Bougainville: Entstehen einer Nation

Flagge von Bougainville / © Foto: Georg Berg
Flagge von Bougainville / © Foto: Georg Berg

Die Fahne sollte man sich schon mal merken, denn sie gehört dem vermutlich 194. Mitgliedsstaat der Vereinten Nationen. Ein rot-weißes Emblem in der Mitte stellt die typische Kopfbedeckung der frisch initiierten Jünglinge dar. Schwarz steht für die bemerkenswert dunkle Hautfarbe der Einwohner. Ein grün-weißer Zickzack-Ring und die blaue Fläche symbolisieren fruchtbare Inseln mit Muschel-Währung im Pazifischen Ozean.

Männliche Jugendliche tragen in Bougainville den Upei auf dem Kopf, wenn sie in den Kreis der Erwachsenen aufgenommen werden. Dieser Ritual-Hut ist zentraler Bestandteil der Landesflagge / © Foto: Georg Berg
Männliche Jugendliche tragen in Bougainville den Upei auf dem Kopf, wenn sie in den Kreis der Erwachsenen aufgenommen werden. Dieser Ritual-Hut ist zentraler Bestandteil der Landesflagge / © Foto: Georg Berg
Die Flagge Bougainvilles weht am Mast der australischen Mega-Yacht True North unterwegs in den Gewässern von Papua Neuguinea / © Foto: Georg Berg
Die Flagge Bougainvilles weht am Mast des australischen Expeditionsschiffes True North unterwegs in den Gewässern von Papua Neuguinea / © Foto: Georg Berg

Ausgelassene Aufbruchsstimmung

300.000 Menschen verteilen sich auf mehrere Volksgruppen, die relativ abgeschieden voneinander leben. Obwohl sie 30 verschiedenen Sprachen sprechen und durch die zerklüftete Landschaft wenige Berührungspunkte haben, vereint inzwischen alle die gute Laune, mit der sie sich auf die Unabhängigkeit ihres Landes freuen.

Auf ungewöhnliche Art werden Neuankömmlinge auf Bougainville willkommen geheißen. Mit Wasser aus einem Bambusrohr werden zur Inseltaufe die Füße gewaschen / © Foto: Georg Berg
Auf ungewöhnliche Art werden Neuankömmlinge auf Bougainville willkommen geheißen. Mit Wasser aus einem Bambusrohr werden zur Inseltaufe die Füße gewaschen / © Foto: Georg Berg

Die wirtschaftliche Zukunft des Landes ist allerdings noch von den auszuhandelnden Handelsabkommen abhängig. Der Tourismussektor könnte eine der wichtigsten Einnahmequellen sein und den Menschen eine Entwicklungsperspektive geben.

Nach jahrzehntelanger Isolation dürfen sich die Menschen wieder über ausländische Besucher freuen. Waffen werden nur noch von Kindern als Spielzeug getragen / © Foto: Georg Berg
Nach jahrzehntelanger Isolation dürfen sich die Menschen wieder über ausländische Besucher freuen. Waffen werden nur noch von Kindern als Spielzeug getragen / © Foto: Georg Berg

Kolonialzeit und Bürgerkrieg sind überwunden

Mit dem australischen Expeditionsschiff True North ankern wir vor Bougainville und haben einen prominenten Gast an Bord. Raymond Masono ist Vizepräsident der autonomen Provinz Bougainville, die 1975 ohne Berücksichtigung ihrer kulturellen Wurzeln dem neuen Staat Papua Neuguinea zugeschlagen wurde. Dieses Gebiet stand nach der Kolonialzeit seit 1947 als Treuhandgebiet unter australischem Protektorat.

Die stillgelegte Panguna Kupfermine auf Bougainville / © True North, Foto: Oliver Oldroyd
Die stillgelegte Panguna Kupfermine auf Bougainville / © True North, Foto: Oliver Oldroyd

Es ist nicht verwunderlich, dass die australischen Passagiere sich gezielt danach erkundigen, ob es wieder Kupferbergbau geben wird. War doch der weltgrößte Tagebau in der australisch gemanagten Panguna-Mine verantwortlich für eine großflächige Umweltzerstörung und damit auch ursächlich für einen zehnjährigen Bürgerkrieg gegen die Armee der Zentralregierung.

Bougainvilles Vize-Premierminister Raymond Masono informiert die Passagiere der True North aus erster Hand über das Ergebnis des Referendums zur Unabhängigkeit / © Foto: Georg Berg
Bougainvilles Vize-Premierminister Raymond Masono informiert die Passagiere der True North aus erster Hand über das Ergebnis des Referendums zur Unabhängigkeit / © Foto: Georg Berg

Der stellvertretende Regierungschef Masono ist auch für das Bergbauressort zuständig und stellt klar, dass eine Genehmigung für den Kupferbergbau nur Firmen möglich sein wird, die zuerst das vergiftete Tal unterhalb der Panguna-Mine wieder bewohnbar machen.

Kapitän Gav Graham und der stellvertretende Regierungschef Bougainvilles, Raymond Masono auf der Kommandobrücke der True North / © Foto: Georg Berg
Kapitän Gav Graham und der stellvertretende Regierungschef Bougainvilles, Raymond Masono auf der Kommandobrücke der True North / © Foto: Georg Berg

Zur Zeit des Treffens war Raymond Masono Mitglied der Kommission, die mit der Zentralregierung Papua Neuguineas die Bedingungen des Austritts und der Übergangsphase verhandelt. Formell muss das Parlament in der Hauptstadt Port Morsby anschließend die Unabhängigkeit seiner ehemals autonomen Region noch bestätigen. Die Zustimmung gilt jedoch als reine Formsache. Zu erdrückend war beim Referendum im Dezember 2019 die Mehrheit von 98 Prozent der Stimmen für die Unabhängigkeit Bougainvilles.

Mit Improvisationstalent und einem im Strandgut gefundenen Schiffstau überbieten sich die Jugendlichen beim kunstvollen Sprung ins Wasser / © Foto: Georg Berg
Mit Improvisationstalent und einem im Strandgut gefundenen Schiffstau überbieten sich die Jugendlichen beim kunstvollen Sprung ins Wasser / © Foto: Georg Berg

Die Unabhängigkeitsabstimmung wurde von einer internationalen Kommission vorbereitet. Da zunächst alle stimmberechtigten Wähler registriert werden mussten, ist eine aktuelle Bestandsaufnahme der Bevölkerungsdaten und der Infrastruktur des Landes entstanden.

Aktive Vulkane aus der Luft erkunden

Auf der Insel Bougainville gibt es einige aktive Vulkane, die schwer zugänglich und am besten aus dem bordeigenen Hubschrauber der True North zu sehen sind.

Pilot Alan Carstens erklärt den Mitfliegern über Kopfhörer alle wichtigen Naturphänomene / © Foto: Georg Berg
Pilot Alan Carstens erklärt den Mitfliegern über Kopfhörer alle wichtigen Naturphänomene / © Foto: Georg Berg
Während wir uns aus der Luft nähern, stößt der Bagana Vulkan Rauchwolken aus / © Foto: Georg Berg
Während wir uns aus der Luft nähern, stößt der Bagana Vulkan Rauchwolken aus / © Foto: Georg Berg
Hinter dem aktiven Bagana Vulkan taucht die mit Wasser gefüllte Formation des Lake Billy Mitchell auf / © Foto: Georg Berg
Hinter dem aktiven Bagana Vulkan taucht die mit Wasser gefüllte Formation des Lake Billy Mitchell auf / © Foto: Georg Berg

Die alte Hauptstadt soll wieder zum Leben erwachen

Von 1968 bis 1989 war Kieta die Hauptstadt Bougainvilles. Dann wurden fast alle Gebäude der Stadt zerstört und die Überlebenden mussten in die Berge flüchten. Vom hohen Gras noch nicht ganz überwuchert sind die Waffen des Bürgerkriegs. Heute klettern Jugendliche auf hohe Bäume und schwingen sich akrobatisch an langen Seilen ins Meer. Die wenigen Erwachsenen, die wir im Ort antreffen, erinnern sich noch mit Schrecken an die Luftangriffe, denen damals viele Freunde und Verwandte zum Opfer fielen.

Palmen und Haus-Ruinen sind Zeugnisse der einst prachtvollen Strandpromenade von Kieta. Hier residierten die wohlhabenden Angestellten der im Landesinneren liegenden Panguna Kupfermine / © Foto: Georg Berg
Palmen und Haus-Ruinen sind Zeugnisse der einst prachtvollen Strandpromenade von Kieta. Hier residierten die wohlhabenden Angestellten der im Landesinneren liegenden Panguna Kupfermine / © Foto: Georg Berg
In den letzten 20 Jahren ist in der Stadt Kieta noch nicht überall Gras über die Spuren des Bürgerkriegs gewachsen / © Foto: Georg Berg
In den letzten 20 Jahren ist in der Stadt Kieta noch nicht überall Gras über die Spuren des Bürgerkriegs gewachsen / © Foto: Georg Berg
Erdnüsse werden frisch in kleinen Sträußen angeboten / © Foto: Georg Berg
Erdnüsse werden frisch in kleinen Sträußen angeboten / © Foto: Georg Berg
Das ehemalige Amtsgebäude des deutschen Gouverneurs im Verwaltungszentrum der Provinz Bougainville, der Stadt Buka / © Foto: Georg Berg
Das ehemalige Amtsgebäude des deutschen Gouverneurs im Verwaltungszentrum der Provinz Bougainville, der Stadt Buka / © Foto: Georg Berg

Musik und Tanz laden zum Mitmachen ein

Fester Bestandteil des musikalischen Repertoires auf der Insel Bougainville sind die Songs aus der Zeit des Embargos. Während einer zehnjährigen Seeblockade war die Insel von jeglichem Import abgeschnitten. Die Besinnung auf traditionelle Naturmedizin, Ideenaustausch und handwerkliches Improvisationstalent haben die Bevölkerung zusammengeschweißt und aus der Not eine Tugend gemacht.

Kulturelle Identität und Zusammenhalt pflegen alle Bevölkerungsgruppen auf Bougainville / © Foto: Georg Berg
Kulturelle Identität und Zusammenhalt pflegen alle Bevölkerungsgruppen auf Bougainville / © Foto: Georg Berg

Alle Bevölkerungsgruppen auf Bougainville leben nach dem matrilinearen Erbschaftsprinzip. Verwandtschaftsbeziehungen und Familienbesitz werden von der Mutter auf die Töchter vererbt. Auch die Söhne erhalten den Familiennamen ihrer Mutter.

Schon die jungen Frauen auf Bougainville sind sehr selbstbewusst / © Foto: Georg Berg
Schon die jungen Frauen auf Bougainville sind sehr selbstbewusst / © Foto: Georg Berg
In einer Bamboo-Band werden verschieden lange Bambusrohre rhythmisch mit Flop-Flop-Sohlen angeschlagen / © Foto: Georg Berg
In einer Bamboo-Band werden verschieden lange Bambusrohre rhythmisch mit Flop-Flop-Sohlen angeschlagen / © Foto: Georg Berg
Beim Sing-Sing begegnen sich die Kulturen. Gäste und Crew der True North werden zum Tanz aufgefordert und begeistert empfangen / © Foto: Georg Berg
Beim Sing-Sing begegnen sich die Kulturen. Gäste und Crew der True North werden zum Tanz aufgefordert und begeistert empfangen / © Foto: Georg Berg

Ergänzende Literatur: Georg Berg, Aufbruchstimmung, Bougainville stimmt nach Öko-Revolution für Unabhängigkeit, Politik & Kultur 02/2020 (pdf, 428 KB)

Spuren des Zweiten Weltkriegs im Dschungel

Im europäischen Bewusstsein findet kaum Beachtung, was während der Weltkriege im pazifischen Raum geschah. Bougainville war im Zweiten Weltkrieg zwischen Japan und den mit Australien und Neuseeland verbündeten Vereinigten Staaten hart umkämpft. Tief im Dschungel liegt noch das Flugzeugwrack, in dem der japanische Admiral saß, der den Angriff auf den US-Flottenstützpunkt Pearl Harbor befohlen hat.

Im Dschungel Bougainvilles liegen noch immer die Wrackteile des Flugzeugs Mitsubishi G4M, in der General Yamamoto Isoroto am 18. April 1942 abgeschossen wurde / © Foto: Georg Berg
Im Dschungel Bougainvilles liegen noch immer die Wrackteile des Flugzeugs Mitsubishi G4M, in der General Yamamoto Isoroto am 18. April 1942 abgeschossen wurde / © Foto: Georg Berg

Reportage über eine ungewöhnliche Mission: Yamamoto Wrack im Dschungel von Bougainville

Reisehinweise: Australien für europäische Touristen

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