Austern sind in Frankreich eine beliebte Vorspeise. Sie sättigen kaum, sind arm an Fett und Kohlehydraten, enthalten dafür aber viele Vitamine und Mineralstoffe. Nicht nur ich bilde mir ein, dass schon der Verzehr weniger Austern die Gesundheit fördert. Innerhalb kürzester Zeit helfen sie gegen trockene Augen und die Gelenke fühlen sich geschmeidiger an. Selbst bei einem Marathon helfen sie, kurz vor dem Ziel wieder zu Kräften zu kommen. Im Strandpavillon Le St Pierre im Department Herault treffen wir Austernzüchter Florent Tarburiech. Der Franzose hat die Langleinenzucht von Austern perfektioniert. Seine Austern durchlaufen ein regelrechtes Trainingslager zum Muskelaufbau.

Ebbe und Flut prägen die Auster – eigentlich
Austern sind ursprünglich an flachen Felsenküsten zu Hause, wo sie sich während der Flut vom Plankton aus dem Meerwasser ernähren. Bei Ebbe, wenn sie an der Luft sind, klappen sie ihre dicke und scharfkantige Schale wasserdicht zu. Das stärkt den Muskel und macht ihn so ausdauernd, dass eine Auster sogar zwei Wochen im Trockenen überleben kann. Wie gedeihen Austern aber im Mittelmeer, das keine Gezeiten wie ein Ozean hat?
Vor hundert Jahren begann man in Japan damit, Ebbe und Flut mit einer Tauchtechnik zu simulieren. Die Technik der Langleinenzucht hat weltweit inzwischen viele Gewässer für die Austernzucht erschlossen. So auch in Südfrankreich am Étang de Thau, einer 18 Kilometer langen Lagune. Der See ist durch eine Sandbank weitgehend vom Meerwasser abgetrennt.


Tüftler der Langleinenzucht
Am Bassin de Thau sind wir mit Florent Tarbouriech zum Abendessen verabredet. Er ist der bekannteste von 600 Austernzüchtern an dieser dem Mittelmeer vorgelagerten Lagune. Das Klima und die Mischung von Salz- und Süßwasser lässt die Austern hier besonders schnell wachsen.

Austernzucht an der langen Leine
Die triploide Auster
In den Monaten Februar und August, so verrät der Experte, schmecken ihm die Austern am besten. Das überrascht, denn die Sommermonate (die kein R im Namen führen) gehören ja ursprünglich nicht zur besten Austernzeit. Der Sommer ist für alle Muschelarten Fortpflanzungszeit, zu der sie ihren typischen Geschmack verändern. Weil aber gerade im Sommer die Nachfrage groß ist, haben viele Austernzüchter ihren Betrieb auf sterile Austern umgestellt. Florent Tarbouriech bezieht seine Austernlarven aus der Bretagne. In den dortigen Brütereien werden die triploiden Austern, die mit ihrem dreifachen Chromosomensatz keine Fortpflanzungs-Phase haben, durch Kreuzung von wilden diploiden Eizellen mit tetraploiden Samen gezüchtet.







Der Geschmack der Auster
Die Austern aus dem MIttelmeer gelten als salziger im Vergleich zu den atlantischen Austern der Betragne oder der Normandie. Die Austernzüchter am Étang de Thau profitieren aber vom Zufluss einger Süßwasserflüsse in die Lagune. Diese Lage und das Muskeltraining an den Langleinen beeinflusst den Geschmack. Die Austern aus dem nährstoffreichen Wasser des Étang de Thau sind nicht sehr salzig und ab einer mittleren Größe entwickelt das Muskelfleisch der Austern eine leichte Süße, die an den Geschmack von Mandeln erinnert. Die Austern von Florent Tabouriech kann man in den Sommermonaten in den idyllisch gelegenen Strandlokalen Maison Tarbouriech Le St Barth‘ in Marseillan und Le St Pierre bei Loupian probieren.
Wer sich lieber theoretisch der Auster nähern möchte, dem empfehle ich MFK Fisher’s kleines Buch von 1941 Consider the Oyster. Dass das Essen der ersten Auster schon immer Überwindung gekostet hat, beschreibt die amerikanische Autorin in einer Episode ihres Buches. Mehr zum Thema Austern im Beitrag Austern gehen immer