Jose Graziosi ist seit 2015 Chefkoch in der Küche von Hotel Endsleigh. Sein Name kommt einem spanisch vor – klingt aber auch italienisch. Und genauso ist es auch. Die Mutter Spanierin, der Vater Italiener. Aufgewachsen in Italien. Mehr mediterrane Grundeinflüsse gehen gar nicht. Seine Frau, Engländerin, lernt er in Rom kennen und der Liebe wegen geht er nach Großbritannien. Bevor Graziosi nach Endsleigh kommt, arbeitet er unter anderem sechs Jahre für den englischen Sternekoch Rick Stein in Padstow, Cornwall. Fisch- und Meeresfrüchte stehen dort im Fokus. Auch in Endsleigh ist die Küste nicht fern. Zudem gibt es hervorragende Lachse und Forellen aus dem Tamar, der durch das Tal fließt und nicht nur Grundstücksgrenze von Endsleigh ist, sondern gleich die Grenze zwischen den Grafschaften Devon und Cornwall bildet.
José Graziosi bezeichnet sich selbst als Nature Boy. Er liebt es, vor Beginn der Arbeit durch das weitläufige Gelände von Endsleigh zu gehen. Sein Hund ist dann immer dabei. Im Herbst sammelt er Pilze, an Wochenenden angelt er im Tamar und jeden Tag, auch wenn mal weniger Zeit ist, werden Kräuter wie Bärlauch, Bitterkresse oder wilder Sauerampfer gesammelt.
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Bei unserem Besuch ist der Endsleigh Garden von einem Blütenteppich aus Bärlauch überzogen. Dazwischen steht wilder Sauerampfer. Das Angebot an Kräutern, die direkt vor der Haustür wachsen ist so groß, dass die Küche des Hauses auch auf Vorrat produziert und zum Beispiel Bärlauchöl und Barlauchpesto herstellt.
Kochen im Kloster und die Urmutter der Nudelmaschine
Seine Ausbildung genoss José Graziosi im Konvent Santa Maria in den italienischen Abruzzen. Wenn José von dieser Zeit erzählt, muss man sich die Ausbildung wie eine Klosterschule für Jungköche vorstellen. Strenges Regiment, Frauen und Männer getrennt, keine sonstige irdische Ablenkung. Reine Konzentration auf die Kulinarik. Aus dieser Zeit besitzt José auch ein Kücheninstrument, das ihn auf all seinen Karrierestationen in Italien und später im Ausland, begleitet hat. Er zeigt mir die Carraturo. Sie sieht aus wie eine sehr schlichte Harfe, ist aber die Urmutter der Nudelmaschine. Erfunden um 1800!
Der Klang der Carraturo
Bevor wir am Abend im historischen Speisesaal von Hotel Endsleigh Platz nehmen, zeigt uns José wie die Carraturo funktioniert. Spontan nimmt er Sepia Nudeln auf die Tageskarte und demonstriert das simple Küchengerät. Der Nudelteig ist schon vorbereitet und wird flach ausgewalzt. Arbeitsfläche und antikes Maschinchen werden gut eingemehlt. Wenn der Teig die richtige Dicke und Breite erreicht hat, wird er auf die Carraturo gelegt.
Mit einem Nudelholz drückt José den Teig durch die Drähte. Sie fallen auf die schräge Holzfläche und rutschen auf die Arbeitsfläche. Der Vorgang wird so lange wiederholt bis genügend Tagliatelle geformt sind. Die einzige Wartung der Carraturo besteht im gelegentlichen Strammziehen der Drähte. Wie beim Stimmen einer Gitarre. José nimmt nach der Vorführung ein Häufchen Pasta in die Hand und meint verschmitzt: „Maccaroni à la guitarra.“
José Graziosi über Maccaroni à la Guitarra
Die einzelnen Schritte der Pastaproduktion mit dem Carraturo. Zuerst wird der Teig mehrmals durch eine Nudelmaschine gedreht, bis er ganz dünn ist. Danach kann der dünne Teiglappen mit einem Nudelholz durch die Drähte gedrückt werden, die ihn in dünne Streifen schneiden. Anschließend kurz bemehlen und erst kurz vor dem Verzehr in Salzwasser al dente kochen. An der Seite des Chefkochs steht Salvatore Piacente, ebenfalls Absolvent der Kochschule Santa Maria, an der schon José Graziosi sein Handwerk lernte / © Fotos: Georg Berg
Ein Dinner auf Endsleigh
Wird es dunkel, dann leuchten im Foyer und in den Salons von Endsleigh unzählige Kerzen und Teelichter. Das Restaurant ist im ehemaligen Speiseraum des Herzogs von Bedford untergebracht. Die Wände tragen noch die originale Vertäfelung mit den Wappen der zahlreichen Freunde und Verwandten.
Gleich zu Beginn gibt es ein Wiedersehen mit den Sepia-Nudeln, deren Herstellungsprozess wir verfolgen durften. Die Nudeln werden mit Krabbenfleisch und wildem Sauerampfer aus dem Garten kombiniert. Sie haben eine intensive, aber trotzdem angenehme Schärfe, die durch das selbstgemachte Chili-Öl erreicht wird.
Auch im zweite Gang gibt es ein Wiedersehen mit Zutaten aus dem Garten von Endsleigh. Der Kabeljau aus Cornwall mit Safran Kartoffeln und einer angegossenen Bouillabaisse wird von Spinat und Garten-Bärlauch begleitet.
Eine kleine Schweinerei wartet im Hauptgang. Tenderloin vom Schwein mit Schweinebauch und einem Schweine-Bonbon. Dazu bissfester Fenchel und Streifen vom Spitzkohl.
Der süße Abschluss ist das von Sous-Chef Tom Ewing kreierte Erdnuss-Parfait mit einem sehr schokoladigen Muffin. Dazu verteilen sich noch Schokostreusel und geröstete Erdnüsse auf dem Teller. Die unterschiedlichen Texturen machen das Peanut Parfait zu einem gelungenen Abschluss.
Der Devonshire Cream Tea
Ein Must eat ist der berühmte Devonshire Cream Tea – der extravagante große Bruder des Five o’Clock Tea. Damit auch ein Dinner nach seinem Genuss noch möglich ist, fängt der Afternoon Tea auf Endsleigh bereits ab 15.30 Uhr an. Serviert wird in der Bibliothek, in deren Mitte ein großer runder Holztisch steht, der sich nach und nach mit Köstlichkeiten füllt.
Allein die Kuchenauswahl ist kaum zu bewältigen. Es gibt Karottenkuchen mit Zimt und Mascarpone Icing. Orangen-Mandel-Kuchen. Der klassische Victoria Sponge ist ein Rührteig mit Sahne und Kirschen, der auf Königin Viktoria zurückgeht. Schokoladen Brownies mit Cranberries und Peakannüssen. Zitronen-Mousse und Pistazienkuchen. In der Aufzählung fehlt doch noch was, werden Kenner jetzt behaupten – und richtig: Die alles entscheidende Komponente sind die Fruit-Scones, süße Brötchen mit Clotted Cream, einer sehr fettigen Sahne und Erdbeer-Marmelade.
Der Cream Tea, wörtlich übersetzt Sahne-Tee, trägt seinen Namen aufgrund der Clotted Cream, die traditionell zu Scones und Erdbeermarmelade gereicht werden. Devon und Cornwall sind die beiden Zentren der Milchwirtschaft in England und daher auch Hersteller der Molkereispezialität Clotted Cream. Der kleine, aber feine Unterschied wann man nun einen Cream Tea als Devonshire oder als Cornish Cream Tea bezeichnet, hängt von der Reihenfolge ab, in der die Zutaten aufgetragen werden. In Devon zuerst die Clotted Cream und darauf die Marmelade. In Cornwall ist es genau umgekehrt!
Alles Cheddar oder was?
Im Vereinigten Königreich hat sich das Angebot an einheimischen kulinarischen Produkten in den letzten Jahren sehr positiv entwickelt. Hier gibt es immer mehr Produzenten lokaler oder regionaler Spezialitäten. Auf der Speisekarte von Hotel Endsleigh entdecken wir eine würzige Überraschung. Eine Platte mit Käsesorten aus Cornwall und Devon. Wir sind gespannt und fragen in der Küche nach. Sous-Chef Tom Ewing erzählt uns begeistert von Garry Jungheim, der aus Leidenschaft für guten Käse gemeinsam mit seiner Frau Elise zum Käse-Affineur wurde. Das Paar gründete Country Cheeses mit mittlerweile drei Geschäften in der Region. Garry und Elise spüren kleine Käse-Manufakturen im Land auf, kaufen die frischen Käse-Laibe und verfeinern sie im eigenen Reifekeller.
Romantisches Käse-Candle-Light in der Suite
Bevor wir uns den Reifeprozess der vielfältigen Käsesorten anschauen, probieren wir erst einmal die Käse-Auswahl, die Tom Ewing für Hotel Endsleigh ausgewählt hat. Alles Cheddar oder was? Von wegen. England hat kulinarisch aufgeholt. Celtic Gold ist ein mit Cidre gewaschener Kuhmilchkäse. Der Ziegenkäse aus Devon ist aromatisch-salzig. Westcombe-Cheddar hält die nicht all zu hohen Erwartungen, die man an einen Cheddar hat. Dafür ist der Cornish Blue, ein wunderbarer Blauschimmel. Leicht metallisch, aber nicht zu streng im Geschmack. Spitzenreiter ist der cremige Sharpen Elmhirst – weich, delikat und mild – ein Gedicht. Die Weinbegleitung ist mit einem 2014 Shapham Dart Valley ebenfalls regional. Zum Käse kontrastieren noch ein hausgemachtes und hervorragendes Apfel-Brandy-Chutney, Quittenbrot und Bio-Cracker.
Käse-Philosoph Garry Jungheim
Seit über 28 Jahren widmen sich die Jungheims inzwischen dem Verfeinern von Käse. Sie kennen jeden ihrer Käseproduzenten persönlich. Die meisten haben sie selbst entdeckt. In den Anfängen mussten sie dafür über die Dörfer fahren. Heute sind sie als passionierte und erfolgreiche Affineure etabliert und die Produzenten stellen sich bei Country Cheeses vor und hoffen auf die Aufnahme in das Käse-Sortiment. Garry und Elise besuchen die Erzeuger dann auch vor Ort. Sie überprüfen wie die Tiere gehalten werden und überzeugen sich von den Rahmenbedingungen für eine gute Käsequalität.
Manche mögen’s heiß!
Käse atmet, erklärt Garry Jungheim während wir in seinem Keller oder besser der Reifehöhle stehen. Den geschmacklichen Unterschied bewirkt letztendlich der im Käse befindliche Bakterienstamm. Ohne Bakterien läuft gar nichts. Eine weitere Stellschraube im Reifungsprozess ist die Temperatur. So sind 33 Grad Celsius für Cheddar gut. Je kälter der Käse reift, desto eher bekommt er eine krümelige Konsistenz. Weichkäse brauchen also höhere Temperaturen.
Im Käse sterben die Bakterien ab. Je mehr von ihnen absterben, desto weicher und cremiger wird ein Käse. Manche sondern viele Gase ab, das dann die berühmten Löcher im Käse macht. Aber auch die Gasproduktion kann der Käseaffineur steuern. Wird der Käse am Anfang kalt gehalten, entwickeln sich wenige Gase. Kommt der Käse dann in einem Raum über 25 Grad Celsius, wird die Gasproduktion angeregt.
Man muss Käse schon lieben für diesen Beruf, sagt Garry. Der Käse lebt und muss mit Respekt behandelt werden. Die Käselaibe werden täglich abgerieben. Denn im Schimmel konzentriert sich Feuchtigkeit. Es ist schon erstaunlich, wie sich aus den wenigen Grundzutaten so viele Käsesorten produzieren lassen. Garry sieht das geradezu philosophisch und sagt:
We should embrace the difference, instead of expecting the same
Garry Jungheim
Nach dem Besuch in der Käsehöhle von Country Cheeses setzen wir unsere Reise fort und fahren weiter nach Cornwall in den Küstenort St. Mawes. Dort befindet sich das zweite Hotel von Olga Polizzi.
Hier geht es zur Reportage über das Hotel Tresanton
Anschließend sind wir auf dem Seeweg mit der Autofähre in die Bretangne weiter gereist
Hier geht es zur Reportage über die Passage mit Brittany Ferries
Die Kosten der Halbpension wurden vom Hotel nicht berechnet