Die Kraniche sind schon da. Die Ankunft des Storchenpaares, das sein Nest an der Kopfseite des Kavaliershauses Jahr um Jahr bezieht, wird jeden Tag erwartet. Es ist noch in Fincken. Und genau das hat sich herumgesprochen. Stille und Natur. Deshalb ist im Kavaliershaus Schloss Blücher, dem Suitenhotel am Finckener See an diesem Wochenende Anfang März schon jede der sehr individuell eingerichteten Suiten belegt. Die Schwäche der Region in Mecklenburg-Vorpommern ist gleichzeitig ihre größte Stärke. Im Kavaliershaus Schloss Blücher wird die Stille, die vermeintliche Einöde, zelebriert und zu einem luxuriösen Gut.
Im Suitenhotel am Finckener See brüllen nur die Vögel
Keine Autogeräusche, keine Lichtverschmutzung bei Nacht. Schlimmstenfalls Vogelgebrüll am Morgen und summende Insekten beim Baden am See. Dazu eine kreative Slow-Food-Küche und nur ein Katzensprung bis zu den über 1000 Seen des Müritzer Nationalparks. Das Kavaliershaus Schloss Blücher ist ein idealer Ort zum Durchatmen auf einer langen Reise vom Süden auf dem Weg in die skandinavischen Nachbarländer. Das Hotel ist von Berlin, Hamburg oder Lübeck aus schnell zu erreichen, etwa für eine entspannende Auszeit zu zweit oder ein Kreativmeeting mit den Kollegen. Das weitläufige Gelände mit altem Park, Scheune, Badesteg und Spielhaus macht es aber auch zu einem Ferienziel für Familien. Gruppen haben sogar die Möglichkeit, das Anwesen komplett zu mieten.
Einrichtung im Kavaliershaus mit viel Liebe zum Detail
Die bekannte Architektin Johanne Nalbach hat das klassizistische Nebengebäude von Schloss Blücher, in dem einst Graf Adolf von Blücher lebte, 2007 erworben und gemeinsam mit ihrer Tochter Lena von Grund auf restaurieren lassen. Es ist ein Haus mit wechselvoller Geschichte. In den 1930er Jahren wurde es von der gräflichen Familie verkauft. Über 60 Jahre lang und zu DDR-Zeiten war es eine Schule. Die Geschichte des Hauses haben die Nalbachs bewusst offengelegt.
Die Patina der Jahrhunderte ist an einigen Stellen im Restaurant ebenso sichtbar, wie die Tatsache, dass man sich im ehemaligen Unterrichtsraum der Teiloberschule Fincken befindet. Vor den Türen der Suiten steht hier und da ein kleiner Schreibtischstuhl. Ein echter Hingucker sind die Kofferablagen vor oder in den Suiten. Zu Schulzeiten machen die Schüler auf ihnen ihren Mittagsschlaf.
Wir sitzen im Klassenzimmer, trinken Kaffee und wie jeden Tag gibt es frisch gebackenen Kuchen aus der Küche von Gunnar Müller als die Eigentümerin Johanne Nalbach hereinkommt. Sie hält eine kleine Schachtel in der Hand und steuert damit auf das Fenster zu, an dem wir sitzen. In der Schachtel liegt ganz sinnbildlich ihre Liebe zum Detail. Ein kleiner Gartenzwerg auf einer Schaukel. Er fehlt noch im Ensemble der Zwergengruppe, die auf der Fensterbank steht. Sie hängt den Neuzugang an den Fenstergriff und setzt sich zu uns. Im Gespräch betont sie, dass Architektur mit dem Ort vernetzt sein muss, sie sollte mit dem Ort sprechen und agieren.
Neuzugang: Gartenzwerg auf Schaukel – vielleicht auch eine versteckte Anspielung auf Theodor Fontanes Effie Briest? / Foto: Georg Berg
Hommage an Uecker, Johnson, Lilienthal und Friedrich
So finden sich Motive vier bekannter Künstler Mecklenburg-Vorpommerns in den Suiten. Es sind Motive von Günther Uecker, Uwe Johnson, Otto Lilienthal und Caspar David Friedrich, die als Digitaldruck hinter den Bettsimsen oder an den Raumteilern der Walk-in-Duschen in den Bädern oder sogar als Original an der Wand hängend zu sehen sind. Die Architektin macht im Gespräch aber auch auf ein sehr sichtbares Relikt der Architekturgeschichte aufmerksam. Dem klassizistischen Ensemble aus Schloss und Kavaliershaus wurde zu DDR-Zeiten ein Plattenbau vor die Nase gesetzt. Kein Zufall wie Johanne Nalbach betont, neben Garagen und Schuppen wurden in den Parks der alten Gutsanlagen oft Arbeiterwohnungen in Form von Plattenbauten errichtet.
Lässiges Beisammensein im einstigen Schulraum
Gunnar Müller wusste schon im Alter von nur sieben Jahren, dass er Koch werden wollte. Mit 13 Jahren begann er sein Taschengeld aufzubessern und half im Restaurant seines Vaters. Hier hat er gelernt, was heute zum neuen Küchentrend erhoben wird. Nose to Tail und Leaf to Root. In den knappen Zeiten der Planwirtschaft musste einfach alles verwertet werden. „Die Schweine würden verhungern, wenn ich welche hätte“, war so ein Spruch seines Vaters, der nicht nur Koch, sondern auch Hochseefischer war.
Gunnar Müller stammt aus Wismar. Die Stadt nennt er bis heute seine Heimat. Auch wenn – oder vielleicht gerade weil – er Wismar mit seiner ganzen Familie kurz vor der Wende, 1988, verließ und nach Hamburg umsiedelte. Hier findet er die Lehrstelle, die es in Wismar nicht gibt. Er kocht im Hafen-Klub Hamburg an den Landungsbrücken, geht später als Küchenchef nach Heilbronn.
Müller kocht oft asiatisch, probiert aus, lässt sich auf Fernreisen inspirieren. Bis heute schwärmt er von einer alten Inderin, die ihm in der Karibik fünf Curry-Gerichte beigesteuert hat. Auch die Begegnung mit zwei Köchen aus Singapur wirkt für ihn mit großer Inspiration fort. Was hat dies alles mit dem Gunnar Müller zu tun, der seit drei Jahren im Kavaliershaus in Fincken am See kocht?
Käthes Brathering und Kaiserschmarrn
Das Klassenzimmer ist lichtdurchflutet, das Design der Möbel skandinavisch schlicht und schick. Die Dekorationen an Wänden und auf den Fensterbänken sind unterhaltsam und stecken voller Zeitgeschichte. Auch die Speisekarte des Hotelrestaurants ist in einem Schulheft gekleidet. Und die Küche von Gunnar Müller steht auch auswärtigen Gästen offen. Sein kreativer Stil, lokale Produkte und regionale Rezepte mit den Küchen anderer Länder zu verbinden, hat sich herumgesprochen. Gunnar Müller kennt seine Lieferanten und bezieht nur Zutaten, die ihn überzeugen.
Fisch stammt nach Möglichkeit aus den umliegenden Gewässern. Wild aus der unmittelbaren Nachbarschaft und mit dem Jäger ist er per Du. Auch Rezepte seiner Kindheit greift er auf. So hat es seine Oma Käthe aus Wismar mit den maritimen Bratheringen auf die Speisekarte geschafft. Die Mecklenburgische Kartoffelsuppe „Tüften und Plüm“ wird im Restaurant Klassenzimmer besonders gern in der kalten Jahreszeit gegessen. Die Plüm, plattdeutsch für Pflaumen, sind im Fall dieser herzhaften Kartoffelsuppe verschiedene Sorten Dörrobst.
Ja und was ist das? Ja-Panisch trifft Ja-Mecklenburgisch
Eine schöne Melange aus asiatischer Leichtigkeit und bodenständigen Zutaten aus der Region / © Foto: Georg Berg
Ja-Panisch trifft Ja-Mecklenburgisch – ein Fondue der besonderen Art kann von den Gästen bestellt werden. Dann treffen japanische Zutaten wie Ponzusoße auf zartestes Rindfleisch aus Mecklenburg. In einer leichten Misobrühe wird das Rindfleisch sowie eine große Auswahl an Gemüse gegart. Zum Würzen werden Ponzusoße, Soyasoße und Sesamsoße gereicht.
Das Brot backen ist seine Leidenschaft. Köstliche Kuchen gibt es täglich frisch, das selbstgemachte Eis ist eine Wucht und Augen auf, wenn Kaiserschmarrn auf dem Menü steht. Es könnte sich hierbei um den besten Kaiserschmarrn nördlich der Alpen handeln. Die Rezeptur und Machart hat ihm einst ein österreichischer Kollege beigebracht.
Blüchers Scheune – Probier’s mal mit Geselligkeit
Gunnar Müller und sein Team bieten auch verschiedene kulinarische Erlebnisse an. Einmal in der Woche wird an der langen Tafel in der im Park gelegenen Scheune des Hotels aufgetischt. Dampfende Schüsseln mit allerlei Gemüse, Salaten und Kartoffeln und ein Fleischgericht werden über den Tisch gereicht.
Man kommt ins Gespräch mit den anderen Gästen des Hauses, verschmilzt zu einer munteren Gesellschaft und tauscht sich über die aufgenommenen Tagesausflüge aus. Gunnar Müller bietet aber auch Brotback-Kurse oder romantische Menüs im Kerzenschein an. Für die Zukunft ist sogar ein Barbecue-Bootcamp für alle, die eine ordentliche Grundausbildung am Texasgrill anstreben, in Planung.
Engel’s Welt – Baumriesen und geerdete Menschen
Wir treffen Dierk Engel eigentlich, weil er das Kavaliershaus mit Wildfleisch aus seiner eigenen Jagd beliefert. Er wird uns als der Jäger vorgestellt. Doch im Laufe unseres Ausflugs stellt sich heraus, dass eine einzige Berufsbezeichnung nicht ausreicht, um sein Wirken rund um Fincken zu beschreiben. Dierk Engel holt uns mit seinem geländegängigen Lada ab und gleich hinter der ersten Straßenbiegung verlassen wir den Asphalt und fahren über seine Äcker.
Fährt man durch die westlichste Landschaft der Müritz fallen sofort die Baumriesen auf, die mitten auf einem Feld stehen oder sogar eine ganze Allee bilden. Vor genau so einem Riesen hält Dierk Engel an und stellt uns die wohl älteste Eiche der Gegend mit einem geschätzten Alter von rund 700 Jahren und einem Stammdurchmesser von 2,15 Metern vor. Auf seinen Feldern lässt er aber auch bewusst abgestorbene Bäume stehen. Sie mögen zwar nicht mehr majestätisch aussehen, sind aber ein Paradies für Insekten und Vögel. Die Trockenheit des letzten Sommers und der milde Winter lassen vier Generationen an Borkenkäfern gedeihen. Das macht den Bäumen zu schaffen. In anderen Jahren sind es gerade einmal zwei Generationen der Schädlinge, die heranwachsen, erklärt Engel.
Tierarzt, Landschaftsgärtner, Jäger oder Sammler?
Dierk Engel bewirtschaftet einen Bauernwald. Er tauscht aber auch gezielt Felder und Flächen aus und agiert dabei mit Weitsicht. Denn möglichst viele Flächen, die zum Finckener See laufen, sollen nur noch in ökologischer Landwirtschaft betrieben werden. Er möchte weg von der jahrzehntelangen Intensivdüngung. „Solange wir in Deutschland noch elf Millionen Tonnen Lebensmittel wegwerfen, brauchen wir nicht zu düngen“, so der gelernte Tierarzt. Stattdessen schafft er kleine Biotope für Vögel und Insekten.
Bei Kaeselin hat Engel mit Hilfe der Dorfbewohner einen alten Dorftümpel freigelegt. Die Anwohner wussten gar nicht mehr, dass es ihn gibt, so dass er von Sträuchern und Bäumen zugewachsen war. Heute steht eine Bank am Teich und die Rohrweihe und das grünfüßige Teichhuhn haben sich wieder angesiedelt.
Wer dieser Wanderskizze folgt, trifft auf dem rund elf Kilometer langen Rundweg auf Baumriesen und Slavengräber, geht an einer alten Eisenbahnstrecke entlang, durch Wald und über Felder, trifft auf Damwild und Pferde, vielleicht auch auf das grünfüßige Teichhuhn an einem von Dierk Engel geschaffenen Tümpel, aber selten auf Menschen. Und das gehört definitiv zu den Attraktionen von Fincken am See und einer Auszeit im Kavaliershaus Schloss Blücher in Mecklenburg-Vorpommern.
Die Kosten der Halbpension wurden vom Hotel nicht berechnet