Island ist kein billiges Reiseland und ein Produkt, an dem sich das besonders gut zeigen lässt, ist Alkohol. Ob Leichtbier oder Hochprozentiges, Alkohol wird hoch besteuert und die Flasche Wein oder das Sixpack Bier für zu Hause gibt es nur im staatlichen Vínbúðin. Neben den Touristen sind es aber vor allem die Isländer selbst, die mit der staatlichen Reglementierung leben müssen.Jedes Jahr am 1. März ist in Island Bjórdagurinn. An diesem Tag des Bieres feiern die Isländer die Legalisierung des Bierkonsums. Viele Bars haben bis früh am Morgen geöffnet und Spezialbiere werden kreiert, um an dieses wichtige Ereignis zu erinnern.
Zu Anfang des 20. Jahrhunderts wurde die Abstinenzbewegung in vielen Ländern der Welt immer stärker. Der isländische Staat drückte seine Fürsorge für die Bevölkerung durch ein Alkoholverbot aus, das ab 1915 in Kraft trat. Reflex war, wie in anderen Ländern auch, eine Zunahme von Schmuggel und Schwarzbrennerei. Bereits 1922 wurde auf Druck der Handelspartner der Import von Wein wieder erlaubt. Um vor übermäßigem Konsum abzuschrecken, wurden auf Brennivin, dem Lieblingsschnaps der Isländer, düstere Totenköpfe gedruckt. Das machte den Schnaps fast noch beliebter und bis heute wird er von den Einheimischen liebevoll auch Schwarzer Tod genannt. Nachdem Spirituosen 1933 wieder legalisiert wurden, blieb Bier mit mehr als 2,25 Prozent Alkohol verboten. Es sollte schwierig bleiben, an größere Mengen Alkohol zu kommen. Doch mit dem wachsenden Tourismus stieg auch die Nachfrage nach Bier. Schließlich, nach 75 Jahren und mehreren Anläufen im Parlament, brachte eine Abstimmung am 1. März 1989 die Legalisierung von Bier. Bier wurde zum beliebtesten alkoholischen Getränk der Isländer.
Craft Biere aus Island
Zu Beginn der Legalisierung dominierten ausländische Großbrauereien den Markt. Im Jahr 2006 ging die erste isländische Mikrobrauerei Kaldi in Arskogssandur im Norden an den Start. Dies war der Startschuss für viele weitere Kleinbrauereien im ganzen Land. Heute sind es über zwanzig. Sie haben sich zu den Independent Craft Brewers of Iceland (ICBI) zusammengeschlossen. Auf einer Rundreise entlang der Ring Road kann man sie besuchen. Viele haben eigene Pubs und bieten Führungen an. Einige, wie der Pionier Kaldi, bieten sogar ein warmes Bierbad im hauseigenen Spa an. In den staatlichen Vínbúðins gibt es immer eine Auswahl an lokalen Craft-Bieren. Die kleinen Brauereien verkaufen vor Ort in eigenen Shops. Ein zartes Anzeichen dafür, dass das staatliche Alkoholverkaufsmonopol bald ins Wanken geraten könnte.
Der Bier-Connaisseur
Þórgnýr Thoroddsen ist ein profunder Kenner der isländischen Bier- und Brauereiszene. Sein Unternehmen mit Sitz in Reykjavik heißt Bjorland – Bierland. Þórgnýr berät Brauereien bei der Entwicklung von Biersorten und kämpft dafür, dass die letzte Hürde auf dem Weg zu einem freien Bierland bald Geschichte ist. Das Monopol der staatlichen Vínbúðin soll endlich fallen. Die heimischen Mikrobrauer brauchen andere Absatzmärkte und drängen darauf, diese erschließen zu können. Doch die Konkurrenz der internationalen Großbrauereien macht den unabhängigen Craft-Beer-Brauern zu schaffen. Diese bieten der Gastronomie oft Preisnachlässe, mit denen die kleinen Start-ups nicht mithalten können. Trotzdem sind Restaurants und Kneipen stolz darauf, lokale Biersorten anbieten zu können. Als Reisender sollte man daher immer nach einem lokal gebrauten Craft Beer fragen.
Die Bier-Lady
Bier macht Spaß und Bier verbindet. Genau das lebt die Lady Brewery in Reykjavik. Am liebsten braut Porey Björk Halldorsdottir Ereignisbier. Für Partys, für Hochzeiten oder für die Aktionswoche Design-March. Für den Hönnunar Mars in Reykjavik braute sie bereits das vierte Jahr in Folge das Eventbier. Dabei wird nicht nur ein spezieller Sud kreiert, sondern das Bier auch zu einer Koproduktion mit anderen Kreativen der Stadt. 2022 ist es die Modedesignerin Marta Heidarsdottir vom Design-Duo Gæla. Für ihre haarigen Taschen-Kreationen verwendet sie hauptsächlich Leder von isländischen Schafen. In ihrem Atelier geht es wegen der Tierfelle sehr haarig zu. Aber wie bringt man Schafshaar und Bier zusammen? Es sollte ja nicht unappetitlich werden.
Das Ergebnis ist ein verrücktes Meisterwerk, das es wert ist, gekostet und gestreichelt zu werden, sagen die kreativen Ladies über ihre Kreation. Die Bierflasche bekommt ein zweites Leben als Fusselrolle. Die Fuzzy-Roll wird zum Mittler zwischen Mode und Bier. Und steht als Symbol für einen Gegenstand, mit dem man sich um die Dinge kümmert, die einen umgeben. Die isländischen Winter sind bekanntlich lang und dunkel. Deshalb heißt es: Entweder du wirst depressiv oder kreativ! In diesem Fall wurde die Kreativität eindeutig aus der Dunkelheit geboren. Der Design-March heißt zwar immer noch so, findet aber seit der Pandemie nicht mehr im März, sondern Anfang Mai statt.
Der Bier-Brauer mit klarem Kompass
Segull 67 ist eine Familienbrauerei im isländischen Fischerdorf Siglufjörður. Segull ist das isländische Wort für Magnet. Die magnetische Kompassnadel ist Teil des Logos. Segull 67 hat sich zu einer coolen Location im Norden Islands entwickelt. Saison und damit Gäste gibt es hier schon im Februar und März. Denn Siglufjördur am 67. Breitengrad verfügt über ein eigenes Skigebiet, das mit Direktflügen aus Dänemark und Großbritannien erreichbar ist.
Die Mikro-Brauerei wurde 2015 vom Quereinsteiger Marteinn Haraldsson gegründet und gehört zu den Indipendent Craft Brewers of Iceland (ICBI). 100.000 Liter im Jahr produziert Segull 67 bereits, alle Sorten zusammen, vom Amber Lager über das Summer Ale bis zum IPA. Früher hat Marteinn als Computer-Designer gearbeitet. Bei den Saisonbieren, sagt er, lebe er seine Kreativität aus und experimentiere mit Zutaten jenseits des Reinheitsgebots. Und in der riesigen alten Fischfabrik plant er gerade eine Destillerie. Trotz der neuen Freiheiten auf dem Biermarkt, die jedes Jahr am 1. März gefeiert werden, ist die Liebe der Isländer zum Brennivin ungebrochen.
Jedes Jahr Anfang Mai ist Design March in Reykjavik. Porey Björk von der Lady Brewery hat dann sicher wieder ein besonderes Bier gebraut. In der Innenstadt und im Hafen sollte man unbedingt auf die Schilder zum Design March achten. Besucher brauchen keine Einladung, einfach reingehen und sich das Neueste in Sachen Design und Innovation anschauen. Wer die Ring Road entlang fährt, kann sich die Landkarte der Independent Craft Brewers of Iceland (ICBI) besorgen und die nordatlantische Bierszene studieren. Segull 67 ist auf jeden Fall einen Stopp für eine Brauereibesichtigung mit Verkostung wert. Aber Vorsicht – Alkohol und Autofahren vertragen sich in Island nur bis 0,2 Promille!
Wunderliche Island Geschichten
Magisch, mystisch, wunderlich. Auf unserer Reise durch Island haben wir überwältigende Natur erlebt, die Vorzüge der Geothermie genossen und so manch absonderliches Gericht oder vom erst 1989 legalisierten Bier probiert. In Island gibt es zwar Führungsschafe, aber unter gar keinen Umständen Ponys. Dafür haben die Nachfahren der Wikinger heute beheizte Bürgersteige, immer noch brodelnde Vulkane und viel Kreativität, die in den langen dunklen Monaten das beste Rezept gegen eine beginnende Winterdepression ist. In weiteren Episoden geht es um haarige Bierflaschen, versteinerte Trolle und Wunschsteine. Fermentierter, grausam stinkender Grönlandhai steht im Kontrast zum Roggenbrot, das in heißer Erde gebacken wird. Die regelmäßig vor Húsavík auftauchenden Wale sind ein beliebtes Fotomotiv beim Whale Watching.