Was sollte schon anderes als Alkohol in den hübschen Glasflaschen mit Kork und rot-goldener Agraffe stecken? Nun, die PriSeccos der Manufaktur Jörg Geiger prickeln zwar wie Sekt und spielen mit Vokabeln der Vinologie. Doch die Cuvées haben keinen Alkohol in sich, sondern die ganze Vielfalt einer schwäbischen Streuobstwiese.
Was sollte schon anderes als Alkohol in den hübschen Glasflaschen mit Kork und rot-goldener Agraffe stecken? Nun, die PriSeccos der Manufaktur Jörg Geiger prickeln zwar wie Sekt und spielen mit Vokabeln der Vinologie. Doch die Cuvées haben keinen Alkohol in sich, sondern die ganze Vielfalt einer schwäbischen Streuobstwiese.
Streuobstwiesen sind Biotope. Sie stehen voller Kräuter und Sträucher, die Blüten tragen und Samen bilden. Und mittendrin stehe ich zusammen mit Jörg Geiger, Unternehmer und Entdecker. Beides lebt er mit großer Leidenschaft und unablässigem Einsatz. Über die Jahre hat er sich altes Wissen über Kräuter und Obstsorten angeeignet. Mit seiner Vorbildung als Koch ist er in der Lage, Aromen wagemutig zu kombinieren und die herben Geschmacksnoten der tanninreichen Früchte für seine Kreationen zu nutzen. Die Cuvées zieht er dann mit modernster Technik auf Flaschen. Doch aller Anfang ist die Streuobstwiese mit ihren hoch aufragenden, teils sehr alten Baumriesen. Sie gilt es zu erhalten und wo möglich, auch für zukünftige Generationen Neue anzulegen.
Die Möglichkeiten der Natur nutzen
Der gelernte Koch führt den Familienbetrieb, dessen Keimzelle das Gasthaus Lamm in Schlat ist, in neue Geschmacks- und auch Geschäftsdimensionen. Was 2003 auf einer Hochzeitsfeier im Gasthof als Zufallsprodukt entstand, ist mittlerweile in eine beeindruckende Serienproduktion gegangen. Die Hochzeitsgesellschaft von damals wünschte sich ein alkoholfreies Festgetränk. Gastgeber Geiger experimentierte mit Wiesenobst, Sauerkirsche und Schwarzer Johannisbeere. Heraus kam der Rotfruchtige, ein Produkt, das heute der Klassiker im Angebot der Manufaktur Geiger ist.
Komplexe Rezepte mit bis zu 50 Komponenten
Der Erfolg gibt Geiger Recht. Es gibt einen Bedarf für alkoholfreie Alternativen zu Wein und Sekt. Es gibt wirklich viele Gründe, warum man keinen Alkohol trinken mag oder darf, aber es gibt keinen vernünftigen Grund dafür, diesen Gästen lediglich eine Apfelschorle zur Wahl zu lassen. Jörg Geiger jedenfalls kreiert jedes Jahr neue alkoholfreie Sorten. Im Moment ist er bei 36 lohnenswerten Alternativen zur Apfelschorle angekommen.
Da wäre zum Beispiel Grüne Jagdbirne – Weißdorn – Holz oder Birne – Schlehe – Douglasie oder wie wäre es mit Apfel – Brennnessel – Stachelbeerlaub? Hinter dem spannenden Dreiklang der Flaschenetiketten steht stets ein vielfältiges Aromenspektrum von 20 bis 50 natürlichen Zutaten. Die stille Variante der prickelnden PriSeccos nennt Geiger Inspiration. Nuanciert und komplex ergänzen sie so manchen Hauptgang perfekt. Inspiration nahm sich Geiger hier bei den Ausprägungen der wichtigsten Weintypen. Herausgekommen sind alkoholfreie Essensbegleiter wie die Inspiration 4.0 Kirsche – Paprika – Rote Beete. Passt zu gebratenem Rinderfilet, dunklem Geflügel mit kräftigen Soßen oder Lamm.
Klingende Namen: von Goldparmäne bis Champagner Bratbirne
Jörg Geiger hat sich die Frage gestellt, warum viele der alten Obstsorten in der Vergangenheit gezüchtet wurden. Welchen Nutzen haben sie? Welche Verwendung hatten die Menschen damals dafür? Denn erst vor 50 Jahren wurde überhaupt das erste Mal ein alkoholfreier Obstsaft produziert. Davor ging das Obst in die Vergärung und Destillation. Ein Gang über eine Streuobstwiese lehrt den Rhythmus des Jahres zu lesen.
Warum nun ist es so wichtig, das Obst der Streuobstwiesen zu verarbeiten? Worin liegt der Unterschied zwischen Plantagenobst und den Früchten aus altem Baumbestand? „Obstaroma, erklärt Geiger, ist eine Frage der Unterlage. Alte Obstbäume, die tief wurzeln, bringen durch das weitverzweigte Wurzelwerk viel mehr Mineralität mit. Plantagenobst wird überwiegend aus dem Blatt versorgt und kann so nicht so viel zum Aroma dazugeben, weil ihm im Vergleich die Wurzelmasse im Untergrund fehlt. Auch Säurebildung braucht Versorgung von unten durch die Wurzeln. Die Süße bildet sich durch Stickstoffe aus dem Blatt.“
Die Abhängigkeit vom Wetter und seinen Kapriolen
Wenn Jörg Geiger seine Entdeckungen rekapituliert, bekommt man den Eindruck, dass Unbill von allen Seiten droht. Da spürt er zum einen den Kampf gegen die Zeit. Altes Wissen geht verloren. Sogar auf dem Land verwurzelte Menschen, wissen nicht mehr, was sie mit dem alten Birnenbaum und seinen ungenießbar scheinenden bitteren Früchten anfangen sollen. Streuobstwiesen sind bedroht, weil ihre Erträge geringer sind. Stets ist man auch vom Wetter und seinen Kapriolen abhängig. Bestes Beispiel ist das Jahr 2017. Die Ernte von Kernobst, ob Pfirsich, Kirsche, Nektarine oder eben auch von Apfel und Birne, fiel 2017 teils dramatisch gering aus. Ursache war erst mildes Wetter, auf das nochmals ein kräftiger Frost im April folgte und die Blüten beschädigte.
Jörg Geiger hat noch Glück im Ernteunglück. 2016 war ein überaus ergiebiges Jahr. Seine Lieferanten haben ihn mit Obst überschüttet, so dass er teilweise nicht mehr wusste, wohin damit. Dank der just in diesem Jahr neugewonnen Kapazitäten wurden viele der 10 Meter hohen Edelstahltanks mit bis zu 12.500 Litern Obstsaft befüllt. Durch das Darüberlegen von Stickstoff entsteht ein haltbarer Vorrat, der in mageren Jahren wie 2017 die Produktion weiterlaufen lässt.
Trotz aller Professionalisierung im hochmodernen Werk, die Produkte der Manufaktur Geiger sind Naturprodukte und variieren Jahr um Jahr im Geschmack. Das muss auch der Kunde lernen. Außerdem unterliegen manche Zutaten wie der Waldmeister einer limitierten Sammelerlaubnis. Das macht unbegrenzte Produktionssteigerung für so manche Sorte unmöglich.
Der Aufwand, den Jörg Geiger betreibt, um für seine stetig wachsende Produktion echtes Wiesenobst verwenden zu können, ist immens. Mittlerweile hat er 750 Lieferanten. Vom Gütlebesitzer, mit einem Birnbaum vor dem Haus, bis zum Großbauern ist alles dabei. Alte Sorten haben ein breites Blühfenster. Dadurch wird im Herbst ein und dieselbe Obstsorte schon mal über drei bis fünf Wochen geerntet. Die Manufaktur nimmt dann sortenreine Lieferungen täglich an. Gewünscht ist eine maximale Baumreife. Die Früchte sollten im Idealfall gar nicht gepflückt werden, sondern vom Baum ins tiefe Gras fallen und dann aufgelesen werden. Darüber hinaus gehört die Manufaktur Jörg Geiger zusammen mit Slow Food Deutschland zu den Mitbegründern des WiesenObst e.V.. Der Verein hat sich die Erhaltung der Streuobstwiesen zum Ziel gesetzt. Es wurde u.a. ein Bonussystem entwickelt, mit dem sich die Ernte von Wiesenobst für Bauern wieder lohnt.
Wie der Zufall es will – Von Unwägbarkeit bis Unwissen
Viele Produkte der Manufaktur Jörg Geiger sind dem Zufall entsprungen. Ob Wetterkapriolen oder Bauernschläue – vieles was sich wie eine Anekdote erzählt, steht nun abgefüllt in Flaschen in den Verkaufsregalen.
Ein Beispiel ist die Cuvée Nr. 11 – Unreifer Apfel und Eichenlaub. Ein Hagel hatte vor einigen Jahren Teile der Apfelernte zu früh vom Baum geholt. Das Experiment bestand darin, durch die Zugabe von Eichenlaub die Gerbstoffe aus dem Obst zu ziehen. Durch die Blätter ist ein Drainageeffekt entstanden, der den unreifen Apfel pressbar macht. Heute werden gezielt Boskoop Äpfel unreif geerntet und die Cuvée Nr. 11 ist mit ihrer eleganten Säure bestens solo zu genießen. Aber auch im Mix mit dem (dont’t call me) Gin der Manufaktur Geiger, der sich nicht Gin nennen darf, weil er auf Basis von Apfelbrandy entsteht, macht Nummer 11 eine Bella Tonic Figura!
Cuvée Nr. 17 entstand durch einen schlauen Bauern. Jörg Geiger schildert, wie der eines Sommers an der Baugrube zum neuen Manufakturgebäude stand und fragte, ob er Salatköpfe gebrauchen könnte. Er stellte die Gegenfrage, was er denn sonst noch hätte. Sellerie, gab dieser zur Antwort und „stand einige Tage später mit einer Mordsladung Knollensellerie an der Annahmestelle“. Eine Herausforderung für das Kreativlabor. Geiger hat den frischen Sellerie direkt mit Äpfeln gepresst und unterstützend für Fülle und Duft noch den Auszug von geröstetem Sesam hinzugefügt. Der Dreiklang aus Bohnapfel – Sellerie – Sesam war entstanden.
Wie ein kräftiger Händedruck – die Produktion
Spätsommer ist Hochsaison im Betrieb. Ab 1.000 Kilo geht es für eine Obstsorte in den Produktionsprozess. Es wird ein wöchentlicher Füllplan aufgestellt. Das Obst wird gewaschen und sortiert. Danach zerkleinert, in eine grobe Struktur gebracht und mittels einer schonenden Pressung, die nicht mehr als ein kräftiger Händedruck ist, in die weitere Verarbeitung geschickt.
Die PriSeccos der Manufaktur enthalten bis zu 50 Kräuter, 15 verschiedene Blütensorten sowie Gewürze und Blätter. Jeder der zur Zeit 36 verschiedenen Sorten ihrer alkoholfreien PriSeccos liegen komplexe Rezepte zugrunde. Einblick in das goldene Buch, in dem die Gewürzkomponenten stehen, haben nur Geiger und zwei seiner Mitarbeiter. Fruchtsafttechniker Martin Wolf und der gelernte Koch Martin Recher. Mit ihnen feilt Geiger bei jeder neuen Kreation am Geschmack. Ich durfte nicht ins goldene Buch schauen, aber vielleicht steht dieser Satz Jörg Geigers als Präambel geschrieben: „Beobachte die Natur genau und gib dich nicht mit dem ersten Ergebnis zufrieden.“
Wer mehr über die Welt der Streuobstwiesen erfahren möchte, für den hat die Manufaktur Jörg Geiger verschiedene Angebote. Vom Picknick auf der Streuobstwiese, über ein geführtes Tasting bis hin zu einer Sonntagsführung mit dem Chef. Wer nicht bis zum nächsten Sommer warten möchte, kann jederzeit durch die Vielzahl der alkoholfreien PriSeccos und Inspirationen schmecken.
Die Kosten der Halbpension wurden von Jörg Geiger übernommen