage. Es gibt keinen Fernseher, kein W-Lan, keine grellen Farben, kein Plastik. Die Bilder an den Wänden sind die Fenster, die die Bucht von Mont St Michel ins Haus holen.
Naturfarben wohin das Auge schaut. Die dominierenden Materialien sind Holz, sehr altes Holz, und Stein. Das Essgeschirr: getöpfertes Steingut. Den Tee trinkt man aus Schalen. Jeden Morgen liegt ein Papierschiffchen mit einem kleinen Bund frischer Kräuter im Bad – winzige Details, die sich zu einem maximalen Entspannungs-Erlebnis zusammenfügen.
Die Seele baumeln lassen und zwar von morgens bis abends. Nirgends ist dieses abgegriffene Bild angebrachter als hier. Keine Zwänge, keine Pflichten. Das Frühstück wird ins Haus gebracht und zum Abendessen braucht man ebenfalls nicht vor die Tür. Die Sterneküche des nahegelegenen Restaurants Le Coquillage wird auf Wunsch in das Kled gebracht. Den Tag füllt man mit einem Spaziergang am Meer und einem Besuch in den wunderschönen Bains Celtiques. Der Gipfel der Entspannung ist eine Fußreflexzonen-Massage bei Gwenn. Hugo Roellinger spricht vom Auftanken mit Lebensenergie. In einer Umgebung, die aus der Zeit gefallen wirkt, gelingt dies besonders gut.
Selbstversuch in Worten und Bildern
Das bretonische Frühstück wird zur gewünschten Uhrzeit gebracht. Die Holzkiste ist gefüllt mit typisch Bretonischem wie Crêpes und Brioche, gesalzener Butter, aber auch Gemüsesaft, Joghurt und Obst.
Ein ganz besonderer Starter für den Tag ist ein Fläschchen, das ein wenig wie ein Gifttrunk ausschaut, aber das genaue Gegenteil bewirken soll. Entgiften, also Detox, auf Basis von Meerwasser versetzt mit einer Gewürzmischung aus dem Hause Roellinger.
Bei aller Entspannung wird dann in dieser schönen Umgebung doch ein wenig Eigeninitiative verlangt. Den Frühstückstisch zu decken sowie Kaffee und Tee selbst zu kochen.
Nach dem Frühstück bietet sich ein Ausflug zum Mont St Michel oder ein Spaziergang an der Küste Richtung Cancale an. Vorbei an den Longhorn-Rindern, die man aus dem Fenster stets im Blick hat und die eine Ruhe und Gelassenheit ausstrahlen, die man selbst gerne erreichen möchte.
Les Baines Celtiques – die keltischen Bäder
Überall begegnet man Elementen des alten Bauerngehöfts. Wunderschön restauriert und arrangiert. Im Eingangsraum zum Keltischen Bad dominiert ein Kamin mit drei Feuerstellen und einer riesigen hölzernen Bank davor.
Auch hier Naturfarben, viel altes Holz, ausgefallenes Lampendesign und Kissen aus schönen Stoffen. Eine große Tür führt in das Bad, das man barfuß betritt. Schon das Gefühl des Natursteins unter den Füßen verleiht mehr Sicherheit, als es jede Fliese könnte.
Das ganze Bad besteht aus Naturstein. Es gibt Ecken mit eingelassenen Massagestrahlen. Harmonische Blickachsen verbinden innen und außen. Das Becken ist so angelegt, dass man dem Horizont und bei guter Sicht sogar dem Mont St Michel entgegen schwimmt.
Eine Sauna und ein Dampfbad gehören dazu. Das Keltische Bad kann auch von Tagesgästen besucht werden. Eine Anmeldung ist empfehlenswert, da nie mehr als sechs Personen zur gleichen Zeit Einlass, dann aber viel Platz haben.
Die innere Ruhe finden
Das Keltische Bad ist auch Wirkungsstätte von Gwenn Libouban, die Fußreflexzonen-Massagen anbietet. Die einstündige Anwendung transportiert neue Lebensenergie durch die Füße in den Körper. Gwenn erspürt über die Behandlung der Füße jede Schwachstelle im Körper und setzt durch die Massage angenehme Impulse zur Verbesserung des Wohlbefindens.
Damit die entgiftende Wirkung der intensiven Fußreflexmassage ihre volle Wirkung entfaltet, rät Gwenn mir, die kommenden zwei Tage sehr viel zu trinken. Das muss sie mir nicht zwei mal sagen. Nach der Massage schwebe ich vor den großen Kamin, in dem immer ein Feuer knistert, und trinke in aller Ruhe eine ganze Kanne Kräutertee.
Der Geschmack der vier Winde – ein Dinner im Kled
Egal, ob man nun von Berufs wegen kein Restaurant mehr von innen sehen kann oder es als perfekte Abrundung eines entspannenden Wochenendes sieht: ein Dinner in den eigenen vier Wänden hat seinen besonderen Reiz.
In der Abendsonne fasziniert der Blick auf die Bucht von Mont St Michel. Der Kamin ist schon sorgfältig geladen, ein Schnipp mit dem Streichholz und es fängt an zu knistern. Antoine Coulm, Koch im Restaurant Le Coquillage kommt wie vereinbart kurz vor acht mit einer Auswahl aus dem maritim dominierten Menü „Geschmack der vier Winde“.
Antoine erklärt die Menüfolge und weist auf Besonderheiten hin. Der Backofen wird von ihm programmiert und er gibt auch eine Empfehlung für die Menübegleitung aus dem gut gefüllten Weinkühlschrank. Dann wünscht er einen schönen Abend, „bon appétit“ und schon ist man mit drei Gängen aus der Sterneküche des Le Coquillage allein und kann den Abend im eigenen Takt beginnen.
Meine einzige Küchentat an diesem Abend: Die vorbereitete Tajine kommt für 20 Minuten in den Backofen. Dann kann der John Dory Fisch mit Pak Choi und gelber Zucchini sowie Andaliman Pfeffer– einem Indonesischen Zitronenpfeffer – genossen werden.
Starter aus dem Meer
Die Meeresküche hat Olivier Roellinger berühmt gemacht. So ist es nur folgerichtig, dass eine Vielzahl der Gerichte auf dem Menü frische Zutaten aus dem Meer enthält. Die berühmten Austern aus dem Meer vor dem Nachbarort Cancale kommen nach Art des Hauses auf den Tisch. Neun Austern mit drei verschiedenen Gewürzen und Kräutern kombiniert.
Marinierte Seebrasse mit der Gewürzmischung „Poudre de Neptun“ von Olivier Roellinger und Kräutern von der Meeresklippe. Koch Antoine Coulm sagt, dass er und seine Kollegen am Nachmittag oft zum Kräutersammeln ans Meer gehen. So gelangen diese besonderen, eher dickblättrigen Kräuter mit der leicht salzigen Note ebenfalls in das Menü der vier Winde.
Unter dem grünen Deckmäntelchen verbirgt sich Krabbenfleisch aus dem Kopf der Spinnenkrabbe. Die Soße ist verfeinert mit Mandel- und Pistazienöl.
Neben dem schon erwähnten John Dory Fisch wird noch eine weitere Hauptspeise in den Ofen geschoben. Ein Glattbutt mit Shrimps und Ingwersauce. Dazu hausgemachte bretonische Pasta mit Piment d’Espelette.
Neben dem 11-köpfigen Küchenteam arbeiten auch zwei Patissiers in der Küche des Le Coquillage. Antoines Empfehlung ist die Spezialität des Hauses: „Paris-Cancale Törtchen mit Pistazien-Creme. Dazu noch ein Schokoladenkuchen mit hausgemachter gesalzener Butter und Caramel sowie ein Blätterteiggebäck mit einer Madagaskar-Vanille-Creme.
Welch ein wunderschöner Ausklang dieses sehr entspannten Tages mit vielen neuen Eindrücken. Manche davon sind ganz klein. Das Gelände des Ferme du Vent ist voll von kleinen Hinguckern.
Bevor wir unsere Koffer wieder mit dem Gepäckwagen zum Auto rollen, noch ein kurzer Blick in einige der anderen Wohnungen. Alle zeichnen sich durch gleich schöne Schlichtheit und das Einbinden alter Möbel aus der Bretagne aus.
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Übrigens sind wir auf dem Seeweg mit der Autofähre aus England angereist.
Hier geht es zur ausführlichen Reportage von der Überfahrt mit Brittany Ferries
Die Kosten der Halbpension wurden vom Hotel nicht berechnet