Wo sonst kann man an einem Tag mit dem Kajak durch ein naturbelassenes Flusstal paddeln, durch einen Garten mit 50 Wasserspielen schlendern, sich vom Fährmann über den Fluss setzen lassen, auf langen Wanderungen die Aussicht von den Gipfeln eines Mittelgebirges genießen und zur Abwechslung eine alte Bahnstrecke per Draisine befahren? All das bietet die Wallonie – doch es wäre schade, diese Vielfalt in nur einen Tag zu zwängen. Außerdem locken Städte wie Dinant und Namur, malerische Dörfer wie Redu oder imposante Klosteranlagen wie die Abtei Maredsous.

Die Wallonie, der Süden Belgiens, grenzt an Frankreich und Luxemburg. Die Region mit der Hauptstadt Namur und dem kulturellen Zentrum Lüttich zählte im 19. Jahrhundert, nach England, zu den am stärksten industrialisierten Gebieten Europas. Heute begeistert die Wallonie vor allem mit ihrer Natur. Outdoor-Fans zieht es in die Ardennen, wo felsige Flusstäler das Mittelgebirge durchziehen. Hier hinterließen Mönche und Römer ihre Spuren. Egal, wo man in der Wallonie unterwegs ist – Wasser ist nie fern.

Mit dem Kajak auf der Lesse
Hat man die Rampe erst überwunden, auf der Kajak und man selbst in flottem Tempo in die Lesse rutschen, beginnt eine fast durchgehend ruhige Paddeltour. Über 12 Kilometer gleitet man durch stilles Wasser, vorbei an bizarren Felsen und Schloss Walzin. Die reine Fahrt dauert etwa 2,5 Stunden, doch hier ist kaum jemand für einen neuen Streckenrekord unterwegs, im Gegenteil das Tempo ist bei den meisten Paddlern sehr gemächlich. In kleinen, kieselgesäumten Buchten holt man das Picknick aus dem wasserdichten Eimer und beobachtet vom Ufer aus, wie geschickt oder unbeholfen andere Kanuten manövrieren. Unterwegs sorgen kleine Stromschnellen und zwei Wehre für einen Hauch Abenteuer. Der optimale Kurs ist markiert, und man kann von vorausfahrenden Booten lernen, wie es geht – oder besser nicht. Die Lesse ist flach, und bei Niedrigwasser bleibt man gelegentlich auf Flusssteinen hängen.

Dinant Evasion ist der größte Anbieter von Kajaktouren in der Region. 1958 begann der Familienbetrieb mit Flusskreuzfahrten auf der Maas. Heute lockt ein breites Outdoor-Angebot: Klettergarten, Höhlen-Exkursionen und Klettersteigtouren. Die beliebtesten Kajakrouten starten in Houyet (21 km) oder Gendron (12 km) und enden in Anseremme bei Dinant. Ein Shuttle bringt die Gäste zum Startpunkt. Vor Ort gibt es Umkleiden, Duschen und Gastronomie. Kajaks und Kanadier stehen als Ein-, Zwei- oder Dreisitzer bereit. An Wochenenden wird es auf der Lesse oft voll, viele Gruppen sind unterwegs. Wer Ruhe sucht und die Natur genießen will, startet früh am Morgen oder unter der Woche.

Wandern an Lesse und Maas
Typisch für die Wanderwege entlang der Maas und seine Nebenflüsse sind die ständig wechselnden Landschaften: Die Pfade winden sich durch bewaldete Täler und vorbei an schroffen Felsen. Steile Anstiege führen auf die Höhenrücken, gefolgt von flachen Uferwegen direkt am Fluss. Mal steht man auf einem spektakulären Aussichtspunkt und blickt in eine romantische Flussbiegung, mal steigt man hinab und wandert über Wiesen, vorbei an grasenden Kühen. Uralte Wälder, Burgen am Fluss, Höhlen, Ruinen römischer Thermen und charmante Dörfer sorgen für Abwechslung. Das dichte Wegenetz verbindet sich zudem mit Fernwanderwegen wie dem GR 129 und dem Escapardenne, der größtenteils durch Luxembourg verläuft.

Die Wasser-Passage bei Waulsort
Die Passage d’Eau de Waulsort besteht seit 1871. Ein Fährmann zieht das Plattboot mit bloßer Muskelkraft an einem Drahtseil über die Maas. Früher ermöglichte die Fähre den Einwohnern von Falmagne und Falmignoul den direkten Zugang zur Eisenbahnlinie von Dinant nach Givet. Heute setzen Wanderer und Radfahrer kostenlos über – von Anfang April bis Ende September.

Draisine – auf alten Industriepfaden
Die stillgelegte Bahnstrecke Falaën–Warnant spielte einst eine zentrale Rolle in der Region. Sie erschloss die ländlichen Gebiete im Molignée-Tal und verband die Orte Falaën, Maredsous und Warnant. Die Linie, eröffnet 1886, förderte den lokalen Verkehr und trieb die wirtschaftliche Entwicklung in der abgelegenen Gegend voran. 1952 stellte man den Personenverkehr ein.

Heute können Besucher die Strecke mit Draisinen, also Schienenfahrrädern, erkunden. Die Fahrt führt durch das waldreiche Molignée-Tal und über Brücken, die mehrfach den Fluss queren. Das Tempo bestimmen die Fahrer selbst. Bis zu vier Personen passen auf eine Draisine, wobei immer zwei gleichzeitig in die Pedale treten. So lässt sich die Anstrengung teilen, und der Spaß kommt nicht zu kurz. Es stehen drei Strecken zur Wahl: Falaën–Maredsous (6 km), Warnant–Falaën (8 km) oder die Gesamtstrecke Warnant–Falaën–Maredsous (14 km). In Maredsous kann man die Tour bei einem frischen Abteil-Bier ausklingen lassen.

Die Wassergärten von Annevoie
Belgiens einzige Wassergärten zählen zu den schönsten Europas. Zwischen 1758 und 1776 ließ Charles-Alexis de Montpellier sie anlegen. Ursprünglich im französischen Stil gestaltet, kamen später Elemente italienischer und englischer Gartenkunst hinzu – heute spricht man von einem europäischen Stilgarten. Das Wassersystem arbeitet seit über 260 Jahren allein durch das natürliche Gefälle, ohne Pumpen oder Maschinen – eine technische Meisterleistung des 18. Jahrhunderts. Einige Wasserspiele laufen seit ihrer Entstehung ununterbrochen.

Die Gärten befinden sich in Familienbesitz und wurden zuletzt ab 2017 umfassend restauriert. Das Schloss Annevoie, der idyllische Mittelpunkt, wird privat bewohnt und ist nicht öffentlich zugänglich. Die Anlage umfasst 50 Wasserspiele, Wasserfälle und Fontänen, die von vier Quellen gespeist werden, sowie einen 400 Meter langen Kanal – alles ohne mechanische Hilfsmittel.

Gartenfans entdecken in den Wassergärten von Annevoie historische Alleen, mächtige Baumriesen, einen großen Teich mit Seerosen und seltene Pflanzen. Französische Symmetrie und klare Perspektiven wechseln mit englischer Romantik und ihren überraschenden Blickachsen, ergänzt durch italienische Wasserspiele und Arkaden.
Les Sorbiers – Hotel an der Maas
Am Ufer der Maas, eingebettet in einen 17 Hektar großen Park, liegt das Öko-Hotel Les Sorbiers. Es gibt einen Bootsanleger für Kajakfahrer und gegenüber der großen Außenterrasse erstreckt sich ein Naturreservat. Die Zimmer, individuell gestaltet, befinden sich entweder im historischen Castell oder im modernen Palladio. Im Park können Gäste zudem in komfortablen Glamping-Zelten übernachten. Les Sorbiers erhielt als erstes Hotel in der Wallonie das europäische Eco-Label – ausgezeichnet für nachhaltige Materialien, eine Biomasseheizung, den Verzicht auf Einwegplastik, regionale Bio-Küche und Naturschutz. Auch Fahrradreisende finden hier ideale Bedingungen. Die abgeschiedene Lage erfordert jedoch ein Fahrrad oder Auto, um die Region zu erkunden.
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Die Recherche wurde unterstützt von VisitWallonia.be